Staatsoper Stuttgart
„DIE SCHLAUE FÜCHSIN“ von Leos Janacek 9.11.2025 (Premiere) – Emanzipation im Tierreich oder ein Lehrstück ohne Moral

Pavel Konik, Claudia Muschio, Itzeli del Rosario. Foto: Martin Sigmund
Sie haben richtig gelesen! Bei der sehr verspäteten Stuttgarter Erstaufführung von Janaceks 1924 in Brünn uraufgeführter Oper oder gemäß ihm richtiger bezeichneter Pantomime ist aus der sonst als Füchslein bekannten Titelrolle eine Füchsin geworden. Regisseur Stephan Kimmig erklärt diese Abwandlung aus der im tschechischen Original ohnehin weiblichen Form dieses Tieres und aus dessen rebellischer, Freiheit und Selbstbestimmung kämpfender Haltung. In seiner Inszenierung weist diese Füchsin denn auch sehr frauliche Züge auf wie überhaupt alle tierischen Wesen menschlichen Kreaturen ähneln und nur in ihren Körpergewandungen (Kostüme: Anja Rabes) Assoziationen zu ihren Gattungen erkennen lassen. Schließlich geht es hier nicht um eine äußerliche Betrachtung, mehr um den inneren Kosmos ihrer Annäherung und Verbindung zu den Menschen, deren Sprache sie hier sprechen, von ihnen aber nicht verstanden werden. Dabei ist es gelungen, beide Welten nicht parallel, sondern als ein untrennbar miteinander Verbundenes zu zeigen. Einen wesentlichen Beitrag dazu leistet die choreographische Arbeit von Jonathan Reimann, der einige Jahre bei Gauthier Dance getanzt hatte. Nicht als tänzerisches Schrittmaterial im eigentlichen Sinne, sondern als in kleinen Details erkennbare Bewegungsanleitung zur Verdeutlichung des Tieres im Menschen und umgekehrt. Für die Solisten bedeutet dies eine zusätzliche Herausforderung über ihren vokalen Einsatz in einer komplizierten Sprache hinaus. Zu deren Leistungen später.
Zurück zur Natur, die doch das Zentrum der Handlung des Stückes bildet, als Mahnmal des egoistisch beanspruchenden Eingreifens des Menschen in einen festen Kreislauf und in der letztendlichen Erkenntnis des Försters, Teil einer zusammenhängenden Schöpfung zu sein, und als weit über Janaceks Zeit hinausweisende Botschaft. Die Inspiration zu diesem seinem persönlichsten Bühnenwerk waren in der Brünner Tageszeitung erschienene mit episodenhaften Texten des Redakteurs Rudolf Tesnohlidek unterlegte humoristisch-satirische Comics des Landschaftsmalers Stanislav Lolek. In der Folge beschäftigte sich der Komponist intensiv mit der Natur und der Analysierung ihrer Klangwelt. Den ursprünglich mehrfachen Szenenwechsel vom Wald in die Försterei und das Wirtshaus sowie wieder zurück hat Katja Haß in einem universellen wie schwebend geneigten Bühnenraum mit seitlichen runden Öffnungen und Versenkungen für das Hochfahren von Tischen und Stühlen komprimiert. Seine Anzeichen der Verwitterung auf den braunen Seitenwänden suggerieren durch wechselnde Lichteinstellungen (Gerrit Jurda) durchaus natürliche Stimmungen, doch letztendlich bleibt die Natur hier so gut wie draußen und ist nur hinter einer durchsichtigen Wand im Hintergrund als zunehmend absterbender Wald erkennbar. Als essentielles Element der Handlung wäre schon das eine oder andere, auch beleuchtungstechnische grüne Merkmal angebracht gewesen anstatt sie ganz zu verbannen.
In diesem Punkt ging die Szene konform mit der musikalischen Wiedergabe. Ob bewusst oder vorläufig in der besonderen Anspannung der Premiere – Dirigentin Ariane Matiakh setzte mit dem aus dem Vollen schöpfenden und den vielen gegenläufigen Taktstrukturen bravourös zurecht kommenden Staatsorchester Stuttgart auf einen lautmalerisch intensiv pulsierenden, voller Leben und vibrierender Gefühle steckenden Klang, der einerseits das Instrumentale als Hauptrollenträger feiernd betonte und auch dem schillernden Reichtum der Partitur nichts schuldig blieb, aber andererseits das gegensätzlich Leise, Stille und Zarte der Natur als spannenden Kontrast zu wenig berücksichtigte. Wiewohl das Orchester unter dieser zupackenden Hand dominierte, hatten die Vokalsolisten kein Problem sich durchzusetzen, auch weil Janacek sprachliche Äußerungen so geschickt integrierte, das Stimmen nicht zugedeckt werden.

