- Geburtstag Willibald Gluck
(*2. Juli 1714 in Erasbach, + 15. November 1787 in Wien)
J.-S. Duplessis: Christoph Willibald Ritter von Gluck
Der Bedeutung Willibald Glucks sich zuwidmen geben Anlass genug sich mit Leben, Werk und Wirken dieses barocken Meisters auseinanderzusetzen. Im Rahmen des 310. Geburtstag steht Gluck als „Verkünder der ewigen Wahrheit und Schönheit“ neben Bach, Beethoven, Mozart und Wagner an erster Stelle. Erst durch ihn ward die Opernbühne, die sich zufolge der Herrschaft der Gesangsvirtuosen in einen Konzertsaal verwandelt hatte, ihrer eigentlichen Bestimmung wieder gegeben und die Aufgabe ins Auge gefasst, auf derselben neben der Ton – und Dichtkunst zu ihrem Rechte zu verhelfen.
Es steht außer Frage und vom rein musikalischen Standpunkt aus betrachtet, dass es größere Musiker gegeben hat als ihn, jedoch der Poet, der Dramatiker in ihm hielten dem Tonkünstler die Waagschale. Dank Glucks produktiver Kraft, und wo erst durch ihn die dramatische Tonkunst zur Einfachheit und Natur zurückgekehrt ward, hat sich in seinen Opernwerken ein Ausdruck erhabener Größe in Schmerz und Leidenschaft entwickelt. Im verstärkten Maß war es immer die Oper, beeinflusst durch Frankreich und Italien, die ihn von Anfang an begeisterte, wo er selbst als Begründer einer wirklich dramatischen Kunst, als unsterbliche Größe auch in der heutigen Musikwelt nicht mehr Wegzudenken ist. Nicht nur heuer 2024 finden Gluck – Festspiele in Nürnberg, Fürth und Bayreuth statt, sondern auch in etlichen andere Theater und Festivals werden Glucks Werke aufgeführt, und nicht nur die großen „Reformopern“, sondern auch weniger bekannte Werke anderer Gattungen wie zum Beispiel des Balletts und der Opéra- comique.
Christoph Willibald Gluck wird am 2.Juli 1714 in Erasbach (heute Berching/Oberpfalz) als erstes von neun überlebenden Kindern des Försters Alexander Gluck (1683-1743) und seiner Frau Maria Walburga (ca. 1682-1740) geboren und am 4.Juli in der Pfarrkirche in Weidenwang von Simon Pabst auf den Namen Christoph Willibald („Christophorus Willibaldus“) getauft; sein Taufpate ist der Gastwirt Christoph Fleischmann. Christoph Willibalds Vater, der in früheren Jahren Leibjäger des berühmten Prinzen Eugen von Savoyen war, ebenso als Förster angestellt, übersiedelte danach bereits 1717 nach Neuschloss bei Böhmisch-Leipa, wo er in die Dienste als Waldbereiter des Grafen Kaunitz trat. Wiederholt wechselte er seine Stellung, zunächst zum Forstmeister des Grafen Kinsky in Kamnitz avanciert (1722), weiter in gleicher Eigenschaft beim Fürsten Lobkowitz in Eisenberg (1924) und schließlich bei der Großherzogin von Toskana in Reichsstadt wo er in deren Dienste trat.
Der Knabe Christoph bald da bald dort, ohne einen dauerhaften Wohnsitz, wuchs also sozusagen im Wald auf, unter der Obhut eines strengen und tyrannischen Vaters. Um das Kind zu ertüchtigen und abzuhärten musste Willibald mit seinem Bruder Anton, selbst im strengsten Winter, dem Vater, und das oft barfuss die Jagd – und Messgeräte nachtragen. Und obwohl der Vater und seine Vorfahren als über hundert Jahren im erblichen Wald – und Waidmannsgewerbe tätig waren, und sowohl auch seinen Sohn zu erziehen gedachte, das dieser eines Tages in die Fußstapfen des Vaters treten werde, dieser doch eher sich von Anfang an für die Musik interessierte.
