Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

100 Jahre Historisches Archiv des Kölner Erzbistums

24.08.2021 | Ausstellungen

100 Jahre Historisches Archiv des Kölner Erzbistums

Von Andrea Matzker und Dr. Egon Schlesinger

Im Unterschied zum Historischen Archiv der Stadt Köln, das unglücklicherweise im Jahre 2009 in der Folge von unterirdischen Arbeiten an einer neuen U-Bahn-Linie in sich zusammenfiel, wobei wertvollste historische Quellen vernichtet worden waren, und das demnächst einen Neubau bezieht, enthält das vor 100 Jahren auf Initiative von Kardinal Schulte gegründete Historische Archiv des Erzbistums Quellenmaterial ab dem Jahr 942. Es verwaltet neben den üblichen diözesanen Beständen umfangreiche Archive vieler hier ansässiger, aber deutschlandweit tätiger Vereine, Verbände und Organisationen, unter anderem der Deutschen Bischofskonferenz, der Katholischen Büros, des Heilig-Land-Vereins sowie des Borromäusvereins. Außerdem werden in Köln schwerpunktmäßig Nachlässe von bekannten Architekten und Künstlern des Kirchenbaus im 20. Jahrhundert gesammelt. Insgesamt umfassen die Bestände derzeit rund zehn Regalkilometer, die in mehreren Stockwerken unter der Erde wasser- und erdbebengeschützt gelagert sind.

Ahnenforscher aus aller Herren Länder kommen nach Köln und studieren die Kirchenbücher, in denen Taufen, Hochzeiten und Sterbefälle verzeichnet sind. Sie machen einen recht großen Teil der jährlich fast 1000 Besucher des Archivs aus. Auch um die originalen Manuskripte zu schützen, bemüht man sich, möglichst viele Dokumente des Archivs zu digitalisieren. Anhand von sogenannten Findbüchern kann man bereits vorab feststellen, ob Dokumente zu dem gesuchten Thema verfügbar sind.

„Oft ist ein kirchliches Dokument das älteste Stück eines Ortes.“ Mit diesen Worten leitete Dr. Ulrich Helbach, Leiter des Archivs, im August 2021 den Rundgang anlässlich des 100. Jahrestages des Bestehens seines Hauses an der Gereonstraße ein. Neben vielen profanen Schriftstücken und Kirchenbüchern von Pfarrgemeinden des Erzbistums Köln, welches sich flächenmäßig entlang des Rheins von Bonn über Köln bis Neuss und Düsseldorf und von Zülpich im Westen bis Gummersbach im Osten erstreckt, sind im Historischen Archiv des Erzbistums Köln viele interessante Nachlässe und Kuriositäten aufbewahrt.

archiv 1 friedrich von schlegels kölsch deutsches vokabular foto andrea matzker
Friedrich von Schlegels koelsch deutsches Vokabular. Foto: Andrea Matzker

Dazu gehört unter anderem ein bedeutender Teil des Nachlasses des Philosophen Friedrich von Schlegel, der von 1904-1908 an der Universität Köln (damals École centrale) Vorlesungen zur Deutschen Sprache hielt, den Begriff der Vergleichenden Sprachwissenschaften einführte und gemeinsam mit seiner Frau Dorothea 1808 im Kölner Dom vom Protestantismus zum Katholizismus konvertierte. In diesem Nachlass findet sich auch ein handschriftliches Dokument in Buchform mit Übersetzungen Kölner Dialektausdrücke in die hochdeutsche Sprache.

