34. Belvedere Gesangswettbewerb Amsterdam 4. Juli 2015
Die Preisträger. Copyright: Belvedere-Wettbewerb
In der Königlichen Oper Amsterdam fand also diesmal das Finale des bereits 34. Internationalen Hans Gabor Gesangswettbewerbes statt: 15 Sänger aus 10 Nationen waren vertreten, 62 waren es noch im Halbfinale, 160 Finalisten hatten es bis zur Vorrunde in den Niederlanden geschafft, von an die 1400 (!!) , die sich weltweit den Vorausscheidungen gestellt hatten. Eine unheimliche Breitenwirkung in der Welt der Oper hat dieser von Hans Gabor initiierte und nun von seiner Witwe Isabella Gabor und Holger Bleck weitergeführte Bewerb erlangt: zweifellos auch ein Werbefaktor und eine Bereicherung für die angebliche Musikweltstadt Wien war er bis vor ein paar Jahren. Bis dann ein paar kurzsichtige Stadtpolitiker und Kammerfunktionäre ( der Wirtschaftskammer ) den Geldhahn zudrehten und der Bewerb aus Wien abwandern musste. Eine Unglaublichkeit, die einem die Zornesröte ins Gesicht treibt, speziell dann, wenn man sieht was der Herr Kulturstadtrat Mailath-Pokorny unter dem Deckmäntelchen „Kultur“ alles sponsert…Nun ist das leider ein wahrlich trauriges Kapitel, doch soll hier primär über das Finale berichtet werden.
Dabei ist aufgrund der vielen Juroren, Beobachter und Agenten ein Finaleinzug gar nicht unbedingt erforderlich, um zu reüsssieren, oftmals werden Engegements schon in den ersten Runden getätigt, und die besagten schaffens gar nicht in die letzte Runde: also bietet der Wettbewerb weit mehr, als „nur“ Finaleinzug und Preisgelder. Und leider musste ich in den letzten Jahren eine Tendenz erkennen, die leider ganz im Zeitgeist der heutigen Opernszene liegt ( kla:r sind ja praktisch die „Macher“ hier auch die Juroren ) : große Stimmen werden rasch eliminiert, Persönlichkeiten fehlen, dafür kommen immer mehr kleine , technisch zwar sehr gut geführte Stimmen, aber einfach austauschbar, ohne oder zumindest mit zuwenig Persönlichkeit! Ich muss heute immer wieder an Mario del Monacos Ausspruch vom „Nemorino ínTheben“ denken, als sich Jose Carreras erstmals an den Radames wagte…. Jetzt wird vielerorts nochmals ein bis zwei Stufen „kleiner“ besetzt…
Nun 15 Finalisten wurden vom wackeren „Het Gelders Orkest“ unter der Leitung von Ed Spanjaard begleitet, der sich sehr bemühte ein guter Begleiter zu sein. Insgesamt zog sich der Abend ein bisschen, da die Jury nicht gerade die attraktivsten Nummern für die Kandidaten ausgesucht hatte: 6 mal Mozart war eindeutig übertrieben, nur einmal Verdi, einmal Wagner…Durch den Abend führte mit Charme und Humor – dreiprachig mit fliessenden Übergängen , ich bedauerte sehr nicht holländisch zu verstehen – der TV-Präsentator und Produzent Bo van der Meulen : eine Wohltat an Kompetenz, natürlichem Ausdruck und selbst preisverdächtig im Gegensatz zu den in Österreich dauerpräsenten Rett, Traxel, Schneeberger etc.
Meinem Empfinden nach waren nur fünf Kandidaten wirklich finalwürdig. Die anderen waren recht brav, so etwa der Georgier Lasha Sesitashvili mit der Arie des Grafen „Ha gia vinta la causa“ – immerhin mit Stimme aber wenig Finesse, die Südafrikanerin Noluvuyiso Mpofu mit einer faden Pamina-Arie mit durchaus netter Stimme, die zierliche Simone Osborne aus Kanada als lobenswerterweise nicht exaltierte Juliette von Gounod ( „Ah! Je veux vivre“ ) sowie die Südkoreanerin Hyekyung Choi als larmoyante Figaro-Gräfin („Dove sono“), wobei die Reihung durchaus wertend gemeint ist. Weniger gelungen fand ich die Darbietungen von Zachariah Njoroge Kariithi (Kenya) , der als Malatesta zwar versuchte besonders witzig zu sein, und wohl darüber vergass seinem trockenen Bariton eine Donizetti-Kantilene abzuringen. Caroline Modiba (Südafrika) war viel zu lyrisch und schülerhaft bei „Non mi dir“ und Lukhanyo Moyake versuchte sich am „Traviata“ – Alfredo, mit sehr unterschiedlichem Erfolg, was Stimmsitz, Linie und Intonation anbelangte. Prinzipiell lehne ich Countertenöre ab und möchte sie auch nicht beurteilen, Kangmin Justin Kim aus den USA sang das Largo aus „Xerxes“.
