CD „A JOYFUL BROTHERHOOD“ – PABLO MÁRQUEZ (romantische Gitarre) und JAN SCHULTSZ (Hammerklavier) spielen Gemeinschaftliches von Giuliani, Hummel und Moscheles; Pan Classics
Veröffentlichung: 9.4.2021
Schon alleine die ungewöhnliche Instrumentenkombination macht dieses Album hörenswert. Der argentinische Gitarrist Pablo Marquez und der als Dirigent und Liedbegleiter bekannte niederländische Musiker Jan Schultsz haben für ihre „freudige Bruderschaft“ Musik von Mauro Giuliani, Johann Nepomuk Hummel und Ignaz Moscheles gewählt.
Dieses Programm beruht nicht auf Zufall. Beim „Grand Potpourri National“ Op. 79/93 handelt es sich um eine Co-Produktion von Hummel und Giuliani, beim „Grand Duo Concertant“ um eine kompositorische Zusammenarbeit zwischen Moscheles und Giuliani. Gerahmt werden diese großen Werke auf der CD vom Rondo Op. 68 Nr. 1 und Nr. 2 von Mauro Giuliani. Ein „Potpourri“ Op. 53 von Hummel ergänzt das extravagante und hoch unterhaltsame Programm.
Mauro Giuliani, ein süditalienischer musikalischer Zampano, kam als 25-jähriger nach Wien und reüssierte auf voller Linie. Bei der Uraufführung von Beethovens Siebter spielte er Cello im Orchester. Aber viel wichtiger war, dass der feurige Gitarrist zusammen mit seinen Pianisten-Kollegen Johann Nepomuk Hummel und Ignaz Moscheles nicht nur viel Zeit gemeinsam verbrachte und das „Leben abfeierte“, sondern alle drei auch als fröhliche musikalische Bruderschaft wirkten.
„Tatsächlich wurden Moscheles und Giuliani nach Hummels Abreise nach Stuttgart 1816 und kurz bevor Giuliani 1819 endgültig nach Italien zurückkehrte, Mitglieder eines Geheimbundes von Künstlern, bekannt als die Ludlamshöhle, deren Mitglieder einen Spitznamen erhielten, der humorvoll eine Charaktereigenschaft beschrieb. So hieß Moscheles „Tasto der Kälberfuß“ und Giuliani „Vilac Umo Capo d‘Astro“ beschreibt Pablo Márquez den Bund, dem auch Salieri, Carl Maria von Weber und Mozart angehörten.
Beim „Potpourri“ Op. 53 von Hummel ist wahrscheinlich, dass Giuliani beim Gitarrenpart half. Die Themen, die Hummel dabei verarbeitete, sind Opernarien von Grétry „Raoul Barbe-bleu“, Boieldieu „Jean de Paris“, Spontinis „La Vestale“, Paisiellos „Il Re Teodoro in Venezia“ und Leporello aus Mozart „Don Giovanni entnommen. Einige Zeit später wurde der Gitarrenpart dieses Potpourris von Moscheles für Harfe transkribiert.
Das viersätzige „Grand Duo Concertant“, Erzherzog Rudolph gewidmet, bietet ein virtuoses Feuerwerk, das Gitarre und Klavier abwechselnd in ein „leidenschaftliches Gespräch und freundschaftliches Duell“ verwickelt.
Das „Grand Potpourri National“ enthält ganz im Sinne des Wiener Kongresses (September 1814 bis Juni 1815) und ähnlich wie in Rossinis „Il Viaggio á Reims“ Melodien aus verschiedenen Ländern. Es sind eine Polacca, ein spanischer Bolero, „Rule Britannia“, das französische Lied “Vive Henri IV.“ und die österreichisch ungarische Hymne leicht auszumachen. Bei „Rue Britannia“ macht Jan Schultsz beeindruckend vom Janitscharenzug auf dem Hammerklavier von Johann Fritz Wien 1815 (Kopie von Mirko Weiss 2004) Gebrauch. Als Gitarre kommt hier die „Terzgitarre“ zum Einsatz, ein kleineres Instrument, das eine kleine Terz über dem normalen Tonumfang der Gitarre gestimmt ist.
Beide Interpreten erweisen sich nicht nur als ausgewiesene Kenner der Musikgeschichte, sondern erfreuen mit ihrem spontan frischen, quicklebendigen und äußerst seelenvollen Spiel. Gleich, ob sie virtuos champagnerisieren oder im zweiten Rondo in h-Moll von Giuliani melancholisch verträumtere Töne anschlagen („scheint im Ausdruck in andere Dimensionen ohne Auflösung zu entschweben“), für den Hörer folgt eine Überraschung auf die nächste. Unterhaltsam, bewegend und hinreißend flott zugleich.
Dr. Ingobert Waltenberger