Dieses Interesse des Sohnes schien aber nicht außergewöhnlich, da insbesondere von Alters her in Böhmen die Musik förmlich in der Luft lag. Zugleich mit der in Kamnitz und Eisenberg ersten Schulausbildung schien in ihm das Interesse für Musik geweckt zuhaben. Überlieferungen wissen zu berichten das Willibald Gluck bei Besuch der Schule in Reichsstadt wahrscheinlich seinen ersten Musikunterricht erhielt. In dem Jahr wo sein Bruder Franz Karl und der später bedeutende Musiker und Komponist Georg Anton Bender (1722) geboren wurde. Der gerade einmal Achtjährige erweist sich als außerordentliches Talent wo er bereits mit einer Fertigkeit ziemlich gut vom Blatt Violine und Violoncello spielte. Als er 1726 das Jesuitengymnasium in Komotau besuchte, erhält Gluck neben allgemeiner schulischer Ausbildung weiterhin Unterricht in Cembalo – und Orgelspiel. Zur weiteren Ausübung seiner Künste bot der Musikchor der Ignatiuskirche eine willkommene Gelegenheit.
Als der inzwischen Achtzehnjährige in Bezug einer weiteren Ausbildung nach Prag übersiedelt, steht er nun auch vor dem Problem mit der Kunst den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten, da er vom Elternhaus nur spärliche Beiträge erhält, sogleich der väterliche Haushalt selbst eine Familie mit sechs Kindern zu versorgen hatte. Der junge Gluck erteilte also Unterricht im Gesang und Violoncellospiel und er sang und erspielte sich in verschiedenen Kirchen, und zog an den freien Tagen als fahrender Musikant über die Dörfer, wo er für seine Leistungen zwar statt klingender Münze, entweder Eier, oder als Tauschobjekt sich ein Laib Brot davon leisten konnte.
Vermutlich 1734 verlässt Gluck Prag und wendet sich nach Wien, wo er wahrscheinlich bei den Dienstherren seines Vaters, Fürst Philipp Hyazinth von Lobkowitz, im Wiener Stadtpalais der Familie Aufnahme findet und bei privaten musikalischen Veranstaltungen mitwirkt. In diesem Jahr wird auch sein Bruder Franziskus Johann Alexander in Eisenberg geboren. Als auch Bachs Weihnachtsoratorium (BWV 248) 1734/35 in Weihnachtsgottesdienste in Leipzig uraufgeführt. Außerdem ist es auch politisch ein sehr beunruhigendes Jahr, da Großbritannien Frankreich den Krieg erklärt, und wo Österreich von einem Bündnis aus französischen, sardinischen und spanischen Truppen angegriffen wird.
Für Gluck selbst tat sich in Wien eine neue Welt auf. Hier kam er auch mit den musikalischen Schöpfungen von Fux, Caldara’s, der Gebrüder Conti, Giuseppe Porsile’s und anderen Berühmtheiten in Berührung, wo durch deren musikalischen Einfluss er sich entschied, sich als Meister weiterhin in Italien ausbilden zulassen. Er geht zunächst nach Mailand, wird Mitglied der Hauptkapelle von dem Fürsten Antonio Maria Melzi (1672-1748) der ihm zu seinem Kammermusikus ernennt, und wo auf dessen Empfehlung bei dem Tonsetzer und Lehrer Giovanni Sammartini (1700 oder 1701-1775) Gluck nun seine weitere künstlerische Ausbildung fortsetzt. Um sein inzwischen musikalisches Erlerntes nun zu vervollkommnen, betreibt er vier Jahre lang mit allem Eifer kompositorische Studien, bis er sich dazu berufen fühlt nun auch als Opernkomponist die öffentliche Bühne zu betreten, wo er von nun an es wagt mit den berühmtesten Maestri Italiens zu wetteifern um die Palme zu erwerben. In Auftrag für das Hoftheater in Mailand ein großes Opernwerk zu schreiben, trat der 28jährige mit seinem Erstlingswerk zum ersten Mal in der Öffentlichkeit auf. Der allgemeine Beifall bestärkte Gluck in seiner weiteren Arbeit und schon bald eilte er seinem Ruhm voraus, indem sich auch andere Bühnen um seine Werke bewarben. In den nächst darauffolgenden Jahren wurden die Opern: „Demofoote“ (1742), „Siface“ (1743) und „Fedra“ in Mailand aufgeführt. Daneben komponiert er Opernwerke wie „Demetrio“ unter dem Titel „Cleonice“ und „Ipermenestra“ die in Venedig zur Aufführung gelangen.
