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WIEN/ Staatsoper: LOHENGRIN öder „Herr Gergiev lässt auf sich warten“

Wieder eine Ansage

18.01.2020 | Oper


Cornelia Beskow (Elsa). Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

16.1.2020 – LOHENGRIN

„Wenn einer Pech hat, hat er Pech – sogar im Glück“ – singt der jüdische Humorist Armin Berg in einem seiner Couplets, und von solchem ist wohl zu reden, wenn auch die dritte Vorstellung dieser Serie von Wagners romantischer Oper mit einer Ansage beginnt. Diesmal galt sie dem Dirigenten, der aus nicht näher angegebenen Gründen erst mit einer Viertelstunde Verspätung ans Pult trat (bei der letzten Parsifal-Vorstellung im vergangenen April war es gleich eine halbe) und dafür von einem Teil des Publikums mit Buhs in Empfang genommen wurde. Valery Gergiev bewies, dass er wohl nicht ganz zu Unrecht den Ruf einer etwas polarisierenden Persönlichkeit genießt und setzte, noch während die positiven und negativen Akklamationen im Saal in Gange waren, das Vorspiel zum ersten Aufzug in Gang – dessen ppp  dank Gergiev´s Interpretation durch die anfänglichen Nebengeräusche nicht so sehr beeinträchtigt schien, legt er doch den „esoterischen Teil“ der Partitur eher zügig und nüchtern an und lässt wenig silbrig schwebenden Streicherklang zu. Überhaupt war der Rezensent vom Parsifal der letzten Saison insgesamt mehr überzeugt und konnte vor allem mit manchen Tempi (z.B. gelegentlicher Fast-Stillstand in der ersten Szene des 2. Aufzugs, dafür ein verhetztes Vorspiel zum 3. Aufzug) nicht so viel anfangen. Summa summarum nicht unbedingt eine problematische Sicht, vor allem ja: durchgehend eine souveräne Organisation des komplexen Gesamtgeschehens, aber auch keine Deutung, die man sich merken wird.

Eher auffällig ist dafür die an anderer Stelle bereits hinlänglich beschriebene „Schlag“technik, mit welcher der russische Maestro mit den ständig in Bewegung befindlichen Fingern seiner rechten Hand aus den Sängern und Musikern ihre Äußerungen quasi heraus kitzelt (man würde zu gerne einen der Musiker fragen, auf Grund welcher Kriterien sie welche Informationen aus dieser filigranen Gestik heraus lesen). Und es ist beachtlich, dass der gesamte aufgebotene „Apparat“ aus Orchester, Chor und Extrachor (in diesem Werk Wagners eigentlich einer der Hauptdarsteller – Leitung: Thomas Lang), Bühnenorchester, Ballettakademie und Komparserie anscheinend durchaus finden, was sie/er braucht, um ihre/seine Aufgabe auf dem erwarteten Niveau zu erfüllen.


Piotr Beczala als Lohengrin. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Damit waren die Voraussetzungen an sich erfüllt, damit Piotr Beczaƚa sich erstmals wirklich  „unbeeinträcht“ in Wien als Schwanenritter vorstellen konnte. Und er tat dies in nachdrücklichster Weise, mit im Kern lyrischer, technisch äußerst kontrolliert eingesetzter Stimme. Im ersten Aufzug (wo es noch vorrangig um Kampf und Ehrenrettung geht) setzt er sie eher geradlinig ein – man weiß von ihm auch aus anderen Partien, dass es ein kleines Weilchen braucht, bis er die Höhe frei strömen lassen kann. Je mehr es aber im zweiten und vor allem dritten Aufzug um seine Beziehung zu Elsa geht, mischt er italienischen Schmelz in seine Interpretation und erzielt damit eine vornehme und doch emotionale Gesamtwirkung, die spätestens in den Pianissimi der Gralserzählung für Gänsehaut sorgt. Dass seine Stimme nicht so groß ist, wie das Dirigat aus dem Graben vorauszusetzen scheint, stört nicht wirklich. Da der sympathische Pole zudem noch ein völlig akzentfreies Deutsch zu artikulieren im Stande ist, hat er das Potential, sich als einer der großen Interpreten des Lohengrin der Operngeschichte einzuprägen – wenn, ja wenn er der Versuchung widersteht, von hier aus den Angeboten nach „härteren Brocken“ des Fachs, die man nun zweifellos an ihn herantragen wird, zu widerstehen.

Als Elsa stellte sich in der Serie die schwedische Sopranistin Cornelia Beskow vor, die mit satter, kerniger Mittellage und fraulich-selbstbewusstem Spiel die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Vor allem im zweiten Aufzug war hörbar, dass hier große Möglichkeiten sind, im dritten Aufzug aber, wo sowohl größere Geläufigkeit als auch dramatische Kraft in der Höhe gefordert sind, zeigte sich deutlich, dass die Künstlerin technisch noch nicht ganz ausgereift ist, und man liest mit einiger Besorgnis in ihrer Vita, dass hier bereits von Sieglinde und Chrysothemis die Rede ist, wo der nachhaltigen Entwicklung der Karriere zuliebe vielleicht noch ein paar „Runden“ als Gutrune, Agathe oder auch als Figaro Gräfin gut täten.

Ganz ohne Einschränkungen Positives zu berichten ist vom lettischen Bassbariton Egils Silinš, der als prägnanter, viriler und zudem noch präzise artikulierender Telramud für Spannung sorgte – gerade im Vergleich zu den Besetzungen der Rolle der letzten Saisonen eine herausragende Leistung. Ihm zur Seite war Linda Watson eine in der Erscheinung dominante, im Gesang auf Differenzierung bedachte Ortrud, die vor allem dort, wo sie sich zurücknahm, um zu schmeicheln und zu heucheln, ihre Möglichkeiten gut nutzen konnte, während in der aggressiven Attacke doch die Schärfen ziemlich deutlich waren. So hatte man sich von den „Entweihten Göttern“ oder vom „Duell“ vor dem Münster gerade von ihr doch mehr erwartet und kam diesbezüglich erst im Finale (da dafür aber restlos) auf seine „hochdramatische“ Rechnung.


Ain Anger (König Heinrich). Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Ain Anger, der König Heinrich den Vogler gestaltete, hat im Wald als Bewacher des Nibelungenschatzes schon bessere Tage gesehen, irgendwie wirkte sein sonst so sonorer, dunkler Bass angestrengt, zudem unsauber in Intonation und Artikulation. Dafür fiel Boaz Daniel als Heerrufer durch stimmlich auch untermauertes energisches Auftreten und durch Wortdeutlichkeit positiv auf. Er hätte so auch in einer frühmittelalterlichen Uniform gute Figur gemacht.

Das Publikum war anscheinend nicht zur Gänze mit adäquaten Erwartungen erschienen, blieben doch in der ohnehin nicht ausverkauften Vorstellung nach beiden Pausen jeweils weitere Steh- und Sitzplätze leer. Über die Ursache dafür kann man nur Vermutungen anstellen. Freilich, die Inszenierung von Andreas Homoki hat ihre stärksten Momente wohl im ersten Aufzug, aber das können diejenigen, die danach das Weite suchen, ja (noch) nicht wissen. Denn die Tatsache, dass die Szenerie danach durch ihre einfallslose Festschreibung in der bayrischen Gaststube dann von Szene zu Szene unplausibler wird, bleibt ihnen ja verborgen. 

Valentino Hribernig-Körber

 

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