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CD-Box BERHARD HAITINK- PORTRÄT zum 90. Geburtstag des Dirigenten

Live-Aufnahmen mit dem Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, BR Klassik

01.02.2019 | cd

CD-Box BERHARD HAITINK-  PORTRÄT zum 90. Geburtstag des Dirigenten; Live-Aufnahmen mit dem Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, BR Klassik

 

Mit den nun edierten 11 CDs soll nicht nur ein stolzer runder Geburtstag gefeiert werden, sondern sie sind auch eine Ehrenbezeugung für die – unglaublich aber wahr – 60-jährige Zusammenarbeit von Bernhard Haitink mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Er dirigierte das edle Ensemble zum ersten Mal aus Anlass eines Abonnementkonzerts im April 1958. Schon 1956 debütierte Haitink beim Concertgebouw Orkest – das er von 1961 bis 1988 leitete, davon die ersten Jahre gemeinsam mit Eugen Jochum. Mit dem Klangkörper aus Amsterdam verbindet ihn daher ebenfalls eine lange und fruchtbare künstlerische Zusammenarbeit.

 

Für mich persönlich sind die Anfänge meiner symphonischen Bildung und meine Begeisterung für Bruckner und Mahler untrennbar mit dem Namen Bernhard Haitink verbunden. Die frühe Haitink Mahler-Box mit dem Concertgebouw Orkest zählt zu meinen ersten Schallplattenschätzen überhaupt. Seine Bruckner Symphonien, ebenfalls mit dem Concertgebouw, die damals beim ‚Buchclub Donauland‘ im Monatsabstand einzeln herausgekommen sind, habe ich  mir als Jugendlicher vom Taschengeld abgespart. Was für eine sinnvolle Investition, kann ich heute nur sagen.

 

Auf der vorliegenden Box kann auf klanglich sehr guten Live-Mitschnitten der Jahre 2005 bis 2017 aus der Philharmonie am Gasteig Haitinks Geschick für organisch geatmete Phrasierung und Balance, sein Sinn für eine singulär spannende Temporegie, smoothe Übergänge, leuchtende Spiritualität und aus innen wachsenden Steigerungen, grosso modo das Erfolgsgeheimnis seiner maßstabsetzenden Interpretationen des hoch- und spätromantischen Repertoires (Bruckner Fünfte und Sechste sowie Mahlers Dritte, Vierte und Neunte Symphonie) nachgeprüft werden. Die entsprechenden Leistungen Haitinks sind ausreichend bekannt und auf Tonträgern dokumentiert.

 

Nicht jede/r hingegen dürfte wissen, welches schlafwandlerisch sichere Gespür der magisch seine Überzeugungen vermittelnde Musiker Haitink (keiner weiß genau wie er das macht) für große Chor- und Orchesterwerke entwickeln konnte. In der Box finden sich dankenswerterweise drei stupende Beispiele dafür: die erste Haitink-Aufnahme von „Missa solemnis“ Ludwig van Beethovens vom September 2014 mit dem großkalibrigen Solistenquartett Genia Kühmeier, Elisabeth Kulman, Mark Padmore und Hanno Müller-Brachmann (die Aufnahme ist eine der besten auf dem Markt).  Weiters sind zwei in ihrer rhetorischen Plastizität  kaum egalisierbare Modellaufführungen der großen Haydn-Oratorien „Die Jahreszeiten“ (Julie Kaufmann, Herbert Lippert, Alan Titus) und „Die Schöpfung“ (Camilla Tilling, Mark Padmore, Hanno Müller-Brachmann) aus den Jahren 1997 und 2013 zu bewundern. Natürlich ist  vokal nicht alles perfekt, dafür geraten die Spannungsbögen atemberaubend und Einzelleistungen wie von Lippert sind pures Glück.

 

Die Chor- Orchesterkonzerte fanden jeweils im Herkulessaal der Residenz statt. „Weniger ist Mehr. Die Kunst des Dirigierens ist auch ein bisschen die Kunst des Weglassens“ meinte Bernhard Haitink über seinen Beruf im BR-Porträt von Volkmar Fischer. Und so hat der Hörer  den Eindruck einer drucklos erreichten Souveränität, eines organisch gelebten Zueinander und selbstverständlichen Ineinandergreifens von glühender Dramatik und metaphysischeren, leiseren Tönen. 

 

Der Chor des Bayerischen Rundfunks als auch das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks sind bekanntlich Weltspitze, was hier wieder einmal eindringlich demonstriert wird. Bei einem Dirigenten wie Bernhard Haitink rücken die Künstler auch mit dem gewissen Extra heraus, das musikalisch Außerordentliches von bloß virtuosem Glanz und Gloria unterscheidet. Haitink weiß wie jeder ganz Große sowieso beides zu mobilisieren, wenn er will. Wir erlauben uns, dem Maestro in aller Bescheidenheit und in großer Dankbarkeit zu gratulieren und hoffen, dass weitere seiner Konzertaufnahmen aus den BR-Archiven einem interessierten Publikum zugänglich gemacht werden.

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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