Weitere Aufführungen folgten 1743 in Cremona mit „Artamene“ und „Poro“ (1745) in Turin. Willibald Gluck als ehrgeiziger und fleißiger, ein nicht Ruhender, komponiert wie am Fließband und erlangt Ruhm und Ehre.
Am 26.Juli 1773 stirbt Glucks Vater Alexander in Hammer (Hamr) bei Brüx (Most). In dem Jahr wo auch der Großvater Beethovens, Louis van Beethoven (Kapellmeister) am 27. Dezember stirbt. So auch Maria Theresia zur Königin gekrönt wird. Sie wird Glucks Gönnerin in späteren Jahren. Doch noch steht ihm Fürst Lobkowitz mit Rat und Tat zur Seite. Gemeinsam begeben sie sich im Jahre 1745 von Turin aus über Paris nach London. Doch Glucks neuestes Opernwerk „der Sturz der Giganten“ (La caduta de‘ Giganti) das zu Ehren des Herzogs von Cumberland und seines Sieges über die Aufständischen, aufgeführt wird, hat nur einen geringen Erfolg. Selbst Händel (1685-1759) soll sich zunächst geringschätzig geäußert haben: „Mein Koch Waltz versteht ebensoviel vom Contrapunkt als er„. Als dann jedoch Gluck, verstimmt über den Misserfolg, zu ihm kam und ihm seine Partitur vorlegte, sagte Händel begütigend: „Ihr habt Euch mit der Oper zu viel Mühe gegeben; das ist aber hier nicht wohl angebracht. Für die Engländer müsst ihr auf irgendetwas Schlagendes und so recht auf das Trommelfell Wirkendes sinnen„. Dem Rat Händels folgend, setzte Gluck dann den Chören seiner Oper Posauen zu und erzielte damit begeisterten Applaus.
Dessen ungeachtet verstummte das Werk nach fünf äußerst mangelhaften Vorstellungen. Immerhin Glucks Opernwerk „Artamene“ brachte es zumindest zu zehn Wiederholungen, aber wirkliche Begeisterung Glucks Musik gegenüber so wie in Italien blieben eher aus. Jedoch nicht minder erwuchs ihm in England durch Händel und seine Oratorien hohe und nachhaltige Anregung, ja, die persönliche Begegnung mit dem großen Meister war für Gluck der beste Gewinn, den er von der englischen Reise davontrug. Die Wahrheit und Gewalt seines musikalischen Ausdrucks, die unvergleichliche Kunst seiner Chor – und Massenbehandlung boten ihm zum Studium reichen Stoff, und er selbst sprach es noch in späteren Tagen aus, wie viel er Händels Vorbild verdanke. Hatte er doch das Bild des mächtigen Tonheros neben seinem Bette hängen, um, wie er sagte, gleich beim Erwachen den Genius zu begrüßen, nach deren Muster er sich immer wieder ein Beispiel nahm.
So waren doch durch Paris und London die empfangenen Eindrücke der erste Keim zu Glucks reformatorischen Werk gelegt, der, wenn auch zunächst langsam und verborgen, teils noch etwas zögernd in seiner weiteren Schaffensperiode, doch letztendlich in Größe und Herrlichkeit aufgehen sollte. Nach Italien kehrte Gluck nicht mehr zurück. Ende 1746 geht er nach Deutschland. In Hamburg, wo Händel seine Laufbahn als Opernkomponist begonnen hatte, schließt er sich nun der Operntruppe Pietro Mingotti an und übernimmt die Stelle als Kapellmeister. Doch wirklich scheint ihn diese Position nicht zu begeistern, sodass er Mingotti versucht davon zu überzeugen, dass er als Opernkomponist ihm viel nützlicher sei. Zur bayerisch-sächsischen Doppelhochzeit des Kronprinzen Friedrich Christian von Sachsen mit der Prinzessin Maria Anna von Sachsen komponiert Gluck die zweiaktige Serenata teatrale le nozze d’Ercole e d’Ebe, die am 29.Juli 1747 in Pillnitz bei Dresden uraufgeführt wird. Er begegnet Hasse. Im Anschluss an den Aufenthalt in Dresden reist er nach Böhmen um das Grab seines Vaters zu besuchen. Er hält sich vermutlich, eine Zeitlang auf dem elterlichen Gut Neuschänke in Hamr auf, wo er einige Wochen später das Gut verkauft.