Besser als alle vorab erwähnten konnten mir Jared Bybee aus den USA mit „Ja vas ljublju“ aus „Pique Dame“ gefallen, dem wurde durch die extrem langsamen Tempi des Maestro in diesem Stück etwas vom Effekt genommen, die Stimme geht nicht immer nach oben auf, da muss er dran arbeiten, und der Russe Mikhail Timoshenko – erst 22 Jahre – versuchte sich am Ständchen des Mephisto aus Gounods „Margarethe“ : sehr geschmackvoll , gute Diktion , aber für mich ist er vom Timbre Bariton, ich denke der Valentin hätte besser zu ihm gepasst!
Nun bleiben eben noch fünf über. Sehr reif im Ausdruck und Interpretation, genau den Grad zwischen bisschen Aktion, aber ohne Übertreibung traf der aus Kranj in Slowenien stammende Domen Krizaj mit der Registerarie aus dem „Don Giovanni“. Mit ausnehmend schönem Bariton bewies er – mit der sicher ungünstigen Startnummer eins ( sein berühmter Namensvetter Bojan hatte die bei seinen zahlreichen Slalom-Weltcupsiegen wohl weitaus lieber! ) – Animo und Virilität, und brachte eben die Persönlichkeit mit, die man so oft schmerzlich vermisst. Er hätte bei mir Platz 4 belegt – aber genauso wie mein persönlicher Platz 2, bekam er auch keinen offiziellen Stockerlplatz! Sie war die zweite großartige Mozart-Interpretin des Abends, die 28 jährige kleine Finnin Tuuli Takala, die mit Attacke und passendem Material, so gar nicht piepsig, glasklare Koloraturen der Königin der Nacht ins Auditorium pfefferte! Ausserdem trug sie das geschmackvollste Kleid des Abends und wirkte sehr professionell – immerhin hat sie diese Partie auch schon in Helsinki und beim Savonlinna Festival gesungen. Brava! Den dritten Preis gewann der erst 21 jährige Ki Hun Park ( Südkorea) mit einem erstaunlichen „Porquoi me reveiller“: die Stimme des zierlichen, kleinen Mannes hat südländisches, strahlendes Timbre, natürlich unfertig, aber in diesem Alter ausbau – verbesserungsfähig, Bühnenpräsenz wird da weit schwerer zu erlangen sein…
Den zweiten Platz des allgemeinen Jury, Gewinnerin des Preises der Medienjury ( wo ich mitstimmen durfte ) und – laut Moderator – mit überwältigender Mehrheit Gewinnerin des Publikumspreises war die letzte Kandidatin des Abends: mit energischem Schritt betrat eine schlanke Hünin die Bühne, und nach den ersten Takten wusste ich, das ist meine Nummer 1 : Lise Davidsen. Eine norwegische Stimme, klar im Timbre, mit Kraft , gut geführt, ohne Höhenprobleme bejubelte sie die Halle ( Elisabeth- Arie aus dem „Thannhäuser“ ), die sie trotz des zweiten Platzes als Siegerin verlassen konnte. Schwierig könnte es wohl werden einen annähernd gleichgrossen Tenor zu finden, aber das ist wahrlich nicht ihr Problem. Ihre Darbietung war der großartige , offizielle Abschluss des ersten Teils. Natürlich erklang die Arie des Siegers zu allerletzt: „Languir per una bella“ – Cavatine und Cabaletta des Lindoro aus „L`Italiana in Algeri“ bot der 25 jährige Südafrikaner Levy Sekgapane dar: bei mir häte er den 3. Platz belegt, doch konnte ich mit ihm als Sieger auch gut leben. Mit typisch weissem Timbre vermochte er nämlich bestens umzugehen! Ein berühmter Maestro und einer der größten Kollegen in diesem Fach, Rockwell Blake , sagte mir einmal „Belcanto“ heisst eben nicht „schöne Stimme“ , sondern „schön singen“ ! Und das tat der junge Mann mit einer erstaunlichen Leichtigkeit: Koloraturen perlen, die zweite Strophe wurde variert, lyrische Momente werden schön zurückgenommen, nur über das „finale acuto“ hat er sich – leider – nicht gewagt. Wenigstens verteidigte er die Ehre Südafrikas, wo im nächsten Jahr in Kapstadt der 35. Wettbewerb stattfinden wird, denn vier aus diesem Lande kamen ins Finale… ein Schelm wer dabei „Böses“ denkt…
Abschliessend kann noch einmal betont werden, dass es für Wien ein grosser Verlust ist diesen ausgezeichnet organisierten Wettbewerb nicht mehr Heimat bieten zu können, eine Teilnahme sich in irgendeiner Weise für alle Kandidaten lohnt und allen Interessenten nur geraten werden kann, sich mindestens auch die Semifinali anzuhören. Ad multos annos!
Michael Tanzler