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CD PIERANTONIO TASCA: A SANTA LUCIA – Oper in zwei Akten; Gemeinschaftsproduktion des Anhaltischen Theaters Dessau und Deutschlandfunk Kultur, cpo

26.10.2019 | cd

CD PIERANTONIO TASCA: A SANTA LUCIA – Oper in zwei Akten; Gemeinschaftsproduktion des Anhaltischen Theaters Dessau und Deutschlandfunk Kultur, cpo

„Veder Napoli e morir“  Eingangschor 1. Akt

Pietro Mascagnis Riesenerfolg mit dem Verismoreißer „Cavalleria rusticana“ zog unweigerlich Nachahmer auf den Plan. Dieser Einakter über die sizilianische Bauernehre, als Gewinner eines Kompositionswettbewerbs des Verlegers Edoardo Sonzogno 1889 gekürt, inspirierte u.a. den neapolitanischen Theaterdichter Enrico Golisciani zu dem Libretto „A Santa Lucia“ nach dem gleichnamigen Schauspiel von Gofffredo Cognetti. Dieser Golisciani sprach den jungen neapolitanischen Komponisten Baron Pierantonio Tasca (für den er schon das Libretto zu dessen erster Oper „Bianca“ verfasst hat) und gleich auch die mitreissende Sängerin der Uraufführungs-Santuzza Gemma Bellincioni an. Der Anfang zu einer  vor allem in Deutschland beliebten Oper war getan.

Wie in der Cavalleria geht es in „A Santa Lucia“ und die äußerst operntaugliche Kombination menschliche Leidenschaften, Eifersucht und Tod – der Idee des Naturalismus entsprechend unter armen Leuten. Dieses Drama spielt sich nicht in einem namenlosen sizilianischen Dorf, sondern im bunten Straßenleben Neapels ab. Genauer in der „Via Santa Lucia“, wo unsere Protagonisten ihr letales Spiel treiben. Der Rahmen der Oper ist rasch skizziert: Der Fischer Ciccillo hat ein Kind mit der Bettlerin Rosella, ist aber mit Maria verlobt. Als der tenorale Heißsporn für ein Jahr auf einem Schiff anheuert, nimmt Totonno, des Fischers Vater und Austernhändler, Rosella samt ihrem Kind bei sich auf, ohne auch nur zu ahnen, dass sein Sohn der Vater des kleinen Mädchens ist. Totonno verliebt sich in Rosella und beabsichtigt sie zu heiraten, ein ideale Gelegenheit für die Intrige der eifersüchtigen Maria. Den ungeprüften Tratsch nimmt Ciccillo bei seiner Heimkehr zum Anlass, die treue Rosella von sich zu stoßen. In ihrer Verzweiflung stürzt sie sich ins Meer, er kann sie aus den Fluten retten, doch sie stirbt in seinen Armen. Fine.

Ein Kuriosum: Die italienische Oper „A Santa Lucia“ wurde am 16. November 1892 in der Kroll Oper Berlin uraufgeführt. Da die Diva Bellincioni und ihre Mann Stagno auf Auslandstournee weilten (ja singende Ehepaare gab es schon damals), setzte die Sängerin das im Verismo-Rausch schwebende Berlin als Uraufführungsort durch. Regie führte der Komponist selbst, angeblich tatkräftig unterstützt von der Bellincioni. Die Oper feierte einen durchschlagenden Erfolg und die Sängerin ging damit überall „hausieren.“ In Hamburg dirigierte ein gewisser Gustav Mahler die Oper…..

Die Musik der ca. 70 Minuten langen Oper ist neapolitanisch volkstümlich und zitatenreich, mehr eine detailversessene musikalische Postkarte Neapels denn ein zugkräftiges Musikdrama. In der Uraufführungsbesprechung der Vossischen Zeitung war von einer „melodiefrischen und warmblütigen Musik“ und einer erschütternden Sterbeszene die Rede. Der deutsche Journalist Ferdinand Pfohl wiederum sah 18994 zwar keine Neuheiten, die Musik würde aber nicht „durch Trivialitäten und musikalisch-naturalistische Greuel einem gebildeten Ohr Verdruss bereiten.“

Die Aufnahme wurde mit den Kräften des Anhaltischen Theaters Dessau, also der Anhaltischen Philharmonie Dessau, dem Opernchor und Kinderchor des Anhaltischen Theaters Dessau unter der anfeuernden musikalischen Leitung von Markus L. Frank realisiert. Die künstlerische Qualität ist als gediegen zu bezeichnen. Gleich zu Beginn wackelt es jedoch rhythmisch im Gebälk, der allzu vibratoreiche Chor übt sich da in authentisch neapolitanischem Ausdruck. 

Die Sängerriege mit Ray M. Wade (Ciccillo), Jordanka Derilova (Rosella), Cornelia Marschall (Concettina), Ulf Paulsen (Totonno), Rita Kapfhammer (Maria), Cezary Rotkiewicz (Tore) und David Ameln (Stimme eines Fischers) reüssiert als engagiertes Ensemble mit vollem Einsatz und dramatisch veristischem Flair. Fazit: Eine Aufnahme zum Kennenlernen einer durchaus interessanten und handwerklich gut gemachten Partitur  mit spannendem Deutschland-Bezug aus einer der vielen vergessenen Opern des italienischen Verismo.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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