1748 nimmt Gluck nun seinen festen Wohnsitz in Wien auf, wo er zwar zeitweilig immer noch für Gastspiele durch Europa tourt, doch immer wieder in seine neue Heimat zurückkehrt. Zur Wiedereröffnung des renovierten Burgtheaters vertont Gluck Metastasios Semiramide riconosciuta, die am 14.Mai 1748 mit großem Erfolg uraufgeführt wird. Mitwirkende unter anderem sind Angelo Maria Monticelli, Victoria Tesitramontini, Angelo Amorevoli und Ventura Roccchetti. Im Sommer 1748 gastiert er noch einmal mit der mingottischen Operntruppe in Hamburg und Ende November in Kopenhagen. Nach Beendigung der Gastspiele, als auch in Berlin wo Gluck noch ein Konzert im Schloss Charlottenburg gibt, verlässt er April 1749 die Truppe und schließt sich in Prag der Wandertruppe Pietro Locatellis an. Am 5. Februar 1748 wird ebenso Christian Gottlob Neefe in Chemnitz geboren. Der Sohn eines armen Schneiders, später selbst ein bekannter sächsischer Komponist und allgemein bekannt als Lehrer Beethovens, kam, außer mit der Musik Glucks, aber mit ihm persönlich nie in Kontakt.
Anfang Januar 1750 wird in Prag am Kotzen – Theater Glucks Ezio (Text: Metastasio) uraufgeführt. Am 15. September wieder zurückgekehrt nach Wien heiratet Gluck die aus einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie stammende Maria Anna Bergin ((1732-1800) mit der er zeitlebens eine glückliche Ehe führt. Nur bleibt die Ehe selbst kinderlos, wo das Paar jedoch 1768 ein Mädchen mit den Namen Nanette (Marianna Hedler) adoptieren, wo sich Nanette (die Tochter einer Schwester Glucks) später als begabte Sängerin, zunächst selbst von Gluck unterrichtet, erweist. Wien erwies sich als ausgesprochener Glücksfall für Gluck. Hier fand er nicht nur berufliche Anerkennung, auch seine Stellung war bereits gesichert, und egal wo er hinkam, öffneten sich die Türen, da er als Gast und Freund überall willkommen war. Neben seiner großen Liebe, so waren es auch die Kunstsinnigen der Aristokratie und die Verehrung seitens des Hofes die Glucks Musik zu schätzen wussten und ihn für immer an diese Stadt fesselten. In seinem Haus, in dessen friedlicher Atmosphäre Gluck sich aus dem lauten Bühnenberuf oft zurückzog, besuchten ihn bedeutende Persönlichkeiten. Zu dieser Zeit besuchte ihn auch Burney, der englische Musikhistoriker und Biograph Händels, der Gluck als einen „Dichter, Maler und Musiker zugleich“ einen „Michel Angelo in der Musik“ bezeichnete.
1751 erhält Neapel eine neue Oper von ihm: „La clemenza di Tito„. Die Aufführung erfolgt am 4.November 1752 am Theatro San Carlo und wird zu einem triumphalen Erfolg. In Wien wird Giuseppe Bonnos Il re Pastore nach einem Text Metastasios uraufgeführt, der später auch von Gluck und Mozart vertont wird. In Prag wird Anfang Januar 1752 Glucks Dramma per musica Issipile (Text von Metastasio) uraufgeführt.
Nach der Rückkehr von Neapel wohnt Gluck mit seiner Frau zunächst in deren Elternhaus im siebten Wiener Gemeindebezirk, Mariahilfer Straße 82, und wird Anfang 1753 zum Mitglied der Hauskapelle des Prinzen Joseph Friedrich von Sachsen-Hildburghausen (1702-1787), ein Liebling Maria Theresias und leidenschaftlicher Musikfreund, ernannt. Joseph Friedrich wurde nicht nur Glucks Mäzen, sondern zwischen beiden entstand auch eine wunderbare Freundschaft. Für ein glänzendes Fest, das der Prinz im September 1754 für die kaiserliche Familie in seinem Lustschloss veranstaltete, komponierte der ihm befreundete Meister auch Metastasios Festspiel „Le Chinesi“ und ein Ballett „L’orfano della China„. Glucks „göttliche Musik“ so nennt sie Dittersdorf, der bekannte Autor von „Doctor und Apotheker“ gewann das Wohlgefallen der kaiserlichen Gäste in so hohem Grad, dass sie im Laufe des Winters auf dem Hoftheater mehrmals wiederholt werden musste. Seit Kurzem war der weit berühmte Tonmeister ja auch als Kapellmeister an der Hofoper mit einem Gehalt von jährlich 2000 Gulden angestellt. Ein weiterer Gönner, Graf Durazzo, der als Leiter für das Hoftheater verantwortlich war, anvertraute Gluck die gesamten künstlerischen Aufgaben, wo er von nun an neben seinen dramatischen Arbeiten, auch noch Kammerkompositionen, Melodramen und Symphonien, in bedeutender Anzahl für die häuslichen Feste der Kaiserfamilie schrieb, obwohl er, wie sein Biograph Schmid sagt: „zu letzterer Tongattung keine sonderliche Neigung fühlte; denn die Musik übte nur dann die entschiedenste Wirkung auf sein Gemüth aus, wenn sie einer Wortdichtung und einer dramatischen Handlung angepasst war„.
