Ab 29. Mai 2015 in den österreichischen Kinos
300 WORTE DEUTSCH
Deutschland / 2013
Regie: Züli Aladags
Mit: Pegah Ferydoni, Vedat Erincin, Christoph Letkowski, Christoph Maria Herbst, Nadja Uhl u.a.
Diese Türkin ist ein Traum: Lale Demirkan in Gestalt von Pegah Ferydoni ist eine Schönheit. Intelligent außerdem, Studentin an der Uni in Köln, wo sie ihr Leben lang zuhause ist, und „draußen“ lässt sie natürlich die Haare wehen. Nur in der Nähe von Papa, dem Moscheevorsteher Cengiz Demirkan (Vedat Erincin spielt ihn als drollige Seele von einem Menschen, wenn auch ein bisserl türkisch konservativ…) trägt sie brav ein Kopftuch, weil sie ihn nicht betrüben will – tja, da wünschte man wirklich, unsere Kinder wären auch so…
Dieser junge Deutsche ist ein Traum: nett, sympathisch, aus tiefster Seele liberal. Überhaupt hat Marc (Christoph Letkowski, der Krankenpfleger aus den unsäglichen „Feuchtgebieten“) die Stellung beim Ausländeramt in Köln nur angenommen, weil der Onkel sie im verschafft hat, nicht weil er Leute schikanieren will wie dieser: Christoph Maria Herbst, einer von Deutschlands schrägsten Komiker, spielt das Ekelpaket, der möglichst jeden Migranten bei erster Gelegenheit wieder zurückschicken will.
Nun, dass er für das System der „Bräute aus Anatolien“ nichts übrig hat, die herbeigeflogen werden, um ihnen gänzlich unbekannte junge deutsche Türken zu heiraten, das kann man ihm ja ein bisschen nachfühlen, aber keine Angst, das Problem der Zwangsehen wird weichgespült, das Problem der „300 Worte Deutsch“, die die jungen Damen schnell lernen müssen, damit die Abschiebung schwer gemacht wird, auch – da sorgt schon Lale für Sprache, für Selbstbewusstsein und sogar für wehrhafte Künste der durchwegs hübschen Türkinnen, die da kommen (und die eine, die etwas dick ist, darf so reizend sein, dass sich ihr junger Ehemann sofort in sie verliebt)…
Ja, und Lale und Marc, das ist so eine Sache, denn der liebe türkische Papa will die Tochter natürlich auch nach eigenem Wunsch mit einem reichen Teppichhändler verheiraten, wie das eben so üblich ist (orthodoxe Juden benützen auch Heiratsvermittler, das hat mit den jeweiligen Kulturen zu tun). Und der aufgeschlossenen Lale in ihrem strahlenden Selbstbewusstsein geht wiederum das „Wohlwollen“ der deutschen Liberalen auf die Nerven, was man auch versteht.
Trotzdem – so richtig problematisch wird es in diesem Film von Züli Aladag nie: Da wird sogar die Möglichkeit erwogen, dass eine deutsche Sekretärin beim Ausländeramt (nur leicht satirisch: Nadja Uhl) sich in den türkischen Gemüsehändler verliebt und dieser zur allgemeinen Beglückung seine türkische Frau heimschickt (sie wünscht sich nichts dringlicher) und auch eine „Mischehe“ erwägt…
Um ein paar Überlegungen kommt man bei all dem nicht herum. Erstens, warum man einen Film von 2013, der längst schon auf DVD erhältlich ist, jetzt doch noch ins Kino bringt? Wer steckt dahinter? Nun, es geht natürlich eindeutig um Propaganda. Was sich als „aus dem Alltag gegriffene Komödie“ gibt, ist das große Plädoyer für nichts weniger als die Verschmelzung.
Sei’s drum: Am Ende hat die schöne, kluge Türkin ihrem liebenswerten, liberalen, weltoffenen deutschen Gatten einen Sohn zur Welt gebracht, und ob er Hassan Anton oder Anton Hassan heißen wird, hängt davon ab, ob der türkische Opa oder der (jetzt ganz lieb gewordene!!!) deutsche Onkel sich durchsetzt. Ist ja auch egal, wir wissen es und sollten uns darauf einstellen (und für jene, die es eventuell als bittere Pille empfinden – jene auf beiden Seiten! -, wird das Thema durch Zuckerkino versüßt) – in ein paar Generationen (wahrscheinlich dauert es nicht einmal so lange) gibt es die „Türkdeu“- oder die „Deutürk“-Bevölkerung, und man wird sich wundern, wie viele Schwierigkeiten das Zusammenwachsen einst gemacht hat.
Nur wir stecken noch mitten drin – und da ist es eben nicht so rosig, wenn man ehrlich ist. Am allerwenigsten so wie im verlogenen Kino, das die wahren Probleme links liegen lässt.
Renate Wagner