14 CD Box „MUSICA IMPERIALIS“: Martin Haselböck und die Wiener Akademie in ausgewählten Aufnahmen von 1988 bis 1999; erste Publikation aus der neuen „Resound“-Serie des Labels Aparte
Johann Joseph Fux an den Kaiser: „Majestät hätten Kapellmeister werden sollen.“ Der Kaiser: „Hab‘s besser so!“
Veröffentlichung: 17.12.2021
Österreichische Herrscher und die Musik, darum geht es hier. Ein fruchtbares Kapitel allemal. Die imperiale Glorie der Habsburger schloss nämlich in einer einzigartigen Art und Weise auch die Musik mit ein. Im Wiener Hochbarock kann das österreichische Kaiserhaus mit Ferdinand III., dem musikbesessenen Leopold I. und Joseph I. sogar drei grosso modo in venezianischer Manier komponierende Kaiser vorweisen. Ob die drei vor allem im Bereich der geistlichen Musik zumindest beachtenswertes leistenden Persönlichkeiten mehr als Musiker oder als Regent taugten, sollen Historiker beurteilen.
Der fast schon fanatische Leopold I. subventionierte die Hofmusikkapelle mit jährlich 60.000 Gulden. Das soll der Legende nach mehr Geld gewesen sein, als die Türkenkriege verschlungen haben. Wie auch immer, die Hofkapelle spielte damals eine zentrale Rolle in der Kaiserstadt Wien. Sie wurde 1498 von Kaiser Maximilian per Dekret fix eingerichtet. Das Orchester bestand aus fünfzig fest bezahlten Musikern, deren Aufgabe darin bestand, zu den heiligen Messen in der Hofburgkapelle aufzuspielen, aber auch weltliche Feste des Hofes repräsentativ aufzupeppen. 1998 gab es zum Stichwort „Musica Imperialis“ das wichtige Jubiläum „500 Jahre Hofmusikkapelle in Wien“, das u.a. mit einer Ausstellung der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek samt Katalog gefeiert wurde.
Die Wiener Akademie wurde 1985 gegründet. Nach dem Motto „Resound“ wird versucht, bei allen aufgeführten Stücken Originalklang und Originalschauplatz (der Uraufführung) miteinander in Einklang zu bringen. Das heißt, die Konzerte finden mit derselben Zahl von Musikerinnen und Musikern und in jenen Räumen statt, in denen der Komponist selbst seine Musik aufgeführt hat. Orchesteraufstellungen, die Platzierung des Chores vor dem Orchester, sogar die Positionierung des Publikums soll mithelfen, die von der heutigen Musikpraxis doch sehr unterschiedlichen Aufführungsstile erlebbar zu machen.
Martin Haselböck startete seine musikalische Karriere 1976 als Organist an der Wiener Augustinerkirche, zwei Jahre später orgelte er zusätzlich in der Hofburgkapelle. In letzterer Funktion entdeckte Haselböck, der für das sonntägliche Hochamt der Wiener Sängerknaben zuständig war, in den Archiven jede Menge an geistlichen Werken von der Renaissance bis zur Spätromantik. Darunter fanden sich mehr als 200 unveröffentlichte Oratorien und Sepolcri, die als musikalischer Ersatz für die opernfreie Fastenzeit dienten.
Für die erste, nun erschienene Box, die der Musik der Habsburger gewidmet ist, hat Haselböck aus der großen Anzahl vorhandener Aufnahmen u.a. die Oratorien „La Deposizione dalla Croce“ und „Il Fonte della Salute“ von Johann Joseph Fux, dessen „Missa Corporis Christi“, Nicola Porporas Oratorium „Il Gedeone“, Wolfgang Amadeus Mozarts „Krönungsmesse“ und „Missa Solemnis“ sowie Antonio Salieris „Te Deum“ gewählt. Dazu gibt es speziell für Wien geschriebene Tafelmusiken und Werke der „musica representativa“ von Johann Heinrich Schmelzer, Heinrich Ignaz Franz Biber, Alessandro Poglietti und Pavel Josef Vejvanovsyk, Orgelwerke von Johann Kaspar Kerll und Mozart sowie allerlei Mystisch-Liturgisch-Schönes aus der Feder der drei genannten Kaiser zu hören.
