Baden-Baden / Festspielhaus: „LEIF OVE ANDSNES – BERLINER PHILHARMONIKER-KLAUS MÄKELÄ“
Osterfestspiele 2025 – 13.04.2025
Mit einer Träne im Knopfloch wurde man gewahr, dass die langjährige und erfolgreiche Liasion und Verpflichtung der Berliner Philharmoniker unter der Leitung von Kirill Petrenko sowie weiterer prominenten Gastdirigenten sich nun zu den „Osterfestspielen 2025“ im Festspielhaus zu Ende ging. Wiederum standen eine Opernproduktion sowie zahlreiche Symphonie- und Kammerkonzerte auf dem vielfältigen Spielplan. Jedoch die Hoffnung stirbt zuletzt und man dürfte diesem Weltklasse-Orchester in Zukunft während seiner künftigen Gastspiele erneut im Festspielhaus an der Oos wiederbegegnen.
Nach der erfolgreichen Premiere von „Madama Butterfly“ gestern Abend brachten die Berliner Gäste beim ersten Konzertabend zwei konträre Giganten der Musikliteratur zur Aufführung, zunächst das „Dritte Klavierkonzert“ von Sergej Rachmaninow, das grandiose Werk wurde dereinst von Horowitz als „Konzert für Elefanten“ bezeichnet.
Als Solist gastierte Leif Ove Andsnes, welch großartiger Pianist! Es war die Wonne pur diesem ungewöhnlichen Künstler zu lauschen und sein vortreffliches Spiel optisch zu erleben, ein Tastenakrobat ohne Allüren und jeglichem überflüssigem Klavier-Zirkus. Unbekümmert wie selbstverständlich nahm der norwegische Ausnahme-Künstler am Flügel Platz und pflügte in natürlichem fabelhaftem Spiel regelrecht die pianistischen Sterne vom Himmel. Eine weitgespannte schlichte Melodie des Klaviers eröffnete den Kopfsatz des Allegro ma non tanto, Bratschen und Horn übernahmen das Thema, Holzbläser steigerten sich rhythmisch in die prägnanten Seitengedanken, bildeten den Keim des zweiten Themas. Transparent in warmen Farben erhob Andsnes den solistischen Part schier emotional und steigerte sich sodann in atemberaubender Präzision in die virtuosen Kadenzen geprägt von enormer suggestiver Aussage.
Der orchestralen Einleitung des Intermezzo, Adagio schenkte Klaus Mäkelä mit den herrlich musizierenden Berliner Philharmonikern den betörenden Sound, die große Linie für Rachmaninows Noblesse. Weich flossen die Instrumentalgruppen ineinander, klar lokalisierbar ertönten Violinen und Celli selbst im Getümmel der leicht dominanten Vorherrschaft der Holz- und Blechbläser. Frisch in genialer Virtuosität und spielerischer Brillanz entwickelte Andsnes sein Musizieren in die rasante Ekstase gleich einem spannenden Klavier-Thriller.
Unglaublich mit welchen Emotionen, klangvoller Energie und rhythmischem Biss sich der erfahrene Pianist mit dem phänomenalen Orchesterapparat in die finalen Fluten des Alla breve auf höchst kultiviertem Niveau stürzte. Gleich einem Kaskadeur zündete Andsnes nochmals ein brillantes Instrumental-Feuerwerk in Verbindung mit dem hinreißend aufspielenden Orchester, dass es einem den Atem verschlug. Ein Aufschrei der Begeisterung belohnte die unvergleichliche Interpretation, Solist, Dirigent, Orchester wurden gleichwohl vehement gefeiert und Leif Ove Andsnes bedankte sich mit einer traumhaft schön gespielten Zugabe (sorry – auch ein Rezensent ist nicht allwissend).
Ganz andere klangliche Dimensionen rissen das Auditorium nach der Pause aus den voran gehörten musikalischen Empfindungen zum zweiten Giganten des grandiosen Konzertabends. Richard Strauss erschuf seine formal, instrumental aufwendigste Tondichtung „Eine Alpensymphonie“ in nur 100 Tagen, wenngleich die ersten Skizzen in das Jahr 1911 zurückgingen. Es hatte den Anschein, dass der Komponist, ein leidenschaftlicher Bergfreund, der vom Fenster seines Arbeitszimmers in Garmisch auf das Panorama von Zugspitze und Wetterstein schaute, diese rein realistisch-illustrative musikalische Bergtour als Korrektion zur symbolischen Romantik zur Oper „Die Frau ohne Schatten“, an der er zur gleichen Zeit arbeitete, angesehen hatte. Sein Ausspruch: Ich hab´mal komponieren wollen, wie die Kuh die Milch gibt, deutet auf das naturrealistische Werk hin welches nun mit dem renommierten Berliner Elite-Orchester seine akustisch intensive Illustration erlebte. Zum formellen dynamischen, weit gefächerten Klangbild verlieh Klaus Mäkelä seiner Interpretation klare Schärfenkontraste, eine regelrecht greifbare Wahrhaftigkeit des tonalen Kosmos. In atemberaubender Präzision formierten sich die Instrumentalgruppen zum orchestralen transparenten Sonnenaufgang, ließen akustisch jene Eindrücke visuell im inneren Auge der Zuhörerinnen und Zuhörer optisch erstehen, regelrecht nachvollziehen. Energisch, lebhaft gestaltet erklangen die Episoden Der Anstieg und rauschend ergoss sich der Wasserfall. Lebendig herrlich instrumentiert erblühte die Farbenpracht Auf blumigen Wiesen.
Erhaben leuchtend in mäßigen Tempi erklommen die Orchesterfluten das Gestrüpp und Dickicht Auf der Alm, brachten Auf dem Gletscher zu kristallklaren Tongebilden das ewige (?) Eis zum Glühen. Wieselflinke Streicher, grelle Flöten, satt dunkelgebeiztes Eichenholz der Bläser sowie dominierende Blechbläser entluden sich zum allmählichen Verdüstern der Sonne, zu Gewitter und Sturm schien die orchestralen Elemente schier zu bersten und entluden ihre voluminösen Eruptionen. Traumhaft elegische Differenzierungen vernahm man zu romantischen Ausklängen des Sonnuntergangs sowie der finalen Vision zeichnete der sensible Dirigent mit dem elitären Klangkörper in feinen transparenten Klangfarben nach und ließ das wunderbare Werk in vortrefflicher Dichte und Flexibilität, in überbordender orchestraler Schönheit ausklingen.
Mit lautstarker Begeisterung wurden Mäkelä und die Berliner kurz und heftig gefeiert.
Gerhard Hoffmann