Stream: Liederabend Marlis Petersen am 28.5.2021 in der Oper/FRANKFURT
Innehalten und verklärte Klangwelt
Marlis Petersen und Stephan Matthias Lademann. Foto: Yiorgos Mavropoulos
Die „Innenwelt“ in allen Variationen hatten sich die Sopranistin Marlis Petersen und der Pianist Stephan Matthias Lademann für ihren Liederabend ausgewählt. Nach Karl Weigls spätromantischer „Seele“ op. 10/3 mit ihren differenzierten Harmonien entführte „Die Nacht“ op. 10/3 von Richard Strauss in fast sphärenhafte Gefilde und irisierende Klangflächen, die beide Künstler gut herausarbeiteten. „Nacht und Träume“ begleiteten auch den „Nachwandler“ op. 86/3 von Johannes Brahms, wo sich eine reiche Anzahl von Anschlagsqualitäten mit stimmlicher Leuchtkraft traf. Chromatische und dynamische Spannungkräfte erreichten bei Hugo Wolfs „Nacht“ (Eichendorff-Lieder Nr. 19) eine besondere Intensität. „Seliges Vergessen“ op. 9 von Hans Sommer überraschte mit thematischem Reichtum und motivisch reizvoller Gestaltungskraft. Auch hier grüßte mit leidenschaftlicher Emphase die Spätromantik. Der „Bewegung im Innern“ spürten Marlis Petersen und Stephan Matthias Lademann dann bei „Schmied Schmerz“ op. 51/6 von Max Reger in hervorragender Weise nach. Energien und Formkräfte erreichten hier einen imponierenden Höhepunkt. Dynamische Extreme und expressionistischer Überschwang führten zu einem gewaltigen gesanglichen Gipfel. Einen bewegenden Gegensatz bildete hierzu „Ruhe, meine Seele“ op. 37/1 von Richard Strauss, wo das romantisch-schwärmerische Gefühl triumphierte. Marlis Petersen gelang es aber auch, eine ruhige Verklärtheit herauszuarbeiten. Von Johannes Brahms waren dann die beiden Lieder „Der Tod, das ist die kühle Nacht“ op. 96/1 und „Verzagen“ op. 72/4 zu hören, wo wiederum eindringliche Klangschattierungen auffielen, die gut betont wurden. Sehr französisch wurde es dann bei „Mouvement interieur“ mit den beiden von Johann Sebastian Bach inspirierten Liedern “ A Chloris“ und „L’Enamouree“ von Reynaldo Hahn. Hier zeigte die Sopranistin Marlis Petersen eine große Bandbreite an Ausdrucksnuancen. Dieser Eindruck setzte sich bei „Chanson triste“ op. 2/4 von Henri Duparc fort. Innehalten und verklärte Ruhe führten hier zu einer vielgestaltigen Harmonik, die sich immer weiter auffächerte. Von Gabriel Faure war dann „Notre amour“ op. 23/2 zu hören, wo Eleganz und poetische Inspirationen in berührender Weise herausragten. „Erlösung und Heimkehr“ war der letzte Abschnitt dieses herausragenden Liederabends überschrieben, wo Max Regers „Abend“ op. 79c/1 mit polyphoner Macht imponierte. „Gebet“ aus den „Mörike-Liedern“ Nr. 28 von Hugo Wolf zeigte ein intimes Pathos, dessen Leuchtkraft von Marlis Petersen und Stephan Matthias Lademann überzeugend betont wurde. „Läuterung“ op. 18/3 von Richard Rössler bewegte sich wiederum in einem spätromantischen Umfeld, dessen klangfarblicher Reichtum verblüffte. Zum Abschluss erklang „Urlicht“ von Gustav Mahler, wobei es Marlis Petersen hier ausgezeichnet gelang, die innere gesangliche Bewegung zu betonen. Stephan Matthias Lademann begleitete sie hier mit dezenter Zurückhaltung. Als Zugabe waren noch „Träume“ aus den „Wesendonck-Liedern“ von Richard Wagner zu hören. Der fast entrückt-verklärte Gesang wurde dabei von Marlis Petersen in seiner großen Tiefe ausgekostet.
Alexander Walther