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MÜNCHEN/ Gärtnerplatztheater: „JONNY SPIELT AUF“ 1927, Spieloper,  Ernst Krenek, 1900/91 Neuinszenierung

15.03.2022 | Oper international

TTT Einlassungen: „Leichtfüßig“ Essenzielles, Zeitreise in Otto Dix – Phantasmen … und so geht auch Inklusion

 Gärtnerplatztheater: „JONNY SPIELT AUF“ 1927, Spieloper,  Ernst Krenek, 1900/91 Neuinszenierung 14.3.2022

 München: Zwei exzeptionelle 20 Jhrdt. – Musiktheater – Neuinszenierungen in wenigen Tagen, „Peter Grimes“ und „Jonny spielt auf“. Zeitgemäße Repertoire-Erweiterungen mit Fortune!

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Mathias Hausmann, Chor des Staatstheaters am Gärtnerplatz © Christian POGO Zach

„Jonny ist ein schwarzer amerikanischer Jazz-Musiker, der die Geige eines berühmten Violinvirtuosen klaut. In einer berühmten Szene springt er aufs Klavier und sagt, er sei der Erbe aller Kultur, die das alte Europa hervorgebracht habe. Ganz am Schluss sitzt er auf der Weltkugel – und alle tanzen dazu“ (Regisseur Peter Lund).

TTT vor wenigen Tagen: „…  Ausgrenzung von Minderheiten, seriöse Inklusion ist bis heute frommer Wunsch geblieben ist. Alle sollten doch in die Weltgemeinschaft gescheiter Menschen inkludiert sein, ein Bodensatz wird sich nie ändern …mangelhafte Inklusion im 21. Jhdt.“ (s.: „Psychosoziales: Blackfacing … Inklusion“     https://onlinemerker.com/ttt-psychosoziales-blackfacing-dummer-august-schadenfreude-inklusion/  )

Süddeutsche Zeitung u. a. tappen „gutmenschelnd“ prompt in diesen Bodensatz von positivem Rassismus, von Rassisten („Zugeschminkte Leerstelle“, 13.3.2022), statt den Afroamerikaner Jonny originär in seiner Individualität zu sehen! „…doch sein schwarz geschminktes Gesicht irritiert …lenkt damit die Aufmerksamkeit auf die Schwächen der Inszenierung, …auf obsolete Bühnenpraxis. Argumentativ hätte man weiter sein können …bizarre Tim-Burton-Ästhetik. Muss „Blackfacing“ wirklich sein?“

Nun gut, wenn man Tim Burton nicht von Otto Dix unterscheiden kann, glaubt man also auch die Identität einer dramatischen Persönlichkeit, den Charakter literarischer Vorlagen, eliminieren zu müssen. Unpassabel erscheint da aber auch das Verlangen von Argumenten, wenn man derer selbst nicht habhaft ist und die Statements der Inszenierung lediglich (und simpel) nicht verstanden hat:                                                                                                                                                

„Nur Illustration, Abbild tatsächlicher Gesellschaft, Schöpfung unterschiedlicher Menschen (hat der „liebe Gott“ schon so gemacht), „farbiger“, weitläufiger Welten ist anzustrebende Inklusion!“ Die SZ ist nicht einverstanden – im gesellschaftlichen Bodensatz verlangt sie Standard-Bleichgesichter.

Wo, wieso, weshalb,warum ist „Blackfacing“ schlecht? Welcher gradlinige Intellekt ist bei  europiden Langnasen überzeugt „schwarze amerikanische Jazz-Musiker“ zu sehen?

Inklusion bedeutet Identitäten anzuerkennen, jede in der Weltengemeinschaft gescheiter Menschen, ohne Vorurteile, Gutmenschelndes!

Grundgesetz BRD § 1.3: Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, … benachteiligt oder bevorzugt werden! Also sind auch Personen divergenter Herkunft (es wird nicht nach natürlichen oder sonstigen Personen unterschieden) in ihrem Naturell anzuerkennen.

Schlüssig juristisch gefolgert ist „Anti – Blackfacing“, wenn man also eine Identität auch in einer Darstellung nicht akzeptieren will, verfassungswidrig, sei es nur mit diesen verkleisterten Gutmenschen – Attitüden. Geht es doch um weite Weltbevölkerung, der die Hautfarbe genommen werden soll.

Stellt die SZ die Verfassung in Frage? Was spricht gegen realistische Darstellungen von POC (People of Colour)? Was macht man in diesen Bodensatz- Philosophien mit Identitäten anderer historisch Misshandelter: dem Volk der Jehudi, den Juden, der Hälfte der Menschheit, den Frauen, den Beleibten, den Dicken usw.? Also dunkle Haut darf nur bleich sein, und … ???

Handlung „musirony“:  https://musirony.de.tl/Jonny-spielt-auf.htm

Vertiefende Werkeinführung: Universal Edition  „Institut mit kultureller Mission“

https://www.universaledition.com/ernst-krenek-395/werke/jonny-spielt-auf-3000

Exkurs TTT 3/2019:  Ich bin gegen werkfremde Erfindungen oder werktreue „Pseudo-Originalität“.  Werkimmanenz heißt: dramatische Strukturen in Ort, Handlung, Textentsprechung gem. Vorlage und schlüssiger Wahrhaftigkeit bleiben ohne Purismus  – Historismus behindert Transformation!     

Überbordende Optik von Bühne und Kostümen in Werkimmanenz mit irisierenden Verwandlungen (Drehbühne + Projektionen) auf offener Szene, lassen sich kaum in einer künstlerischen Matrix fassen. Es sind schwelgende Ausflüge, die Kolorit/Zeitgeist atmen (1927). Diese Optik reflektiert eine kongeniale dramaturgische szenische Einrichtung und Choreographie.    

