Musikverein Wien, „Liebe & Meer“ Tonkünstler Orchester Niederösterreich – Marco Armiliato – Aigul Akhmethsina 1.11.2025
Die junge Frau und das Meer
Einen besonderen Allerheiligenabend boten das Tonkünstlerorchester Niederösterreich mit dem arrivierten Star-Operndirigenten Marco Armiliato und der Shootingstar-Mezzosopranistin Aigul Akhmetshina: Ein klug ausgewähltes Programm dem Meer und der Liebe gewidmet.
Für Armiliato, einen der großen Könner im italienischen und französischen Opern-Repertoire, stellte dieser Abend einen viel zu seltenen Ausflug ins Konzert-Œuvre dar: Schon der schwungvolle Beginn mit Richard Wagners Ouvertüre zum Fliegenden Holländer ließ die Zuschauer gleichsam in ein wildes Wellenbad werfen.
1899 wurden Edward Elgars „Sea Pictures“ uraufgeführt, und das im Übrigen ausgezeichnete und fundierte Programmhaft lässt den Zuhörer wissen, dass die damalige Sängerin im Kostüm einer Meerjungfrau aufgetreten ist. Aigul Akhmetshina ließ sich wohl davon inspirieren und erschien in diesem Teil nixengleich in elegantem Türkis. Mit Elgars abwechselnd elegischen (anhebend mit dem Sea-Slumber Song; verspielt und leicht In Haven [Capri]) und dramatischen (das zuletzt drängende, in einem Gebet mündende Sabbath Morning at Sea) Kompositionen, die auch exotisch klingende Töne beinhalten (Where Corals lie), und die mit The Swimmer einen jubelnden Abschluss finden, legt sich Akhmetshinas volltönender Mezzo gleichsam in die Wogen.
Der zweite Teil des Programms hob mit Ernest Chaussons „Poème de l’amour et de la mer“ für Gesang und Orchester op. 19 an. Die beiden Lieder basierend auf Texten von Maurice Bouchor „La fleur des eaux“ und „La mort de l’amour“ werden durch ein Orchesterzwischenspiel verbunden. Der erste Teil ist von Klangwogen und -weben durchdrungen, im zweiten Lied, das einen melancholischen Grundcharakter aufweist, hat das Solocello einen bedeutenden Part, in dem es große Traurigkeit verströmt. Auch hier ein kongeniales Zusammenspiel zwischen Armiliato, der dem blendend disponierten Orchester mannigfaltige Klangfarben entlockt, und Akhmetshina, deren flexible ausdrucksstarke Stimme durch alle Facetten dieser poetisch-traurigen Gemütsschilderungen führt. Sicherlich der Höhepunkt des Abends.
Das Pendant zur einleitenden Ouvertüre des Fliegenden Holländers bildete Mendelssohn-Bartholdys 1828 uraufgeführte Ouvertüre „Meeresstille und glückliche Fahrt“, die zuerst friedlich anhebend, Töne eines am Meer fahrenden Schiffes malend, das sodann unter Fanfaren am Hafen anlegt und zuletzt in sanften Tönen verklingt.
Akhmetshina, Armiliato und die Musik der Romantik: Eine feurig-elegische Kombination, die hoffentlich noch öfter zu hören sein wird.
Sabine Längle

