ALMA DEUTSCHER:
Die Kinder sollen meine Cinderella lieben!
Das ist zweifellos eine Novität an der Wiener Staatsoper: eine knapp 13jährige Komponistin, die schon in ganz jungen Jahren eine „Cinderella“-Oper geschrieben hat. Alma Deutscher, gebürtige Britin mit großer Liebe zur österreichischen Musik, kam anlässlich der Premiere in der AGRANA STUDIOBÜHNE | WALFISCHGASSE nach Wien. Sie wird auch in einigen Aufführungen live mitwirken – mit der Geige in der Hand. Sie ist nämlich nicht nur Komponistin, sondern auch Geigerin und Pianistin. Ein Wunderkind, das längst nicht mehr auf Mozart angesprochen wird – mittlerweile ist sie eine Künstlerin aus eigenem Recht
Von Renate Wagner
Alma Deutscher ist in den letzten Jahren so oft in den Medien erschienen, dass man aufgehört hat, sich über das schier Unglaubliche zu wundern – dass ein kleines Mädchen in frühesten Lebensjahren angefangen hat zu komponieren. Und das nicht irgendwie, sondern „vollgültig“. Es gibt von ihr eine Oper, bei der sie sich nicht nur ein paar Melodien ausgedacht, sondern auch jede einzelne Orchesterstimme ausgearbeitet hat. Sie tut das sehr gern, sagt sie, denn dabei kann sie ausprobieren, was die einzelnen Instrumente können – und was man ihnen noch abverlangen kann…
Das erzählt Alma Deutscher, die im Februar 13 Jahre alt wird, bei dem Pressegespräch, das die Wiener Staatsoper einberufen hat. Denn ihre zweite Oper, an sich die erste abendfüllende, wird in der AGRANA STUDIOBÜHNE | WALFISCHGASSE gespielt. „An sich abendfüllend“ bedeutet, dass Alma ihre „Cinderella“ für die Kinderopern-Aufführung stark kürzen musste. Eine Stunde hat man ihr abverlangt, schließlich eineinviertel Stunden zugestanden.
„Man kann ja nicht nur die Highlights an einander reihen, man muss ja auch eine Storyline wahren“, erklärt Alma.
Es war eine Menge Arbeit, dramaturgisch und im Überarbeiten der musikalischen Übergänge, aber das hat sie für die Tatsache, an der Wiener Staatsoper („Im besten Opernhaus der Welt!“) aufgeführt zu werden, natürlich gerne auf sich genommen.
Die ganze „Cinderella“ haben Opernfreunde in Wien ja schon im Vorjahr, in einer Aufführung im Casino Baumgarten, sehen können. Alma war originell genug, das Geschehen in ein Opernhaus zu verlegen und aus Cinderella eine Komponistin zu machen, die von der bösen Stiefmutter dazu verdonnert wird, immer nur Noten abzuschreiben… Sie und der Prinz finden sich nicht über einen Schuh, sondern über ein Gedicht.
„Es wird schön sein, die Oper in einer moderneren Form aufgeführt zu sehen als bisher“, meint Alma. „Warum soll der Prinz nicht mit Headphones durchs Geschehen gehen? Ich hätte nichts dagegen, wenn die Menschen in der U-Bahn meine Musik im Ohr hätten…“
Was wünscht sich Alma, die ihre berühmte Springschnur mit bunten Kordeln mitgebracht hat (beim Springen kommen ihr die besten Ideen), noch? „Ich hoffe sehr, dass Kinder meine Oper mögen“, sagt sie.
Weil Journalisten ja immer nach Plänen fragen, was erzählt Alma über ihre nächsten Vorhaben? Dass sie gern ein Musical schreiben möchte. Dass der erste Satz ihrer Symphonie fertig ist, die sie fertig stellen möchte. Dass sie derzeit an einem Buch arbeitet, das auch verfilmt werden soll – und dazu schreibt sie dann natürlich die Filmmusik. Und die ferner Zukunft? Eine Musikschule eröffnen, wäre das nicht herrlich, wenn es in Wien sein könnte? Wo sie doch der österreichischen Musik so verbunden ist, Mozart und Schubert und neuerdings mit Begeisterung Bruckner und Mahler…
Ob sie eines Tages vor der Entscheidung stehen wird, Komponistin oder Pianistin oder Geigerin zu sein? So weit denkt sie glücklicherweise noch nicht. Allzu viele Pläne zu machen, bringt schließlich nur Gott zum Lachen…
Jene Künstler, die die Wiener Staatsoper aufgeboten hat, Almas Werk zu realisieren, haben nur höchstes Lob für sie. Für die Australierin Bryony Dwyer, die schon (mit Unterbrechungen) seit 2015 an der Staatsoper ist, bedeutet die Cinderella die erste große Rolle in einer Premiere. „Man sollte nicht glauben, weil das von einem kleinen Mädchen komponiert wurde, sei das eine einfache Musik. Die Cinderella ist überhaupt nicht leicht zu singen. Hübsch finde ich, dass man als Sänger – und sicher auch als Zuhörer – manchmal ein kleines Echo zu vernehmen scheint, wo Alma ihre Inspiration her nahm. Oft natürlich von Mozart… Die Cinderella ist höher und auch tiefer als die Susanna, sie verlang Koloraturen und hat wunderschöne lyrische Partien, kurz, man kann sich als Sängerin darauf freuen.“
Mit der „Cinderella“ gibt die Staatsoper der jungen Regisseurin Birgit Kajtna eine Chance, die nun schon seit elf Jahren als Assistentin am Haus arbeitet und sich unendlich freut, dieses „inspirierende“ Werk zu inszenieren. „Die Realität eines Opernhauses und die Märchenwelt der Geschichte zu verbinden“, meint sie, „aber auch so alltägliche Elemente wie Mobbing zu erzählen, das ist eine wirklich Herausforderung. Und wir werden auch das Bedürfnis nach Märchenhaftigkeit erfüllen – es gibt etwa einen opulenten Ball.“
Der Dirigent des Vormittags, Stefano Ragusini, stammt aus Pordenone, studierte in Triest und Padua und ist der Wiener Staatsoper seit 2015 verbunden – als musikalischer Assistent der Chordirektion. Eine Beschäftigung, die er liebt und schätzt („Man arbeitet mit so sympathischen und kompetenten Menschen zusammen“), was nicht heißt, dass er nicht immer gerne als Dirigent tätig ist und sich über die erste diesbezügliche Chance an der Staatsoper riesig freut.
Vor der Musik von Alma Deutscher hat er wirklich Respekt, vor dem Ideenreichtum und der Ausarbeitung, auch vor der Vielfältigkeit: „Sie kann nicht nur lyrisch sein, sondern auch musikalisch kämpferisch bei den Mobbing-Schwestern, und die böse Stiefmutter wird stark buffonesk und parodistisch charakterisiert. Und es ist auch schön, dass in mehren Aufführungen Alma selbst in der Szene, wo sie quasi Cinderellas Inspiration darstellt, auf der Bühne die Geige spielen wird.“