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12. Internationaler Wettbewerb für Liedkunst der Hugo-Wolf-Akademie in der Musikhochschule Stuttgart

04.10.2020 | Konzert/Liederabende


Jury und Preisträger. Foto: Reinhard Pfisterer

12. Internationaler Wettbewerb für Liedkunst der Hugo-Wolf-Akademie in der Musikhochschule Stuttgart (29.9. bis 4.10.2020)

Beeindruckende Viefalt des Klanges

 Immerhin 26 Lied-Duos aus 21 Ländern präsentierten sich in der Stuttgarter Musikhochschule. Sie konkurrierten um Preisgelder in Höhe von insgesamt 36.000 Euro. Der 1. Preis in Höhe von 15.000 Euro ging an den deutschen Bariton Konstantin Ingenpaß und an die südkoreanische Pianistin Hyun-hwa Park. Den 2. Preis in Höhe von 10.000 Euro erhielten die polnische Sopranistin Malgorzata Roclawska und die aus der Ukraine stammende Pianistin Olga Wien. Und den dritten Preis in Höhe von 7.000 Euro bekamen die deutsche Mezzosopranistin Ekaterina Chayka-Rubinstein sowie die aus Israel kommende Pianistin Maria Yulin. Den Sonderpreis für besondere pianistische Leistungen in Höhe von 1.000 Euro erhielt Olga Wien.

Anerkennungspreise in Höhe von 1.500 Euro gab es auch für den französischen Tenor Ronan Cailett und den deutschen Pianisten Malte Schäfer und für den  ukrainischen Bariton Yuriy Hadzetskyy sowie die ukrainische Pianistin Alina Shevchenko.

Gleich zu Beginn überzeugte das Duo Ekaterina Chayka-Rubinstein und Maria Yulin mit Hans Pfitzners melancholischem „Nachtwanderer“ op. 7/2. Die Strenge des Ausdrucks und die für Pfitzner typische „Erlösungsmystik“ zeichnete die Sopranistin Ekaterina Chayka-Rubinstein facettenreich nach. Sehr gut gelungen war auch die Wiedergabe von Claude Debussys „Colloque sentimental I.“. Kontrapunktische Verknüpfungen und melodische Linienführungen gingen nahtlos ineinander über. Sehr bewegend und intim in seiner Schlichtheit gestaltete das Duo dann Franz Schuberts „Waldnacht D 708“, wo die thematischen Verbindungen in vielen Nuancen offengelegt wurden. Hugo Wolfs „Der Scholar“ sowie „Die ihr schwebet“ aus dem „Spanischen Liederbuch“ erklangen rhythmisch und harmonisch sehr differenziert und subjektiv in der Empfindung. Einen ähnlich positiven Eindruck vermittelten ferner Franz Schuberts „Totengräbers Heimweh“ D 842 und Hugo Wolfs „Begegnung“.

Eine Steigerung hinsichtlich der leidenschaftlichen Emphase brachte sodann der hervorragende Auftritt des Duos Malgorzata Roclawska (Sopran) und Olga Wien (Klavier), die vor allem bei den beiden Liedern „Das Rosenband“ op. 36/1 und „Cäcilie“ op. 27/2 von Richard Strauss triumphierten. Pathetische Ausbrüche und emotionales Pathos gingen hier eine glückliche Verbindung ein, deren Intensität nicht nachließ. Sehr eindrucksvoll war auch „Mignon: Kennst du das Land?“ von Hugo Wolf. Die mit wilder Chromatik erfüllten Seelenschilderungen schienen sich dabei ins Unendliche zu steigern. Aber die Ekstasen besaßen kein rauschendes Pathos, sondern wirkten auch intim. Sehr in sich gekehrt und mit großer Reife gestaltete das begnadete Duo dann Franz Schuberts „Die Unterscheidung“ D 828. „Apparition I.“ von Claude Debussy faszinierte durch geheimnisvolle und polyphon miteinander verbundene Klangflächen. Die Farbwerte der Klänge wurden vor allem auch von der Pianistin Olga Wien ausgezeichnet hervorgehoben. Die Nähe zu übermäßigen Dreiklängen, Septimen- oder Nonenakkorden trat wie in Nebelschleiern an den Hörer heran – und die Gesangsstimme erfüllte auch die harmonischen Grenzbereiche mit voluminöser Klarheit. Eine erstaunliche Nähe von Tonalität zur Atonalität offenbarte sich bei „Sonnenuntergang“ des in einem Konzentrationslager verstorbenen jüdischen Komponisten Viktor Ullmann. Mit grandiosen chromatischen Aufgängen fesselte „Cäcilie“ op. 27/2 von Richard Strauss.