Expressionismus kratzt fast am Realismus, Impressionismus fließt in „optisch manifestierte Sinnlichkeit/ Gefühle“, streift abstrakten Stil bis Dadaismus. Das sind  Bilderbögen durch Otto Dix  – Phantasmen (1891 – 1969), dem  Maler einer „Neuen Sachlichkeit“.                                              Und es ist kurzweilig, außerordentlich unterhaltsam – visuell auditive Ausschweifungen einer Synthese aus Leichtigkeit, psychosozialer Tiefe, Themen die bewegen, berühren, verinnerlichender Optik.

Aufbruch ins Land der Freiheit | Abendzeitung München
Elena Fink, Alexandros Tsilogiannis Holger Ohlmann, © Christian POGO Zach

Bilderstrecke Otto Dix:

BILDERSTRECKE von Otto Dix

Die Inszenierung ist, wie die Komposition, nicht gesellschaftlich, psychosozial kontrovers angelegt – es ist eine aus der Welt gefallenen Geschichte mit assoziativen Phantasma – Einschüben, die  attraktiv in der optischen Sprache bildender Kunst für Nachgeborene eine blendende Zeitreise ohne Plattheiten entfaltet und „en passant“ Essenzielles unseres „täglichen Gestrampels“  liefert.

Wunderbar und leichtfüßig dürfen wir unserer Genese über ein Jahrhundert „auf den Zahn fühlen“. Hapert es nur mit Inklusion?

Glut, Inbrunst und Enthusiasmus eines 27jährigen, der seinen kompositorischen Genius ausprobierte, mit ungelenker Wucht sein Talent herausschleudert, macht schon den Beginn zur ersten gesangliche Herausforderungen für die sängerischen Mittelpunkte Anita und Max. Es geht sofort in exponiertes Spinto (fordernste Dramatik) im obersten Register.

Das waren Elena Fink’s und Alexandros Tsilogiannis‘ (Anita und Max) bewundernswerte erste tönende „Handstreiche“. Das kann kein Schöngesang sein, sondern atemberaubende Öffnung in extreme Klangwelten.

Wenn das Gesamtpaket einer Aufführung begeistert, fällt es schwer Details zu rezensieren  

Beides sind erstklassig durchgeformte Stimmen, die brillant mit Kraft durch die Register sausen. Elena Fink kann Textklarheit, Registerwechsel noch optimieren.   

Orchester und dessen Leitung durch Michael Brandstätter stimmte. Das war gekonnte akustische Umsetzung in der Stringenz zur Aufführung. Rythmisch, agogisch bot sich ein fokussierender Klangteppich, der in Dezibel und Tempo noch entspannter sein könnte.

Alles Andere war einlassungsfreie gewohnt adäquat hohe Gärtnerplatztheater – Qualität gem. Anforderungen.

Ernst Krenek 1984: „Zusammenfassend möchte ich sagen, dass ich mit „Jonny“ weder irgendeinen Stil zu propagieren wünsche, noch die definitive Alleinherrschaft der Jazzmusik inaugurieren will,, noch Amerika gegen Europa ausspielen  oder in Zukunft die Opernsänger durch Lautsprecher, Lokomotiven  und Telefone ersetzt wissen möchte. Was ich will, ist einzig und allein: lebendiges, interessantes, anteilerregendes Theater – mit welchen Mitteln, das soll uns gleich gelten, wenn es gelingt, ein lebendiges Ganzes auf die Bühne zu stellen. Und das will ich immer wieder versuchen, ohne mich auf irgend etwas – und sei es etwas so ausnahmsweise Erfolgreiches , wie der „Jonny“ es ist – festzulegen, immer mit neuen Mitteln, immer auf anderen Wegen.“

Tim Theo Tinn, 16. März 2022

TTT ‘s Musiktheaterverständnis will keine Reduktion auf heutige Konsens – Realitäten, Yellow – Press (Revolverpresse) – Wirklichkeiten in Auflösung aller konkreten Umstände von Ort, Zeit und Handlung, unsubstantiierten Transformations–Missdeutungen (Dekonstruktionen) von wertvoll Etabliertem. Es geht um Parallelwelten, die einen neuen Blick auf unserer Welt werfen, um visionäre Utopien, die über der alltäglichen Wirklichkeit stehen – also surreal (sur la réalité) sind. Menschenbilder müssen im psychosozialen Sein belassen werden. Musikalisch determinierte Charaktere sind irreversibel. Neues soll geschaffen werden, aber expliziert Neues in allen Dimensionen, visuell, auditiv, dramatisch. Regietheater entstellt, wenn damit  Genial-Auditives und Worte der Bedeutungen enthoben, unstimmig werden, ist damit nicht neu sondern falsch. Irriges Ideengeplänkel eliminiert Gesamtkunstwerke.

Profil: 1,5 Jahrzehnte Festengagement Regie, Dramaturgie, Gesang, Schauspiel, auch international. Dann wirtsch./jurist. Tätigkeit, nun freiberuflich: Publizist, Inszenierung/Regie, Dramaturgie etc. Kernkompetenz: Eingrenzung feinstofflicher Elemente aus Archaischem, Metaphysik, Quantentheorie u. Fraktalem (Diskurs Natur/Kultur= Gegebenes/Gemachtes) für theatrale Arbeit. (Metaphysik befragt sinnlich Erfahrbares als philosophische Grundlage schlüssiger Gedanken. Quantenphysik öffnet Fakten zur Funktion des Universums, auch zu bisher Unfassbarem aus feinstofflichem Raum. Glaube, Liebe, Hoffnung könnten definiert werden). TTT kann man engagieren.

 

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