Glucks Bestimmung wies ihn nicht nur zur reinen instrumentalen Kunst. Er war seinem ganzen Naturell nach ein Dramatiker, kein absoluter Musiker, was freilich nicht ausschließt, dass als sich seinen Tönen später große tragische Stoffe verbanden, sich auch sein Instrumentalsatz in neuer Weise belebte und sein Orchester eine eindringliche charaktervolle Sprache redete.
Zur Abwechslung machte Ende des Jahres 1754 wieder einmal Rom seine Forderungen an den Tondichter geltend. Wie immer fand sich Gluck persönlich zur Aufführung seiner Opern „Il trionfo di Camillo“ und „Antigono“ ein. Aber auch waren ihm, wie früher in Neapel, Neider und Feinde entstanden, denn sie warteten nur darauf, seinen wohl begründeten Ruhm zu untergraben. Gleichwohl bot ihm Kardinal Albani, der kaiserliche Gesandte am päpstlichen Hofe, vergebens seine Hilfe an um die Kabale unschädlich zumachen. Voll des ihm eigenen Selbstgefühls lehnte Gluck sie jedoch ab. Die weiteren Arbeiten der nächsten Jahre waren aber ausschließlich Wien und dem kaiserlichen Hof gewidmet. Hier folgten in bunter Reihenfolge zunächst Glucks „Le Chinesi“ das am 17.April 1755 am Burgtheater wiederholt wurde. Außerdem erhält er den Auftrag zum Geburtstag von Erzherzog Leopold Metastasios „La danza“ zu vertonen, wo das Werk bereits am 5.Mai in Laxenburg bei Wien mit Caterina Gabrieli und Joseph Friebert aufgeführt wird. Im selbigen Jahr entstand sein Werk „L‘ innocenza giustificata„. 1756 „Il re Pastore“ und die „Serenade „Tetide“ (1760), die zur Vermählung des Erzherzogs Joseph mit Isabella von Bourbone, prachtvoll ausgestattet, in Wiens großem Redoutensaale dargestellt wurde. Danach das Ballett „Don Juan, oder das steinerne Gastmahl“ (1761) Welch letzterem die gleiche Fabel wie Mozarts Oper zu Grunde liegt. Das alles waren Werke im gewohnten italienischen Stil. Dazwischen aber fielen auch Arbeiten im französischen Genre, welcher neuerlich auf Wunsch des nach Abwechslung verlangenden Hofes in Wien gepflegt ward. Jedoch die großen französischen Opern ließ man eher beiseite da zu leichter Unterhaltung mehr die kleinen Operetten gefragt waren.
1761 bei Eintreffen des bekannten Librettisten Raniero de‘ Calzabigi in Wien ergibt sich zwischen ihm und Willibald Gluck eine fruchtbare Zusammenarbeit. Es geht um eine grundlegende Erneuerung des musikalischen Dramas. Calzabigi hatte die Vision von einer neuen Einfachheit,
Natürlichkeit und Wahrhaftigkeit in der neuen Oper, Ideen, die im Zeitalter Rousseaus quasi in der Luft lagen. Als erstes künstlerisches Ergebnis des Wirkens des reformorientierten Zirkels um Gluck, Calzabigi und Angiolini (Choreograph) geht am 17.Oktober die Ballett-Pantomime „Don Juan ou Le Festin de Pierre“ über die Bühne des Burgtheaters. Zehn weitere Aufführungen folgen bis Ende des Jahres.
