AMSTERDAM/ Dutch Opera & Ballet : SLEEPING BEAUTY von Pjotr Iljitsch Tschaikowski am 12.10.2022 (Premiere)
Prinzessin Aurora schwebt. Copyright: Dutch Opera & Ballet
Wiener Ballettfans, die die Verschläpferung von Pjotr Iljitsch Tschaikowskis Dornröschen seinem „bestem Ballett“ (Selbsteinschätzung des Meisters) nicht goutieren (und das sind, soweit ich das mitbekomme, die meisten) und sich nach der Vorgängerchoreographie von Sir Peter Wright zurücksehnen (deren Decors noch immer im Staatsoperndepot schlummern), sei dringend eine Reise nach Amsterdam angeraten. Denn dort hat man Wrights Rekonstruktion der Originalfassung von Marius Petipa, die dort vor 40 Jahren Premiere hatte (und seither als Diamant in der Krone der Compagnie betrachtet wird) wieder einmal wiederaufgenommen – mit triumphalem Erfolg.
Sir Peter behauptet ja keck, dass die Russen Petipa gar nicht so gut verstünden wie sie immer glauben und ihn viel zu „flamboyant“ und übertrieben tanzen. Er beruft sich auf Nikolai Sergejev, den einzigen Menschen, der noch im Besitz der Originalnotation war und inszeniert die „Bibel aller klassischen Ballette“ daher nach der Methode von Enrico Cecchetti, dessen Stil viel einfacher und reiner ist.
Und Wright mag damit sogar recht haben, denn sobald der Vorhang aufgeht, fühlt man sich sofort auf wundersamste Weise ins Sankt Petersburg der Uraufführungszeit versetzt. Bühnenbild, Kostüme, alles wie man sich das so vorstellt, alles „comme il faut“. Und die lückenlose Perfektion des Holländischen Nationalballetts setzt den hoffärtigen Wiener in Erstaunen und macht ihn vor lauter Beschämung sprachlos.
Der Prinz hat seine Prinzessin gefunden. Copyright: Dutch Opera & Ballet
Absoluter Star des Abends ist natürlich Maia Makhateli als Prinzessin Aurora. Was die zierliche georgische Primaballerina an diesem über dreistündigen Abend leistet, ist ungeheuerlich. Da stimmt einfach alles bis in die kleinste Fingerspitze, aber nicht nur, was die Technik anlangt, sondern auch in Bezug auf die schwierige Interpretation der drei verschiedenen Lebensalter der verwunschenen Königstochter. Aber auch Jakob Feyferliks Prinz Florimund steht ihr in nichts nach, ebensowenig wie das ganze restliche Ensemble, was sich natürlich besonders beim Divertisssement im letzten Akt beweist: da jagt ein faszinierendes Bravourstückl das andere, sodass man mit dem Klatschen kaum nachkommt.
Goldregen beim Schlusstableu. Foto: Dutch Opera & Ballet
Das Publikum war außer sich, wollte den Saal gar nicht mehr verlassen und hätte auch nichts dagegen gehabt, wenn alles wieder von vorne begonnen hätte…
Auf nach Amsterdam!
Robert Quitta, Amsterdam