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Thomas TATZL: „Bei Mozart kann man nicht mogeln!“

17.12.2017 | Sänger

Thomas Tatzl: Bei Mozart kann man nicht mogeln!

(Dezember 2017 / Renate Publig)

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Thomas Tatzl © Eternal Moments

 Drei Wochen vor seinem Debüt an der Wiener Staatsoper nahm sich der Bassbariton Thomas Tatzl Zeit für ein öffentliches Künstlergespräch beim Online-Merker. Der sympathische Sänger, der in der Steiermark geboren wurde, sprach über seine bisherige Laufbahn, über Zukunftspläne sowie über seine Verbindung zu den Werken Wolfgang Amadeus Mozarts. Die Partie des Papageno, mit der Tatzl an der Wiener Staatsoper debütiert, sang er erst kürzlich in Turin, wo Kritiker sich lobend über seine darstellerischen sowie stimmlichen Qualitäten äußerten; konkret über die dunkel-timbrierte Stimme, ein ungewöhnliches Volumen und einen differenzierten Detail-Vortrag.

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Thomas Tatzl beim „Online-Merker“. Copyright: Barbara Zeininger

Herr Tatzl, am 22. Dezember feiern Sie Ihr Debüt an der Wiener Staatsoper, als Papageno in Mozarts Zauberflöte. Was bedeutet das Debüt für Sie?

 

Dieses Debüt ist für mich etwas ganz Besonderes, in diesem Haus ging ich in meiner Studienzeit aus und ein! Vor meinem Studium in Graz habe ich mich noch nicht wirklich mit klassischer Musik beschäftigt. Als ich nach Wien zog, besuchte ich jedoch mehrmals in der Woche die Opernaufführungen. Und ich bewunderte die Sänger, die jene Rollen so hervorragend sangen, von denen ich damals noch träumte! Nun werde ich selbst auf dieser Bühne stehen – ein unbeschreibliches Gefühl.

 

Ihr Kalender enthält eine große Anzahl an Auftritten in Opern von Mozart, den viele als Heilmittel für die Stimme bezeichnen, gleichzeitig aber auch als nicht ganz einfach, weil man bei Mozart nichts beschönigen kann?

 

Beides ist richtig. Bei Mozart kann man nicht mogeln, man hört jede kleinste Unsauberkeit. Was jedoch einen Vorteil hat, bedeutet es doch, dass man immer an der Gesangstechnik arbeiten muss. Schon im Studium und in meinen ersten Engagements sang ich Mozartpartien. Für meine Stimme eine gute Wahl!

 

und Ihr Mozart-Repertoire ist beachtlich!

 

Mittlerweile umfasst es wirklich fast alles, was dieser Komponist für meine Stimmlage komponiert hat – und für Bassbariton hat Mozart sehr viele wunderbare Partien geschaffen! In „Le Nozze“ singe ich sowohl die Partie des Figaro als auch die des Grafen, in „Così fan tutte“ Guglielmo, in „Don Giovanni“ die Titelpartie, den Leporello und den Masetto. Und natürlich den Papageno in der „Zauberflöte“.

 

Die Zauberflöte ist an vielfältigen Deutungsmöglichkeiten kaum zu überbieten. In dieser Traum-Märchenwelt will mir Papageno als einziger echter Mensch erscheinen. Wer ist dieser Papageno für Sie?

 

Das sehe ich auch so! Diese Partie enthält eine große Bandbreite an Gefühlen und an Ausdrucksmöglichkeiten. Es wäre schade den Papageno einseitig darzustellen!

 

In wieweit hat man vor allem als junger Sänger die Möglichkeit, bei der Gestaltung der Rolle mitzusprechen?

 

Es hängt davon ab, ob ich in einer Neuinszenierung mitwirke oder ob es sich wie hier in Wien um eine bereits bestehende Produktion handelt. Wenn eine Interpretation von der Partie überhaupt nicht meiner Vorstellung entspricht, versuche ich meine Ideen einzubringen. Auf die Inszenierung an der Wiener Staatsoper bin ich schon sehr neugierig!

 

Doch Sie singen natürlich nicht nur Mozart, sondern beispielsweise auch Verdi.