Jedoch der wohl größte Erfolg erlangt das Team mit ihrer ersten gemeinsamen Oper „Orfeo ed Euridice“ (Text: Calzabigi) wo das Werk am 5.Oktober 1762 als erste Reformoper in Wien uraufgeführt wird. Nach „Orfeo“ folgen noch zwei weitere Reformopern des Erfolgsduos: „Alceste“ (Uraufführung 26. Dezember 1767 am Burgtheater) sowie „Paride e Elena„. Doch nach Meinungsverschiedenheiten und harscher Kritik seitens Gluck über ein Libretto das er abgelehnt hatte, kommt es zwischen Calzabigi und Gluck zu einem endgültigen Bruch.
Doch noch wichtiger als Wien, obwohl des künstlerischen Erfolgs, wird für Gluck Paris, wo er auf Einladung seiner ehemaligen Schülerin Marie Antoinette, seine Reformideen 1774 vorstellt, denen später Beethoven und Berlioz ebenso folgen werden wie Verdi und Wagner. Es ist der Triumph der Wahrheit über die Schönheit. Werke wie die beiden Iphigénie-Opern en Aulide und en Tauride, die Armide und zuletzt Echo et Narcisse spalten zwar das Publikum, am Ende aber werden die „Gluckisten“ triumphieren – auch wenn zum Beispiel Mozart nie versucht war, Glucks Reform zufolgen. “ Alles, was Hass, Liebe, Verzweiflung, Raserei in den stärksten Zügen ausdrücken kann, fasste Gluck gewaltig in Töne zusammen. 1779 wird Glucks „Iphigenie en Tauride“ (Libretto: Nicolas Francois Guillard) mit großem Erfolg in Paris uraufgeführt.
Man war entzückt, hingerissen von dieser „heiligen Musik“ wie Herder sie nannte. Mit besonderer Liebe beschäftigte sich Gluck in seinen letzten Jahren mit einem schon früher beginnenden Werk: Klopstocks „Hermannsschlacht„, die er als höchste Aufgabe ansah und mit der er, wie er dem Dichter schrieb, seine musikalischen Arbeiten zu beschließen gedachte. Das erste Zusammentreffen mit Friedrich Gottlieb Klopstock fand 1774/ 75 in Bezug einer zweiten Parisreise in Karlsruhe statt, wo seit dieser Zeit eine Freundschaft zwischen beiden entstand. War doch der deutsche Lyriker und Dramatiker wie Gluck am selbigen Tag (2. Juli 1724) geboren, wo sich heuer ebenso dessen Jubiläum jährt. Alsdann wäre natürlich auch Immanuel Kant zu erwähnen, der am 22.April in Königsberg, Ostpreußen (heutiges Kaliningrad) geboren wurde. Alle diese Geistesgrößen haben unsere Geschichte geprägt und sie sind ein Beispiel für Freiheit, Gleichheit, Recht, Brüderlichkeit und Frieden.
Gluck selbst setzte mit Klopstocks eine Reihe seiner Oden und einzelne Szenen der „Hermannsschlacht“ im deklamatorischen Stil in Musik, dabei wie Herder sagte, „allenthalben auf Fittigen der Empfindsamkeit des Dichters schwebend“ durch Händels „“Alexanderfest“ das er in Wien hörte, angeregt, beschäftigte ihn auch die Dramatisierung der demselben zu Grunde liegenden Drydenschen Ode. Doch gab er sie wieder auf sodass die Arbeiten teils unvollendet blieben. Bekannt ist die Vertonung Glucks „Die frühen Gräber“ (Willkommen, o silberner Mond, schöner, stiller Gefährt der Nacht) aus dem Jahre 1764.
Nach einem Schlaganfall im Mai kehrt Gluck im Sommer 1781 wieder nach Wien zurück. „Iphigenie in Tauris“ wird am 23.Oktober am Wiener Burgtheater uraufgeführt. Anlässlich eines Besuchs des russischen Großfürsten Paul Petrowitsch (später Zar Paul I.) und seiner Gemahlin Maria Feodorowna in Wien, finden ferner Aufführungen von „Alceste“ (25.November), „La Rencontre impré vue (deutsch als Die Pilgrime von Mekka (5.Dezember) und Orfeo ed Euridice (31.Dezember) unter der Leitung Salieris statt. Am 6. August 1782 findet auf Wunsch Gluck eine Aufführung von Mozarts „Die Entführung aus dem Serail“ (KV 384) statt, die Gluck besucht. Er ist voll des Lobes und lädt Mozart den darauffolgenden Tag zu sich nach Hause ein.