Claudia Muschio. Foto: Martin Sigmund
An der Titelrolleninterpretin Claudia Muschio war besonders deutlich zu sehen, wie genau Regisseur und Choreograph mit ihr gearbeitet haben, so durchwirkt in jedem Moment lebte sie die schlaue rebellische Füchsin, die den nur brav Eier legenden Hühnern zuerst eine Standpauke hält und ihnen dann den Garaus macht, den Dachs aus seinem Bau vertreibt, später Hochzeit mit einem Fuchs feiert (Ida Ränzlöv mit prachtvoll männlich getöntem Mezzosopran) und schließlich von dem von ihr provozierten Wilderer Haraschta erschossen wird. Gleichzeitig bewegt sie sich mit ihrem leicht dunkel schattierten Sopran genauso biegsam aufrührerisch, aber auch nachdenklich und zärtlich durch Janaceks Tonsprache.
Das zentrale Gegenstück unter den Menschen ist der Förster, der sie lange versucht gefügig zu machen, aber mehr und mehr von ihrer Selbstbewußtheit beeindruckt ist und zuletzt die schon erwähnte zwischen Traum und Realität angelegte Läuterung durchmacht. Pawel Konik gibt ihm starkes Profil in Gebärden der Auseinandersetzung mit sich selbst, enorme körperliche Agilität und ein fundiertes baritonales Gewicht mit dynamisch behandelter Expressivität. Auf tenoraler Ebene gilt dies für Moritz Kallenberg als in Haltung und charakteristisch dosierter Tongebung überzeugend verklemmter und sich nach seiner Geliebten Terynka (die schließlich der Wilderer bekommt) sehnender Lehrer. Auch Andrew Bogard steuert für den Pfarrer und Dachs das erforderliche gesamtkünstlerische Potenzial bei, Michael Nagl dem schon genannten Haraschta vokale Fülle und gestalterische Präsenz.

Claudia Muschio, Ida Ränzlöv. Foto: Martin Sigmund
Unter den kleineren Rollen läßt Olivia Johnson mit klangvollem Mezzosopran als Förstersfrau aufhorchen. In der Kürze ihrer Auftritte klar umrissene Portraits bieten Catriona Smith und Torsten Hofmann als Wirtspaar, Itzeli del Rosario als Dackel und Specht, Oscar Encinas als stolzer Hahn und Carmen Larios Caparrós als köstliche Schopfhenne (die letzteren beiden aus dem Opernstudio) sowie die aus dem Kinderchor besetzten Kleinstrollen als Grille, Heuschreck, Jungfrosch und Junge Füchsin. Auch ihnen ist anzumerken wie hier im Sinne einer Gesamtheit gearbeitet wurde. Letzteren hatte ebenso wie den aus dem Off tönenden Staatsopernchor Bernhard Moncado vorbereitet.
Der Schlussjubel galt allen, auch als Ensemble und blieb auch für das Regieteam trotz einiger Abstriche unwidersprochen. Nach intensiv durchgespielten 90 Minuten war auch der völlig überflüssige, weil Janaceks Kunst umso mehr erhöhende per Video voran gestellte Comic-Rap von Shaban & Käptn Peng über zwei in Füchse verwandelte Menschen längst vergessen.
Udo Klebes

