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STUTTGART/ Liederhalle/LUDWIGSBURG/ Forum: Zwei Stream-Konzerte des SWR Symphonieorchesters

04.12.2020 | Konzert/Liederabende

Zwei Stream-Konzerte des SWR Symphonieorchesters am 3. und 4. 12. 2020 im Forum am Schlosspark Ludwigsburg sowie in der Liederhalle Stuttgart/

Voller Leidenschaft und Emotion

Auch Stream-Konzerte haben ihre Vorteile. Unter der Leitung der einfühlsamen Dirigentin Yi-Chen Lin musizierten die Bläser des SWR Symphonieorchesters zunächst die berühmte Tondichtung „Der Zauberlehrling“ von Paul Dukas in einer subtilen Bearbeitung von Andreas N. Tarkmann, wo sich die vier Themen und Motive bestens entfalten konnten. Die klangliche und rhythmische Vielfalt dieses Werkes kam bei der gelungenen Wiedergabe im Forum am Schlosspark Ludwigsburg sehr gut zum Ausdruck. Als chromatische Holzbläserpassage erschien das Motiv des Lehrlings, dem bald alles außer Kontrolle geriet. Das Besenmotiv in der Trompete gewann hier eine immer deutlichere Präsenz – und das Erwachen des Hexenbesens geriet schließlich zu einem ungeheuren Tour-de-force-Ritt, wobei die Holzbläserskalen an Geschwindigkeit immer mehr zunahmen. Und die Fortissimo-Schläge des Blasorchesters waren an Eindringlichkeit nicht mehr zu überbieten. Es kam zu wahrhaft tumultartigen Höhepunkten und reizvollen dynamischen Kontrasten. Das Wassermotiv mündete letztendlich in plötzliche Tuttischläge. Ein famoser Schluss voller Überraschungen. Klangfarblich überaus farbenreich und faszinierend kam dann die „Harry-Potter-Suite“ von John Williams in einer gelungenen Bearbeitung von Robert W. Smith daher, wo die thematischen Verbindungen sehr gut herausgearbeitet wurden. Die facettenreich musizierte Ballettsuite „The perfect fool“ von Gustav Holst in einer Bearbeitung von Andreas N. Tarkmann überzeugte die Zuhörer ebenfalls aufgrund der großen rhythmischen Perfektion und der elektrisierenden harmonischen Bewegungen. Auch hier geht es um einen Zauberer, der sich um eine schöne junge Frau bemüht. Anklänge an Holsts Tondichtigung „Die Planeten“ waren hier deutlich erkennbar.  „Baba Yaga“ von Anatoli Ljadow (Bearbeitung: Andreas N. Tarkmann) besaß dämonische Größe und rasante chromatische Passagen, die atemlos vorüberhetzten. Tuba und Fagott musizierten gemeinsam unheimlich klingende Sequenzen und Passagen. Die umsichtige Dirigentin Yi-Chen Lin hatte alles fest im Griff. Zum Abschluss begeisterte noch „Eine Nacht auf dem kahlen Berge“ von Modest Mussorgsky Leitmotivische Gedanken und lautmalerische Spiele erreichten dabei wahre Siedegrade, man meinte, gellendes Hohngelächter des Satans und der Hexen zu vernehmen. Der Hexensabbat geriet so zum unglaublichen Höhepunkt mit heftigen Staccato-Attacken. Und der Magier Alexander Straub führte amüsant-charmant durchs Programm.

Aus dem Beethovensaal der Liederhalle wurde dann ein klanglich hervorragendes Konzert mit dem SWR Symphonieorchester unter der inspirierenden Leitung von Ingo Metzmacher übertragen. Zunächst boten die Streicher des SWR Symphonieorchesters bei Bela Bartoks suggestiver Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta SZ 106 eine überwältigende Leistung. Vor allem die exzellente Fugenentwicklung stach hier präzis hervor und wurde von Ingo Metzmacher und dem SWR Symphonieorchester sehr gut erfasst. Dieses Werk entstand im Jahre 1936 und ist dem Basler Kammerorchester und seinem Leiter Paul Sacher gewidmet. Der formale Aufriss folgt zwar strenger Logik, ist aber höchst kompliziert. Ingo Metzmacher gelang es bei seiner Wiedergabe in jedem Fall, das konzentrierte thematische Geflecht zu entwirren. Dass der erste Satz aus nur einem Thema besteht, wurde sofort deutlich. Und die harmonische Entwicklung verlief höchst organisch. Sehr leise und mystisch hoben die vier Takte an – und geheimnisvoll verlief die Entwicklung der großartig gesteigerten Fuge. So wuchs das Stimmengewebe gleichmäßig nach oben und nach unten in die Breite. Becken- und Paukenklang gipfelten im Höhepunkt eines packenden Paukenschlags. Auch die Umkehrung des Themas in seinen raffinierten Verkürzungen ließ an klanglicher Intensität nichts zu wünschen übrig. Beim anschließenden Allegro des zweiten Satzes packte dann der rasante Rhythmus die Zuhörer bei dieser Wiedergabe ganz unmittelbar. Neben den tänzerischen Passagen verblüfften dabei vor allem die Kühnheiten der Harmonik. Nach der Durchführung meldete sich der robuste Rhythmus des Sonatenthemas. Eine geradezu draufgängerische Coda beendete den Satz. Im Adagio beschworen gespenstische Pauken-Glissandi eine beklemmende dämonische Stimmung. Bratschen und Celli zelebrierten dann das Fugenthema. Im Silberklang der Celesta ließen die Geigen eine leidenschaftliche Gesangsmelodie erklingen. Celesta, Harfe und Klavier erschienen in auf- und niederwogenden Klängen.  Federnde Akkordschlänge beherrschten den fast rondohaft-atemlos musizierten Schluss-Satz, der immer schneller dahinstürmte. In diatonischer Fassung breitete sich nochmals das Fugenthema des ersten Satzes aus. Eine lebhafte Coda bildete den wirkungsvollen Abschluss. Nicht weniger überzeugend war zuletzt die mit gewaltigen Crescendo-Steigerungen nur so gesprickte Grand Pianola Music für zwei Klaviere, Kammerorchester und drei Frauenstimmen von John Adams. Das ausgezeichnete GrauSchumacher Piano Duo sowie Johanna Zimmer (Sopran), Susanne Leitz-Lorey (Sopran) und Truike van der Poel (Mezzosopran) von den Neuen Vocalsolisten Stuttgart und das vorzügliche SWR Symphonieorchester unter der kompetenten Leitung von Ingo Metzmacher machten die dynamische Entwicklung dieser zuweilen an Philip Glass erinnernden Komposition deutlich. Doch John Adams gelingt es hier, eine eigenständige musikalische Sprache zu schaffen. Klavierklänge klingen dabei wie geheimnisvolle Regentropfen. Und auch Cluster-Effekte bereichern diese zuweilen sphärenhaft wirkende Harmonik immer wieder. Da schrauben sich Klangflächen in imponierender Weise in die Höhe. Adams wollte hier auch Träume des Unterbewusstseins darstellen. Neben langsamen Triaden verblüffen zudem die Arpeggien der Klaviere. Ein langsamer harmonischer Rhythmus würzt die minimalistische Struktur dieser klanglich höchst konzentrierten Musik.   

Alexander Walther

 

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