Jedoch 1784 verschlechtert sich Glucks Gesundheitszustand immer mehr und er erleidet wiederholt einen Schlaganfall, wodurch seine Arme und Beine teils gelähmt und wo er kaum noch seinen Verpflichtungen nachgehen kann. Obwohl ihn Mineralbäder und eine geregelte und gesunde Lebensweise zu einer leichten Besserung führen, so lässt er jegliche Arbeit ruhen. Noch kurz vor seinem Tod übergibt Gluck Salieri eine Kirchenkomposition um es in der Sammlung des Kaisers einzureihen. Es ist außer dem 8.Psalm: “ Domine Dominus noster“ (der zwischen 1753 und 1757 in einem Hofkonzert zur Aufführung gelangte) das einzige Werk im Kirchenstil, das er überhaupt geschrieben hatte. Es atmet christliche Frömmigkeit und Andacht, ein polyphones Meisterstück ist es nicht, wie die Kontrapunktik nie Glucks starke Seite war. „Einer kann nicht alles„, pflegte er zusagen, „und ist er vernünftig, so will er nichts, als was er kann„.
Nun ein Könner war Gluck durchaus auf seinem Gebiet und ein Opernreformator der die barocke „Opera seria“ zu Grabe trug. Erst durch ihn wurde eine neue musikalische Kunstform geprägt, für alle die dann nach ihm kamen.
Noch immer im Eifer musikalischen Schaffens, kam früher, als der Komponist dachte, das Ende! Am 15. November 1887 bewirtet er noch zwei aus Paris kommende Freunde in seinem Haus auf Wieden. Nach dem Mahl unternahm Gluck noch eine Spazierfahrt in Begleitung der Freunde. Kaum eine Viertelstunde unterwegs bekommt der Meister der Tonkunst einen dritten Schlaganfall, und noch ehe sie das Haus wieder erreichen fällt Gluck in eine Ohnmacht, worauf er an den Folgen in Anwesenheit seiner Frau in wenigen Stunden stirbt.
Die Beisetzung erfolgt 17. November auf dem Matzleinsdorfer Friedhof, begleitet von Familie, Freunden, zahlreichen Verehrern und anderen Wegbegleitern, die ihm die letzte Ehre erweisen. 1890 findet eine feierliche Umbettung der Gebeine in ein Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 32 A, Nummer 49) statt. Also zwei Jahre später, nachdem man Beethovens Gebeine (gestorben am 26. März 1827 um 17:45 Uhr während eines schweren Gewitters) bereits am 21.Juni 1888 auf den Zentralfriedhof überführt hatte.
Nicht minder als in Deutschland betrauerte man in Frankreich den Tod Willibald Glucks, wo seine Büste neben Lullys und Rameaus in der großen Oper Paris 1778 aufgestellt wurde. Doch neue Zeiten und neue Geister nahmen nach Gluck seinen Platz ein. Vergangene Epochen haben den einst bedeutendsten Opernkomponisten als den Richard Wagner des 18.Jahrhunderts bezeichnet. Mozart und Beethoven ebenso wie Wagner und Richard Strauss, sahen in Glucks Musik und Theorie den Beginn der modernen Bühnenmusik. Nach dem Urteil Eduard Hanslicks, eines der bedeutenden Musikkritiker des 19.Jahrhunderts, war Gluck der „feierliche hohe Priester“ der musikalischen Tragödie.
Glucks Nichte Nanette (*1759 in Wien) war zu Lebzeiten eine erfolgreiche Sopranistin, wo sie aber nach einigen Konzertauftritten in Wien und Paris das Opfer einer Pockenepidemie wurde und im blühendem Alter mit 17.Jahren am 22. April 1776 in Wien verstarb.
Drei Jahre nach Christoph Willibald Glucks Tod stirbt seine treu liebende Gattin Anna Maria Gluck am 12.März 1800 in Wien. Sie war die verständnisvollste Gefährtin an seiner Seite die ihren Mann überall auf seinen Reisen begleitete und ihn in seiner Arbeit voll unterstützte.
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