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KARLSRUHE/ Badisches Staatstheater: ANNA BOLENA. Premiere

04.06.2018 | Oper

Karlsruhe: ANNA BOLENA  3.6. 2018 Premiere

Donizetti hat mit Anna Bolena und Maria Stuarda einen fast eigenen Operntyp  der romantischen englischen Königinnen-Opern geschaffen, der im 20.Jahrhundert nur auf Wunsch der entsprechenden Primadonnen wieder in den Spielplan genommen wurde. Karlsruhe besitzt eine solche Primadonna in Kammersängerin Ina Schlingensiepen, die mit einzigartiger Bravour die Vorläuferin von Maria Stuart sang und das Karlsruher Publikum zu wahren Beifallsstürmen hinriß.

Die  Inszenierung stellte aber nicht nur auf die Primadonna ab. Auch die Rivalin Giovanna Seymour kam bestens zur Geltung. Auch konnte die Regisseurin Irina Brown das Einfädeln der Intrige gegen Anna nachdrücklich sichtbar machen. Diese hat dann sehr bald,  nachdem sie bei Heinrich XIII. durchgefallen war, überhaupt keine Chance mehr, sich zu verteidigen. In dem Prozeß kommt es nur noch darauf an, „Beweise“ gegen Anna vorzubringen, die sich leicht herstellen lassen, wenn ihr Bruder Rocheford und  ihr voriger Mann Lord Percy an den Hof zurückkehren und bespitzelt werden. Außerdem gibt es da noch Königin Annas Pagen und Hofmusiker Smeton, dem sie zugetan scheint.

Um diese vielfältigen Machenschaften ins Bild zu setzen, kann Brown auf den Bühnenbildner Dick Bird zählen, der, ebenfalls Brite, einen die Bühne beherrschenden Palast baut, der wuchtig und gleichzeitig  modern ist mit sich automatisch öffnenden und schließenden Portalen und einer Obergalerie.Meist ist er.bullig, geschlossen wirkend und  in rötliches Licht getaucht. Die vielteiligen bunten Roben für die Königin, für Giovanna Seymor und die anderen Hofdamen sind im Renaissancestil mit großem Gusto gehalten: Moritz Junge. Am Ende sieht man Anna auf einem eingefahrenen Diagonalsteg zum ‚Patibolo’ hochschreiten.

Die Staatskapelle unter Daniele Squeo gibt sich von Beginn an ganz schmissig und ist äußerst spielfreudig aufgelegt. Besonders Ende des 1.Aktes, wo auch die Entscheidung über das Schicksal Annas schon fällt, ergeben sich so nie gehörte musikalische Steigerungen mit Gänsehauteffekt. Auch die Chöre unter Ulrich Wagner agieren gesanglich spannend, dabei sehr action-reich.

 

Cameron Baker, fast im Harlekinkostüm, singt den Hervey, tenoralen Beamten des Königs. Mit großem, teilweise furiosem Alt gestaltet Dilara  Bastar den feschen Pagen Smeton. Lord Rocheford ist mit herbem Bariton Yang Xu besetzt. Eleazar Rodriguez kann einen kompletten ‚Tenore di grazia’ (Gnade) als Percy zum Einsatz bringen. Fast süßlich timbriert ergeht er sich in gewagtesten Phrasen. Den König, der sich szenisch öfter abrupt entzieht, singt Nicholas Brownlee mit einem starken und wuchtigem dabei schön tönendem Baß, manchmal übertreibt er aber zusammen mit Ewa Plonka fast mit der Lautstärke. Dieser könnte ein Stimmfachwechsel vom Mezzosopran zum Sopran bevorstehen: ein Wahnsinnsorgan mit toller Höhe kommt ihr zu, eine in jeder Hinsicht adäquate Rivalin mit diamantenem Timbre.

Ina Schlingensiepen kann dagegen häufig durch elastische Klangverfärbungen ihres Soprans punkten, ein so abwechslungsreiches pointiertes Koloratursingen erlebt man nachgerade selten. Dabei meistert sie jede Schwierigkeit und kann sogar nach 3 ½ Stunden Belcanto zum Schluß einen super angesungenen langgehaltenen Spitzenton generieren!

Friedeon Rosén

 

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