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6 CD-Box: Erste Gesamtausgabe der sinfonischen-Aufnahmen des Lovro von Matačić mit dem Czech Philharmonic Orchestra; Supraphon

18.03.2025 | cd

6 CD-Box: Erste Gesamtausgabe der sinfonischen-Aufnahmen des Lovro von Matačić mit dem Czech Philharmonic Orchestra; Supraphon

Umwerfende Sonderedition zum 40. Todestag (4.1.2025) des Dirigenten und Komponisten

lov

„Kroate von Geburt und Heimat, Wiener von musikalischer Bildung, Slawe im Herzen, bewusster Europäer im Denken, Weltbürger und Humanist im Geiste, – Matačić verbindet spontane Musikalität mit analytischem Intellekt, tiefe Bildung mit robuster jungenhafter Vitalität und einer unfehlbaren Kultur des Herzens.“ Oldřich František Korte

Opern- und Operettenbegeisterte kennen und schätzen ihn von der einen oder anderen legendär gewordenen Aufnahme: So beglückt der ehemalige Wiener Sängerknabe, Absolvent des Piaristen Gymnasiums und in Wien zum Dirigenten ausgebildete Matačić auf Tonträgern nach wie vor mit einem live „Andrea Chenier“ aus der Wiener Staatsoper vom 26.6.1960 (Orfeo)  mit Corelli, Tebaldi und Bastianini in den Hauptrollen, dem Bayreuther „Lohengrin“ mit Konya, Grümmer, Gorr und E. Wächter vom 4.8.1959 oder den italienisch gesungenen „Die Meistersinger von Nürnberg“ mit G. Taddei, B. Christoff und R. Capecchi (Rai Torino, 1962). Von seinen zahlreichen Studioproduktionen seien Puccinis „La fanciulla del West“ mit B. Nilsson, Gibin und Mayelli (EMI), Webers „Der Freischütz“ mit Watson, Schock und Frick (RCA) sowie Lehars „Die lustige Witwe“ mit Schwarzkopf, Wächter und Gedda  (EMI) genannt.

Der 1899 geborene Sohn einer Wiener Schauspielerin und eines kroatischen Opernsängers hatte neben zahlreichen Verpflichtungen und Engagements im ehemaligen Jugoslawien die Positionen eines Chefdirigenten der Dresdner Staatskapelle (1956 bis 1958), eines GMD der Oper Frankfurt (1961 bis 1966) und eines GMD des Orchestre Philharmonique de Monte Carlo (1972 bis 1979) inne. Von 1970 bis 1980 war Matačić tonangebender Dirigent der Zagreber Philharmonie.

Seine Beziehung zu Tschechien rührt in ihren Anfängen privat von der Herkunft seiner ersten Frau und musikalisch geht sie auf seinen Lehrer, den Komponisten und Dirigenten Oskar Nedbal, zurück. Zwischen 1958 und 1984 hat er 16 Programme mit dem Tschechischen Philharmonischen Orchester geleitet. Fünf von ihnen sind auf Schallplatten erschienen.

1958 hat Matačić Beethovens „Eroica“ und die sinfonische Dichtung „Tod und Verklärung“ von Richard Strauss geleitet.  Unmittelbar darauf ist die Studioaufnahme der „Dritten Beethovens“ entstanden, ergo die erste Aufnahme der vorliegenden Box. Die Aufnahme wurde von Zeitgenossen als streng und schroff beschrieben. Wie gerne würde ich solche Zuschreibungen über aktuelle Publikationen öfter lesen.

Das Hauptinteresse der Box liegt jedoch bei den Symphonien Nr. 5 (November 1970), 7 (Februar 1968) und 9 (live 1980) von Anton Bruckner und bei den Symphonien Nr. 5 und 6 (1968) von P.I. Tchaikovsky. Da ist einmal das technisch fantastische Czech Philharmonic Orchestra, das in der dunklen Grundierung der Streicher und mit dem keck-plaudernden Holz an den Klang der Dresdner Staatskapelle erinnert und doch mit einer ganz unverwechselbar einzigartigen Klangkultur begeistert.

Zu den formal strikten, emotional tiefschürfenden Interpretationen mit pastos körperlichem Klang und als Spezialität atemlos hastenden accelerandi (mit einem Wort: Mehr Furtwängler als Karajan) stellen sich der musikalischen Wahrhaftigkeit gnadenlos nachspürend gesamtheitlich empfundene, den Hörer beim Schopf packende Musikerlebnisse ein. Das Blech darf bei Bruckner schon mal schneidend scharf in die Mystik des Streicherklangs hineinätzen. Im Tonus flüssiger Tempi atmet jede Phrase, gelingen Matačić pulsierende Symbiosen an gottesdienstlicher Einkehr, bukolischer Farbenpracht und einer zu unerhörten Höhepunkten sich verdichtenden Klimax. Jeglicher auf Hochglanz polierte Sound ist diesem unprätentiösen Musiker fremd. Diese Bruckner-Aufnahmen gehören in ihrer Eigenart und in ihrem Anspruch in eine Reihe mit denen etwa eines Furtwängler, Klemperer oder Celibidache.

Als weitere Programmhighlights erklingen „Die Geschichte der Flöten“ von Oldřich Korte mit den Solisten Géza Novák und František Čech plus eine Orchestersuite aus Richard Wagners „Götterdämmerung“.

Die Klangqualität der analogen, in der Dvořák-Halle des Prager Rudolfinums entstandenen Aufnahmen ist sagenhaft gut. Für diejenigen, die seraphischen Klang, kontrastreich erhöht durch aufgeraute Artikulation, als auch höchste Orchesterkultur schätzen, eine unverzichtbare Edition.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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