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WIEN / Staatsoper: TRISTAN UND ISOLDE. 6. Aufführung in dieser inszenierung

Dunkles Nachtstück mit hellen, klaren Stimmen

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Andreas Schager (Tristan) und Nina Stemme (Isolde). Alle Fotos: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

WIEN / Staatsoper: TRISTAN UND ISOLDE

6. Aufführung in dieser Inszenierung

20. Feber 2023

Von Manfred Schmid

Musikalisch war die Premiere vor rund einem Jahr ein Ereignis. Andreas Schager präsentierte sich sängerisch in Hochform, Martina Serafin überzeugte darstellerisch, hielt mit ihrem schon etwas strapazierten Sopran lange Zeit überraschend gut mit und zeigte erst am Schluss stimmliche Ermüdungserscheinungen, die in schrille Töne mündeten. Philippe Jordan war ein tadelloser, gefeierter musikalischer Leiter mit – bis auf die zu schleppende Einleitung – exzellentem Timing und stimmiger Dynamik, nur selten etwas zu laut Auf weniger Zustimmung stieß erwartungsgemäß die Inszenierung von Calixto Bieito in der Bühne von Rebecca Ringst. Sie erwie sich aber konzeptionell als zu beliebig und zu wenig ausgeprägt, so dass es für einen Skandal nie gereicht hätte. Die aufdringliche Verschaukelung im ersten Aufzug ist und bleibt ein Ärgernis. Der zweite Akt mit den beiden Containern, in denen das Liebespaar, getrennt und unvereint, hausen muss, ist eine Übernahme aus Herbert Wernickes Inszenierung aus dem Jahr 2000 an der Royal Opera Covent Garden, der die Liebenden in separaten Boxen steckte, im Unterschied zu Bieito aber konsequent bleibt und sie bis zum Ende, durch Wände getrennt, nicht aufeinander treffen lässt, so dass ihre Begegnungen nur in ihrer Vorstellung stattfinden. Im dritten Aufzug, der in einem (N)irgendwo mit umgeworfenen Möbeln stattfindet, lässt Bieito, offenbar verzweifelt mangels genialer Einfälle, eine Horde nackter Männlein und Weiblein aufmarschieren, die man ungerührt zur Kenntnis nimmt. 

Gute Voraussetzungen, um sich diesmal vor allem auf das Musikalische zu konzentrieren und sich nicht von merkwürdigen Regieeinfällen, wie etwa eine Fische aufschlitzende Brangäne, irritieren zu lassen. Philippe Jordan bringt die fast durchgehend todesschwangere Musik zu schwirrendem, gleißendem Klingen, voll von leidenschaftlicher Sinnlichkeit. Die Bläser- und Streichersoli gelingen makellos, besonderes Lob gebührt dem Solisten am Englischhorn, das im dritten Aufzug Einsamkeit, Verlorenheit und Sehnsucht berührend heraufbeschwört. Die Tempi sind stimmig, kühn die aufgeregt und dynamisch angekündigte Ankunft der Schiffe König Markes knapp vor dem Ende. Das, was in BIeitos Inszenierung fehlt, die romantische Grundstimmung in Richard Wagners Partitur, in der Musik ist sie vorhanden und wird nicht unterdrückt, sondern kommentiert und korrigiert Bieitos einseitige Sicht auf durchwegs kaputte Typen.

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Christa Mayer (Brangäne) und Iain Paterson (Kurwenal).

Ideal ist diesmal die Besetzung der Isolde. Nina Stemme bleibt dieser fordernden Rolle nichts schuldig, weder stimmlich noch darstellerisch. Imponierend ihre stimmliche Farbigkeit und ihre souveräne Bewältigung der Herausforderungen der Partie. Bis zum Schluss stets präsent und überzeugend in ihrer Verkörperung einer zwischen Liebeswahn und Liebeszwang hin und hergerissenen Frau.

Andreas Schager, derzeit der wohl beste Wagner-Tenor weit und breit, zeigt als Tristan die enorme Palette seiner Ausdrucksfähigkeit. Bewundernswert seine Ausdauer und Durchschlagskraft. Noch im Dritte Aufzug zeigte er keinerlei Abnützungserscheinungen, so dass man ihm auch einen vierten durchaus zumuten würde. Nie zum Forcieren gezwungen, sondern stets Herr über seine prächtige Stimme, die nicht nur mächtig sein kann, wie in der Höhenlage des voll entschlossenen Ausrufs „Verloren!“, sondern auch sanft, wie im innigen „Isolde!“. Nur im ersten Drittel des zweiten Aufzugs hatte Schager einen leichten Durchhänger, ließ es im Duett mit Isolde an Lautstärke fehlen und war in der Intonation nicht ganz rein, sondern streckenweise etwas zu tief. Erholte sich aber schnell und war dann wieder voll da.

Die deutsche Sängerin Christa Mayer hat die Brangäne schon in Bayreuth erfolgreich gesungen. Bei ihrem Wiener Rollendebüt reüssiert sie mit ihrem warmen, fein facettierten Mezzosopran. Ihr Warnruf an die Liebenden vor dem heranbrechenden Tag ist voll Mitgefühl und Verantwortungsbewusstsein.

Iain Paterson war schon in der Premiere als Kurwenal dabei und ist auch diesmal ein umsichtiger, treuer Kurwenal, auch wenn dieser in Bieitos Inszenierung mit merkwürdigen Eigenheiten zu kämpfen hat.

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Christof Fischesser (König Marke) mit Aresu Eskandari und Katarina Klimaschka (Kinder).

Ein wunderbarer Neuzugang – nach dem fragwürdigen Auftritt von René Pape im Vorjahr – ist Christof Fischesser als König Marke, der, obwohl als Witwer kinderlos, mit zwei Mädchen an seiner Seite auftritt. Vermutlich die beiden Töchter, die er mit Isolde nie haben wird. Ein profunder Bass, der Ruhe und Autorität ausstrahlt und dennoch seinem treuesten Freund die tiefe Beleidung und Kränkung verzeiht und seinen Segen gibt.

Attila Mokus ist, wie schon bei der Premiere, ein tadelloser Melot. Die beiden Nebenrollen Hirte und Steuermann sind mit dem Ensemblemitglied Daniel Jentz und Jusung Gabriel Park aus dem Opernstudio bestens besetzt, was auch für das Rollendebüt von Hiroshi Amako als Stimme eines jungen Seemannes gilt.

Für einen musikalisch insgesamt außerordentlich erfreulichen Opernabend gibt es begeisterten, langanhaltenden Applaus mit vielen Bravorufen.

 

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