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WIEN/ Staatsoper:„RIGOLETTO“  –  Letzte Vorstellung der nicht vom Glück begünstigten Serie

WIEN / Staatsoper: „RIGOLETTO“  –  am 30.3.2022

Rigoletto | Spielplan & Kartenkauf | Wiener Staatsoper
Ludovic Tezier. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

 Eine der vielen Fehlentscheidungen von Bogdan Roščićs Vorgänger Dominique Meyer war es die vom Publikum geliebte „Rigoletto“-Produktion von Sandro Sequi in der prachtvollen Ausstattung von Pantelis Dessyllas durch diese schlechte Inszenierung von Pierre Audi in der potthässlichen Ausstattung von Christof Hetzer zu ersetzen. Durch den Bruch mit Franz Welser-Möst dirigierte wenig erfolgreich Myung-Whun Chung und Simon Keenlyside in der Titelpartie musste wegen einer Indisposition während der Premiere durch Paolo Rumetz ersetzt werden. Diese Peinlichkeit wurde bei der ersten (und meines Wissens nach bisher auch einzigen) Kinoübertragung einer Live-Aufführung aus der Wiener Staatsoper weltweit ausgestrahlt. Und mit dieser Unglücksproduktion, auf der wohl Monterones Fluch lastet, müssen das Wiener Publikum und die nachfolgenden Direktoren wohl noch einige Zeit leben.

Und Monterones Fluch wirkt offensichtlich auch weiter auf dieser Produktion. Durch die anhaltende Corona-Situation sind einige Sänger ausgefallen und das Wiener Publikum konnte nun in den vier Aufführungen dieser Serie vier verschiedene Sängerinnen als Gilda erleben. Nach Rosa Feola, Vera-Lotte Boecker und Lisette Oropesa sprang nun in der letzten Aufführung Aida Garifullina ein, die bereits mehrmals in dieser Inszenierung die Gilda gesungen hatte. Die teilweise in Wien lebende russische Sopranistin hatte Zeit, weil sie erst vor einer Woche von der Metropolitan Opera gefeuert wurde. Sie hätte ab 2. April auf der Bühne der MET als Susanna in „Le nozze di Figaro“ stehen sollen. Begründet wurde der Hinauswurf damit, dass sie erst vor kurzem – lange nach Beginn des Ukraine-Krieges –  die Traviata am Moskauer Bolschoi Theater gesungen hat. Ob dieser Hinauswurf nun gerechtfertigt ist oder nicht, möchte ich mal dahingestellt lassen.

Anfangs war ich von Garifullina positiv überrascht, ihre Stimme klang diesmal dunkler und größer, als ich sie von ihrer Gilda in Wien 2018 in Erinnerung hatte. Sie war ja nie ein richtiger Koloratursopran, auch kein lyrischer Sopran, sondern vielmehr eine Soubrette. Die Stimme klang damals immer nur sehr dünn und substanzlos und wurde bei jeder Anstrengung sofort scharf und schrill. Nun klang ihre Stimme tatsächlich viel fülliger, einzig die Wärme in der Stimme, wie man es in dieser Partie etwa von Ileana Cotrubas oder Lucia Popp gewohnt war, vermisste man. So gestaltete Garifullina an diesem Abend die beiden Duette der Gilda mit ihrem Vater und mit dem Herzog recht zufriedenstellend. Doch dann misslang ihr das hohe Es in „Caro nome“ unüberhörbar. Als sie dann auch im Finale des 2. Aktes die richtige Höhe des Schlusstons nicht erreichte, kam in mir der Verdacht auf, dass sie ihre Stimme möglicherweise künstlich in der Mittelage verbreitert hat, was meistens auf Kosten der Höhe geschieht. Aber wie will sie in diesem Fach ohne gut funktionierende Höhe reüssieren?