Zuletzt überwältigte der hochbegabte Bariton Konstantin Ingenpaß zusammen mit Hyun-hwa Park (Klavier) das Publikum bei „Dem Sonnengott“ op. 99/1 von Stefan Heucke. Hier faszinierten vor allem auch die Arpeggien, die sich gewaltig über die aufbegehrende Singstimme wölbten. „Peregrina I“ und „Peregrina II“ von Hugo Wolf überzeugten aufgrund des geradezu sphärenhaften Übergangs in eine höhere Ebene. Erschütternd wirkte aufgrund der tristen Themen und Motive „Abschied“ D 957/7 von Franz Schubert. Dass gerade Hans Pfitzner ein sehr bedeutender und wahrscheinlich unterschätzter Liedkomponist ist, machten Konstantin Ingenpaß und Hyun-hwa Park bei „An den Mond“ op. 18 deutlich. Pfitzner wehrte sich gegen die Bezeichnung „letzter Romantiker“, was das Duo gut verdeutlichte. Denn gerade bei diesem Lied kommt das Schroffe und Moderne der Pfitznerschen Kompositionstechnik voll zum Ausdruck. Es wird auch klar, dass Pfitzner selbst ein mürrischer und schwieriger Mensch war. Doch bei dieser genialen Interpretation erschien die Komposition keineswegs streng und spröde, sondern vor allem kunstvoll zerklüftet und mit einer unglaublich reifen Motivtechnik geradezu gesegnet.

Die Preisverleihung erfolgte zuletzt durch die Juryvorsitzende Brigitte Fassbaender. Es war in jedem Fall ein Abend, der Maßstäbe setzte. Darauf ging auch der Vorstandsvorsitzende Prof. D. Hansjörg Bätzner ein, der den großen Einsatz des gesamten Teams trotz der Corona-Pandemie ausdrücklich lobte. Auch der Literatursommer 2020 der Baden-Württemberg Stiftung erfuhr durch die Internationale Hugo-Wolf-Akademie eine großartige Förderung. Sophie Harmsen (Mezzosopran) und Marcelo Amaral (Klavier) gestalteten nämlich in vorzüglicher Weise interessante neue Kompositionen von Stefan Heucke und Hauke Berheide. Stefan Heuckes fünf Lieder für Gesang und Klavier nach Gedichten von Friedrich Hölderlin („Dem Sonnengott“, „Die Götter“, „Die Kürze“, „Lebensalter“, „Die Entschlafenen“) gefielen aufgrund ihrer harmonischen Unberechenbarkeit und des großen Klangzaubers, der sich hier offenbarte, Die Singstimme wurde von diesen wunderbaren Klangkaskaden wie auf Wolken getragen. Ähnlich berührend waren die drei Lieder nach Hölderlin („Hälfte des Lebens“, „Heimat (Bruchstücke)“ und „An die Parzen“ von Hauke Berheide, wo sich die einzelnen Klangebenen in vielschichtiger Weise überlagerten. Beim Round Table „Hölderlin in der Musik“ mit Hauke Berheide, Björn Gottstein, Stefan Heucke, Salome Kammer und Dr. Thomas Schmidt wurde das große Sprachgenie Hölderlin in umfassender Weise beleuchtet. Der Dichter war seiner Zeit weit voraus und musste deswegen scheitern.

Alexander Walther        

 

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