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AMERICAN SNIPER

23.02.2015 | FILM/TV, KRITIKEN

FilmPlakat American Sniper~1

Ab 27. Februar 2015 in den österreichischen Kinos
AMERICAN SNIPER
USA / 2014
Regie: Clint Eastwood
Mit: Bradley Cooper, Sienna Miller u.a.

Bei diesem Film kann man sich nur wohl fühlen, wenn man ein in der Wolle gefärbter Bush-Amerikaner ist. Für einen solchen mag der Mann, der nachweislich 160 Menschen getötet hat (man will ja nicht angeben, vielleicht waren es auch mehr bei 255 Einsätzen als Scharfschütze), ein Held sein, ein amerikanischer Patriot, jemand, den man bewundern kann. Erstaunlich nur – offenbar findet Clint Eastwood das auch. Wenn man bei einigen seiner früheren Filme den Eindruck hatte, dass er (wie Kollege Robert Redford) durchaus Amerika-kritische Positionen einnimmt – man hat sich offenbar geirrt.

Zwar kommt der „American Sniper“ mit der (sicherlich ungerechtfertigen) Ruhe einer behäbigen Dokumentation daher, selten auf „Spannung“ abzielend, aber eine Heldenstory ist es allemal. Das sollte einmal ein europäisches Land versuchen, seine Soldaten heute oder gar einst (der Großteil der Handlung spielt im Irak-Krieg) dermaßen als großartige Männer zu verkaufen. Zumal man nie wirklich einen Eindruck davon erhält, was sich dieser Sniper eigentlich denkt, wenn er auf Dächern liegt, durchs Fadenkreuz schaut und auf Opfer lauert…

Es gab ihn wirklich: „Chris“ Kyle, geboren 1974, noch nicht 40jährig gestorben 2013, allerdings nicht im Kampf, sondern ermordet von einem Kollegen aus dem Irak-Krieg unter gänzlich undurchsichtigen Umständen. Kyle kam 25jährig zu den Nacy Seals und absolvierte vier Einsätze im Irak-Krieg, die Eastwoods Film brav einen nach dem anderen nachzeichnet. Kyle schrieb danach seine Memoiren (wohl kaum selbst, wenn er so schlicht und wortkarg war, wie er im Film erscheint – immerhin heißt es, er habe auch am Drehbuch mitgearbeitet). Das Buch war in den USA ein Riesenerfolg – verständlich, denn vermutlich wollten nur wenige ein Heldenepos à la John Wayne lesen, aber dringlich wissen, „wie es wirklich war“.

Erfährt man das nun durch den Film, besser, deutlicher als in den bisherigen Streifen, die über den Irak oder Afghanistan gedreht wurden? Sicher nicht. Manchmal scheint Eastwood die Problematik der Scharfschützen-Existenz, die ja eine Heckenschützen-Aufgabe ist (er selbst steht ja nicht im Feuer, im Gefecht, er liegt auf einem Dach und knallt ab), wenigstens anzudeuten. Die spannendste Szene gleich zu Beginn: Kyle auf dem Dach – im Fadenkreuz ein kleiner Junge, der etwas trägt, seine Mutter dahinter. Ja, man weiß es, immer wurden Kinder missbraucht, er kann gut und gern eine Bombe schleppen und werfen… aber wie soll Kyle das wissen? Wird er auf Verdacht ein Kind erschießen? In diesem Fall erspart Eastwood durch einen Dreh Kyle die Entscheidung und dem Publikum mit ihm. Sonst hat der Mann so oft geschossen und getroffen, dass er für seine Kameraden „die Legende“ (als Nickname) wurde, für die irakischen Gegner zum Feind Nr. 1, mit Kopfgeld belegt.

Zwischen den vier Irak-Einsätzen, 1000 Tagen in Staub, Schmutz, Kämpfen und Entscheidungen über Leben und Tod, liegen die Aufenthalte zuhause, und da hatte Kyle offenbar alle Probleme, seiner Frau (Sienna Miller) stets von neuem klar zu machen, dass er immer wieder freiwillig in den Krieg zurückging, seinem Sohn ein guter amerikanischer Daddy zu sein und sich überhaupt in der Normalität zurecht finden. Dass dies für Männer, die in der Hochspannung des Ausnahmezustandes leben, nicht so einfach ist, glaubt man gern. Aber ist das ein Problem, das man dem Kinopublikum der Welt vorsetzen muss?

American Sniper Bradley Cooper~1

Denn, wie gesagt, was Kyle denkt, wie er ist, kommt absolut nicht heraus – und vielleicht ist das auch geplant: Bradley Cooper, unglaublich muskelbepackt, sehr ruhig, undramatisch, im Original unendlich „texanisch“ in seiner Sprache, ist beeindruckend glaubhaft als das, was man sich unter einem amerikanischen Soldaten vorstellt. Vielleicht denken sie wirklich nicht. Vielleicht kann man nur auf lebende Menschen schießen wie im Videospiel auf herumpurzelnde Figuren, wenn man nicht denkt… Aber reicht diese Erkenntnis, um einen doch stark auf „heldisch“ gepolten Film zu erzählen? Und bei der Helden-Geschichte folgt man Clint Eastwood nun einmal gar nicht.

Renate Wagner

 

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