Noch schlimmer stand es um den Tenor. Die Stimme von Francesco Demuro klingt genau so klein wie vor elf Jahren bei seinem Debüt an der Wiener Staatsoper. Die an und für sich schön timbrierte Stimme ist viel zu klein für das Haus der Wiener Staatsoper. Dadurch ist er ständig bemüht durch Forcieren über die Runden zu kommen, wodurch sich ebenfalls seine Höhe verengt und alles sehr angestrengt klingt. Und welcher Teufel hat ihn geritten die an die Arie im 2. Akt anschließende Cabaletta („Possente amor mi chiama“) mit einem grauenvoll gequetschten Spitzenton abschließen zu müssen? Die lautstarken Buhs danach hätte er sich ersparen können.

Im Mittelpunkt des Interesses stand natürlich Ludovic Tézier in der Titelpartie. Er ist derzeit wohl der beste Bariton im Verdi-Fach. Und auch an diesem Abend bot er eine stimmliche Leistung, die keine Konkurrenz zu scheuen braucht. Sein kräftiger, weich strömender Bariton ist allen Anforderungen mühelos gewachsen. Er phrasiert wundervoll, weiß Spannungen aufzubauen und glänzt auch mit seinen mühelos erreichten Spitzentönen. Eine stimmliche Bravourleistung. Allerdings nahm man ihm darstellerisch die Figur nicht ganz ab, den liebenden Vater ja, aber den nicht ganz makellosen Hofnarren weniger. Ob es an der Rolle oder nur an dieser schlechten Inszenierung liegt? Aber seine perfekt gesungene Arie im 2. Akt war der absolute Höhepunkt des Abends.

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Noa Beinart, Francesco Demur0. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Noa Beinart konnte auch in der Partie der Maddalena auf ihre schöne Altstimme aufmerksam machen. (Dass der Tenor ein Kopf kleiner war als sie sorgte für zusätzliche Heiterkeit.) Evgeny Solodovnikov sang die Rolle des Sparafucile sehr schön, fast möchte man sagen zu schön. Den „ladro“, den eiskalten Mörder nahm man ihm jedoch nicht ab.

Zufriedenstellend waren die kleinen Partien (Isabel Signoret als Giovanna, Attila Mokus als Monterone, Michael Arivony als Marullo, Angelo Pollak als Borsa, Marcus Pelz als Graf Ceprano, Johanna Wallroth als Gräfin Ceprano, Ileana Tonca als Page und Michael Wilder als Hussier) besetzt.

Chor und Orchester der Wiener Staatsoper präsentierten sich in guter Form. Was für ein Glück für Garifullina und Demuro, dass am Pult ein sängerfreundlicher Routinier wie Marco Armiliato stand, der mit den Sängern mitatmen kann.  Ich möchte mir gar nicht ausdenken, wie der Abend verlaufen wäre, wenn einer der vielen neuen Dirigenten, die das Orchester viel zu laut aufspielen lassen, am Pult gestanden wäre. Armiliato sollte viel öfter in diesem Fach eingesetzt werden.

Am Ende noch eine Bitte an die Direktion: sollte diese Produktion jemals wieder auf den Spielplan gesetzt werden, dann möge doch der Abendspielleiter einige Änderungen durchführen. (Wurde ja schon in der Vergangenheit gemacht, so tritt ja z.B. Rigoletto nicht mehr mit nacktem Oberkörper auf wie in der Premiere.) Die unglaublich peinliche Ermordung Monterones könnte man doch wieder hinter die Bühne verbannen, so wie das derzeit dargeboten wird ist es eine unfreiwillig komische Opernparodie. Und was hat sich Pierre Audi nur dabei gedacht, dass er Gilda und den Herzog (beide bereits wieder adrett gekleidet!!!) am oberen Ende der Stufen Rigolettos Arie „Cortigiani, vil razza dannata“ zuhören lässt? (Ist Rigoletto blind? Er fragt, wo seine Tochter ist und sie steht nur wenige Meter von ihm entfernt!) Das gibt dem Herzog gerade mal drei Minuten für die Schändung Gildas. (Man sagt ja den Italienern gerne nach, dass sie Schnellschießer sind, aber drei Minuten??????) Aber wie ich bereits eingangs erwähnt habe, über dieser Produktion liegt ein Fluch. La Maledizione!

Walter Nowotny

 

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