Das Anhören dieser Aufnahmen ist in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich. Der musikalische Übervater und Superstar der Originalklangbewegung in Wien, Nikolaus Harnoncourt, hat sicher kraft seiner medialen Präsenz und der internationalen Prominenz einige Zeit die Tatsache „überschallt“, dass im Wiener Konzertleben neben dem Concentus Musicus mit der Wiener Akademie auch ein weiteres ausgezeichnetes Originalklangensemble besteht, das für höchste Qualität in der Erarbeitung und Aufführung barocker bis hin zu klassischer und romantischer Musikliteratur sorgt.
Das Orchester ist mit seinen jährlichen Zyklen im Wiener Musikverein und weltweiten Tourneen schon längst on top. Was das Repertoire und die Marke des Ensembles anlangt, so hat Haselböck mit der Pflege der Musica Imperialis, der Begründung des multimedialen Musiktheaters oder originellen Opernprojekten sicherlich Nischen aufgestöbert, die in dieser Exklusivität so noch nicht besetzt waren.
Aber Haselböck ist nicht nur ein umfassend gebildeter, innovativer und neugieriger Mensch, sondern auch ein herausragender Solist, Dirigent und Orchestererzieher. Haselböck ist ein genuin wienerischer Musikant, der im Vergleich zu anderen Vertretern der Originalklangbewegung Tempoexzessen völlig abgeneigt ist und das Setzen von Akzenten nicht als Disziplin einer Karateweltmeisterschaft sieht. Über die intensive Beschäftigung mit geistlicher Musik hat Haselböck seinen persönlichen Stil entwickelt und über die Jahre zur Vollendung gebracht. Da wird stets miteinander geatmet, Temporückungen, Dynamik und Detailarbeit zu einem harmonischen Ganzen verknüpft, sodass jedem Werk ein spezielles authentisches Fluidum anzuhaften scheint. Haselböck weiß um die Verführungskraft weit gespannter Piani (Hören Sie sich etwa das himmlische Sopransolo im Agnus der Krönungsmesse mit Edith Wiens an), legt Wert auf eine ausgeklügelte Feinjustierung in der Balance von Orchester und Stimmen, auf Noblesse in Phrasierung und musikalischer Aussage. Man geniert sich auch nicht, bei all den Kenntnissen um die historische Aufführungspraxis einen edlen Klang zu pflegen.
Wer will, kann sich mit der nun publizierten Box einen Eindruck von der Vielfalt und der berückenden musikalischen Qualität der Aufnahmen verschaffen, die es in der Mehrzahl mit den allerbesten im Katalog aufnehmen können. Haselböck hat zudem auch ein gutes Händchen bei der Wahl seiner Solisten: Namen wie Bernarda Fink, Werner Hollweg, Thomas Hampson (einfach fantastisch in der Mozart Kantate Grabmusik, aufgenommen 1990 in Bratislava), Dorothea Röschmann, Soile Isokoski, Derek Lee Ragin, Drew Minter, Klaus Mertens oder Franz Josef Selig werden jedes Melomanenherz höher schlagen lassen. Empfehlung!
CD1 Music in the Baroque Vienna
CD2 Joseph I, Ferdinand III, Leopold I: Sacred works
CD3 Leopold I: Sacred works
CD4 Johann Kaspar Kerll: Organ Works
CD5 Johann Joseph Fux: Missa corporis Christi
CD6-7 Johann Joseph Fux: La Deposizione dalla croce
CD8-9 Johann Joseph Fux: Il Fonte della salute
CD10-11 Nicola Porpora Il Gedeone
CD12 Mozart: Coronation Mass
CD13 Mozart: Organ Works
CD14 Mozart: Missa Solemnis/Salieri: Te Deum
Dr. Ingobert Waltenberger