 

Anders als Mozart hat Verdi entweder für Bariton oder für Bass komponiert. In Italien wurde mir die Rolle von Ford in „Falstaff“ angeboten. Ich wollte mich der Herausforderung stellen und herausfinden ob sich meine Stimme für Verdi eignet. Es war eine wunderbare Erfahrung für mich, die mir stimmlich sehr viel gebracht hat. Ab diesem Zeitpunkt wusste ich, dass eine höhere Partie kein Problem darstellt. Die Rückmeldungen waren so positiv, dass ich gleich das Angebot für den Grafen in „Le Nozze di Figaro“ bekam.

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Einige der Besucher in der Online-Galerie beim Künstlergespräch. Ganz rechts Thomas Tatzl (sichtbar nur der Hinterkopf) und Gesprächsleiterin Renate Publig (halbverdeckt). Copyright: Barbara Zeininger

 

Um zu Ihren Anfängen zu gehen wie kamen Sie zum klassischen Gesang?

 

Ursprünglich galt meine Leidenschaft der Popmusik, ich sang und spielte Klavier in Bands. Dann wurde an verschiedenen Schulen ein Casting veranstaltet, für eine Musical-Produktion von „Elisabeth“ in Bruck an der Mur. Daran nahm ich teil – und ich durfte den Kronprinz Rudolf singen. So machte ich im Alter von 16 meine erste Bühnenerfahrung! Diese Produktion – im Prinzip die Inszenierung von Wien – war so erfolgreich, dass sie wiederholt wurde. In der zweiten Serie sprach mich meine spätere Gesangslehrerin, Sigrid Rennert, an. Sie meinte, wenn ich Unterricht nähme, wäre vielleicht „was drin in der Stimme“. Ich wurde neugierig und begann tatsächlich, bei ihr Gesangsstunden zu nehmen.

 

Mussten Sie den Pop-Gesang aufgeben?

Zunächst sang ich beides noch parallel, doch bald riet mir meine Lehrerin, Gesang zu studieren und mich auf klassische Musik zu konzentrieren. Zu der Zeit wollte ich mich noch nicht festlegen, sondern einen anderen Weg einschlagen. So studierte ich BWL, stellte jedoch rasch fest, dass das nicht meine Welt war. Bevor ich endgültig wechselte, hörte ich mir in Graz eine Vorlesung an, Tonsatz, das fand ich interessant – also beschloss ich, die Aufnahmeprüfung zu machen. Und ich wurde genommen! Mein Vater meinte damals dazu: „Mach, was du willst, aber mach’s fertig!“

 

Natürlich träumt jeder Gesangsstudent von der großen Karriere wann war Ihnen klar, dass Ihr Traum wirklich in Erfüllung geht? Gibt es dazu ein Schlüsselerlebnis?

 

Es gab tatsächlich einen bestimmten Tag in meinem Leben: 2007 nahm ich in Baden an einem Wettbewerb für Operette und Wiener Lied teil, wo mich der Casting-Direktor des Zürcher Opernhauses hörte und sofort nach Zürich ins IOS (internationale Opernstudio) einlud. Doch damals hatte ich in Wien einen Gesangslehrer, Karlheinz Hanser, mit dem ich gut zusammenarbeitete, nach Zürich zu wechseln war noch nicht stimmig. Ein Jahr später war ich bereit, und ich erhielt auch die Gelegenheit, bei Alexander Pereira vorzusingen. Ich wählte eine der Papageno-Arien, „Ein Mädchen oder Weibchen“. Pereira wollte auch die nächste Arie hören, also sang ich „Vogelfänger“, und als er schließlich noch die dritte Arie und Figaro hören wollte, begann ich zu realisieren, dass er wirklich an meiner Stimme interessiert war. Er bot mir einen Zwei-Jahres-Vertrag an. Zudem sollte ich auch Ivor Bolton vorsingen, der mich darauf für Salzburg engagierte. Dieser eine Tag bedeutet wirklich eine Wende in meiner Karriere!

 

Sie sind auch im Konzertfach sehr erfolgreich?

