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CD: ALESSANDRO STRADELLA: SAN GIOVANNI BATTISTA – Le Banquet Céleste, Damien Guillon

22.01.2021 | cd

CD: ALESSANDRO STRADELLA: SAN GIOVANNI BATTISTA – Le Banquet Céleste, Damien Guillon

 

Ein vokaler Schleiertanz

Stradella: San Giovanni Battista

Die Oper als wichtigste musikalische Institution des Seicento konnte in Rom nicht Fuss fassen: Währendem sie sich in Venedig durch die Errichtung «öffentlicher» Theater breit entwickeln konnte, stand sie in Rom immer unter dem Einfluss der päpstlichen Zensur und wurde mit wenigen Ausnahmen, so zwischen 1671 und 1674 im öffentlichen Teatro Tor di Nona, in den Palästen des Adels aufgeführt. So entwickelte sich das Oratorium in Rom zur Alternative zur Oper. Verschiedene religiöse Gruppierungen brachten ganzjährig, besonders aber in der Fasten-, Oster- und Weihnachtszeit Oratorien zur Aufführung. Erklärte anfänglich ein Erzähler die lateinischen Texte, kamen bald italienische Libretti auf, in denen sich die Affekte freier entfalten konnten, da kein Erzähler mehr notwendig war: die Oratorien basierten 1706 erklärte der Librettist und Literat Arcangelo Spagna in seinem Hauptwerk «Oratorii overo melodrammi sacri» die Theorie des allein auf Dialogen basierenden Oratorium. Das Oratorium entwickelte sich immer mehr zum Musikdrama en miniature mit Monologen, Dialogen, Arien, Rezitativen und Ensembles. Wie die Oper auch.

Alessandro Stradella (1639-1682) ist auf Grund seines vielfältigen Werkes, vor allem aber auf Grund seines abenteuerlichen Lebens eine der faszinierendsten Persönlichkeiten der Musikgeschichte des Seicento. Alle sechs überlieferten Oratorien Stradellas entstanden für Rom. «San Giovanni Battista» (Libretto Ansaldo Ansaldi), das das Bekannteste unter ihnen sein dürfte, wurde 31. März 1675 im Oratorium der Kirche San Giovanni dei Fiorentini mit dem Alt-Kastraten Siface (Giovanni Francesco Grossi) in der Titelrolle uraufgeführt. Erneute Aufführungen gab es 1688 in Modena, 1693 in Florenz und 1698 in Rom.

Die Handlung des Oratoriums ist die biblische Legende der Salome, Tochter der Herodias, die mit dem Schleiertanz König Herodes dergestalt gefügig machte, dass er, auf Wunsch der Herodias, Johannes köpfen und das Haupt auf einer Schale der Tänzerin bringen liess.

Musikalischer Höhepunkt des Oratoriums sind Salomes Rezitativ «Deh, che più tardi» und ihre Arie «Queste lagrime e sospiri»: Hier muss sie Herodes stimmlich verführen.

Dem Ensemble Le Banquet Céleste unter Damien Guillon gelingt es, Stradellas Partitur perfekt zu Gehör zu bringen: der lebendige, energiegeladene Stil der Heiden gelingt kontrastiert bestens mit dem Pathos von Johannes dem Täufer.

Zur Aufnahme im Mai 2019 in der Abbaye Royale de Fontevraud versammelte sich ein Ensemble hochkarätiger Spezialisten. Der Countertenor Paul-Antoine Benos-Djian als Giovanni Battista überzeugt sämig klingendem, wohl geführten Alt. Alicia Amo als Tochter der Herodias (Salome) interpretiert ihrer Partie mit einem glockenreinen, zu wunderbaren Tiefen wie rasanten dramatischen Aufschwüngen fähigem Sopran. Olivier Dejean als Herodes überzeugt mit kernigem Bass und wunderbarer Technik. Gaia Petrone gibt die Mutter der Herodias mit klangvollem Mezzosopran. Artavazd Sargsyan als Consigliero und Thibault Givaja als Discepolo ergänzen das Ensemble bestens

Pures Vergnügen!

22.01.2021, Jan Krobot/Zürich

 

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