köl2
Die legendäre Neujahrspredigt von Kardinal Frings. Foto: Andrea Matzker

Eine weitere geschichtliche Kuriosität befindet sich im Archiv: In seiner wohldurchdachten Silvesterpredigt 1946 ermahnte Erzbischof Kardinal Frings in Sankt Engelbert die Gläubigen, die zehn Gebote einzuhalten. Zum siebten Gebot (Du sollst nicht stehlen) sagte er: „Wir leben in Zeiten, da in der Not auch der einzelne das wird nehmen dürfen, was er zur Erhaltung seines Lebens und seiner Gesundheit notwendig hat, wenn er es auf andere Weise, durch seine Arbeit oder Bitten, nicht erlangen kann.“ Einige Sätze später folgte die Mahnung, den eventuellen Schadensersatz dafür nicht zu vergessen. An diesem Tag wurde das sogenannte berühmte und berüchtigte „Fringsen“ geboren. Es befindet sich noch heute im Lexikon der Umgangssprache und bedeutet so viel wie „Kohlenklau“ oder „Mundraub“. In der Folge dieser Predigt sahen sich die frierenden und hungernden Menschen ermutigt, Briketts oder Lebensmittel zu stehlen. Kardinal Frings sollte zeitlebens darüber nachdenken, ob seine Wortwahl damals wohl die richtige gewesen sei. Erzbischof Rainer Maria Woelki hält dieses Stehlen des Allernötigsten zum eigenen Überleben im Extremfall auch heute noch für erlaubt, wie er in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst im Jahr 2016 erläuterte.

kölarchiv 3 das dokument von kaiser wilhelm ii foto andrea matzker
Das Dokument von Kaiser Wilhelm II. Foto: Andrea Matzker

Am 31. Oktober 1898 weihte Kaiser Wilhelm II in Jerusalem die Evangelische Erlöserkirche ein. Dazu existieren persönlich vom Kaiser unterschriebene Dokumente, ein Telegramm und ein Foto, das diesen Akt darstellt.

köln4archiv 4 ronald reagan's brief an den kölner kardinal foto andrea matzker
Ronald Reagans Brief an den Kölner Kardinal Hoeffner (1982). Foto: Andrea Matzker

 

In einem weiteren Dokument, einem Brief vom 10. August 1982, bedeckt bedankt sich der ehemalige US-Präsident Ronald Reagan bei Kardinal Höffner für das gute Gespräch in Brühl und unterzeichnete mit „Sincerely, Ronald Reagan“.

kölarchiv 5 pockenimpfung 1821 foto andrea matzker

Pockenimpfung 1821. Foto: Andrea Matzker

Im Zusammenhang mit der Pandemie-Situation muten Aufzeichnungen über die Pockenimpfungen im nordrhein-westfälischen Sinzenich aus dem Jahre 1820 überraschend aktuell an.

kölarchiv 6 genralvikariatsprotokoll mit der meldung des hochwassers 1784 foto andrea matzker
Generalvikariatsprotokoll mit der Meldung des Hochwassers 1784. Foto: Andrea Matzker

Über ebensolche traurige Parallelen zu gegenwärtigen  Situationen berichten die Hochwasser-Unterlagen aus dem Jahr 1784, die in einem der riesigen, bis zu 1000 Seiten fassenden 160 Bänden der Amtsprotokolle der Generalvikare zu finden sind. Damals wurde ein 13-stündiges Gebet angeordnet, wie dort zu lesen ist.

kölarchiv 7 der gestaltungsvorschlag von fritz schaller für die kölner domplatte 1980 1985 foto andrea matzker
Der Gestaltungsvorschlag von Fritz Schaller für die Domplatte 1980-1985. Foto: Andrea Matzker

Viele Originalzeichnungen und -entwürfe zu Bauten, die entweder bereits oder noch nicht realisiert wurden, befinden sich im Fundus. Ein Beispiel dafür ist die Zeichnung der Domplatte von Fritz Schaller.

Dr. Helbach und seine Mitarbeiter waren bereits bei der Restaurierung der versunkenen Schätze des Historischen Kölner Stadtarchivs beteiligt und halfen nun auch den verschiedenen, vom Unwetter betroffenen Gemeinden, deren Dokumente durch das Hochwasser im Juli dieses Jahres beschädigt wurden.

Trotz des umfangreichen Digitalvorhabens braucht das Archiv dringend Platz. Dafür ist eine nicht genutzte Kirche demnächst eventuell als Außenstelle angedacht. In jedem Fall ist diese Gedächtnisinstitution des Rheinlandes eine äußerst lohnende Fundgrube für Informationen nicht nur auf kirchlichem Gebiet.

 

 

Diese Seite drucken