 

Das Konzertfach ist mir sehr wichtig, beispielsweise die Matthäuspassion von Bach, und ich singe auch gerne Lieder, 2013 hatte ich meinen ersten Auftritt bei der Schubertiade Hohenems! Diese Vielfalt ist für die Stimme sehr förderlich. Die Konzertpartien sind für einen reinen Bariton oft zu tief, für mich als Bassbariton passen sie jedoch perfekt. Mir ist es wichtig eine Palette an Möglichkeiten zu haben, mich gesanglich auszudrücken, sowohl Oper als auch Konzertfach, ich möchte mich nicht spezialisieren. Für mich ist die Hauptsache … Singen! (lacht)

 

Wie geht es Ihnen, wenn Sie wie hier beim Künstlergespräch eine Aufnahme Ihrer Stimme hören?

 

Ich höre mich eigentlich nicht gerne, denn man kann den Kritiker im Hirn nicht ausschalten. Oft denke ich, dieses und jenes würde ich heute besser oder anders machen! Natürlich freut es mich, wenn etwas gelungen ist, das erkenne ich jedoch selten an.

 

Ihr Repertoire ist sehr umfassend von Haydn über Strauss (sowohl Richard als auch Johann) bis zu Verdi, auch Zeitgenössisches ist am Programm. Eine wohlüberlegte Planung ist essentiell für eine langfristige Karriere wie treffen Sie Ihre Entscheidungen, ein Angebot anzunehmen oder abzulehnen?

 

Früher habe ich mich mit meinem Gesangslehrer beraten, heute spreche ich mit meinem Pianisten, mit dem ich Rollen einstudiere. Natürlich entwickelt man selbst ein Gefühl, welche Partie richtig ist und was vielleicht erst in ein paar Jahren besser wäre.

 

2015 wirkten Sie in der Uraufführung von El Publico mit, einer Oper von Mauricio Sotelo. Sie mussten nicht nur spanisch singen, sondern auch sprechen und das in Madrid!

 

Ich war gerade in Köln, als die Anfrage aus Madrid kam, ob ich in „El Publico“, einer Oper über Federico García Lorca mitwirken wolle. Ich entschied mich, das Angebot anzunehmen und organisierte noch in Köln jemandem, der mir mit an der Aussprache arbeitete, auch während der Proben feilte ich noch am spanischen Akzent.

 

Und wie ging es Ihnen mit der Tonsprache?

 

Das war zunächst eine Herausforderung. 2011 sang ich in Zürich die Uraufführung der „Stadt der Blinden“, eine Oper von Anno Schreier, dessen Tonsprache sich jedoch sehr stark von der von Mauricio Sotelo unterscheidet. Doch mit der Zeit findet man hinein! In der Produktion spielte das Klangforum Wien, die auf zeitgenössische Musik spezialisiert sind, das hilft auch den Darstellern.

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Thomas Tatzl. Copyright: Barbara Zeininger

 

Sie singen auch nach wie vor Popmusik?

 

Das ist nach wie vor meine Leidenschaft, diese Musik gehört zu mir. Und zwischen den Musikstilen zu wechseln ist einfach eine Frage des Körpers! Beim klassischen Gesang ist der ganze Körper mein Instrument, in der Popmusik lasse ich sozusagen „den Körper weg“. Ganz einfach! (lacht)

 

Viele junge Sänger erzählen vom dichten Terminkalender gibt es so etwas wie freie Zeit, und wenn ja, was machen Sie gerne, wenn nicht Musik am Programm steht?

 

Nach einem Auftritt braucht es seine Zeit, um wieder „herunterzukommen“, in meiner Freizeit geht es auch darum, den Alltag ein wenig hinter sich zu lassen. Ein bisschen Sport betreiben, Freunde treffen, die Familie besuchen – ich genieße das Gefühl, daheim zu sein. Ich bin gerne in Kärnten am Wörthersee, im Salzkammergut – überhaupt erkunde ich gerne Österreich!

 

Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?

 

Demnächst singe ich an der Bayerischen Staatsoper in München den Harlekin in „Ariadne auf Naxos“ von Richard Strauss. Später folgt ein szenisches Projekt mit der „Schöpfung“ von Joseph Haydn, eine Tour über New York, Paris und Spanien. Danach singe ich in Peking wieder den Papageno, 2019 folgt dann mein Debüt an der Mailänder Scala.

 

Herr Tatzl, danke für das Gespräch und viel Erfolg für ihr Staatsoperndebüt und Ihre weitere Gesangskarriere!

 

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