Ab 1. Februar 2013 in den österreichischen Kinos
ZERO DARK THIRTY
USA / 2012
Regie: Kathryn Bigelow
Mit: Jessica Chastain, Jennifer Ehle, Jason Clarke u.a.
Mit diesem Film hat Regisseurin Kathryn Bigelow ihren amerikanischen Landsleuten ein echtes Problem auf den Tisch gelegt. Hätte sie „die Jagd auf Osama Bin Laden“ in Form eines spannenden Abenteuerthrillers gestaltet (wie es Steven Spielberg in „München“ tat, als er den Mossad hinter den Olympiade-Attentäter herhetzte), wären zwar die unvermeidlichen Einwände gekommen, das Thema sei billig verschleudert – aber niemand wäre ihr böse gewesen und ein Kassenschlager hätte es auch werden können. Aber den Gefallen tat sie ihren Landsleuten nicht – und konnte sich andere Vorwürfe anhören.
„Zero Dark Thirty“ ist über zweieinhalb Stunden lang und grausam mühselig – womit die Situation reflektiert wird: Wie findet man nach dem 11. September den Mann, der unverhohlen dahinter steckt? Damals trug der Terror schlechthin den Namen und das Gesicht von Osama Bin Laden (dass er es „war“, muss glücklicherweise nicht bezweifelt werden), und man erwartete von der immer noch (?) mächtigsten Nation der Welt, diesen zu finden und „der Gerechtigkeit zuzuführen“.
Dass Geheimdienstarbeit nicht so spannend und pittoresk ist wie in Romanen und vielen Filmen, werden vermutlich alle CIA-Mitarbeiter bestätigen. Diese begannen ihre Jagd auf Osama in ihrer Hilflosigkeit damit, dass sie zahlreiche Araber folterten, von denen sie meinten, man könne etwas von ihnen erfahren. Der Zuschauer darf beim gnadenlosen Waterboarding zusehen, und wer nicht sadistisch oder pervers ist, dem wird sich dabei der Magen umdrehen. Ganz abgesehen von den körperlichen und Psychoterror-Methoden, deren Zeuge man auch gleich ziemlich zu Beginn des Geschehens wird.
So nüchtern die Regisseurin ihren Film auch anlegt, quasi dokumentarisch, braucht so eine Geschichte zumindest eine zentrale Figur, an die man sich anhalten kann. Wenn Jessica Chastain als CIA-Agentin Maya Lambert zu Beginn den Foltern wie unbeteiligt zusieht, wird sie dem Kinobesucher schon ein wenig unheimlich. Aber man benötigte diese Nerven, diese Entschlossenheit, um durchzuziehen, was sie (als Kino-Stellvertreterin jener Leute, die es geschafft haben) leisten mussten, um den al-Qaida-Führer schließlich in einem Haus in Pakistan aufzuspüren. Niemand außer ihr gewinnt in dem Geschehen Bedeutung – sie ist der Führungsoffizier des Films.
Bis zum Erfolg zieht sich der Weg – viele Reisen in den Nahen und weniger nahen Osten, gefährliche Aufenthalte an der afghanisch-pakistanischen Grenze (nicht einmal die Hinterhalte und Überfälle kommen spannend heraus), viele Kontakte, die sich als sinnlos erweisen, und vor allem unendlich viele Querelen in der CIA-Zentrale, wo die Interessen in alle Richtungen auseinander gehen.
Da wird die „Heldin“, die auf ihrem Weg der Recherche beharrt, dann wirklich zu der Art von Heldin, die alle Widerstände überwindet, um zum Ziel zu kommen… aber spannend ist das nicht. Soll es wohl auch nicht sein. Wenn Kathryn Bigelow wirklich etwas klarmachte (klar machen wollte?), dann ist es die Härte und Frustration der Agentenarbeit.
Schließlich umfasste die Suche nach Osama Bin Laden ein Jahrzehnt – und Jessica Chastain, immer cool und distanziert, altert in dieser Zeit kaum (gelegentlich ändert sich die Frisur ein wenig): Ihre „Oscar“-Nominierung kann hier nicht einer besonderen darstellerischen Leistung gelten (so überzeugend sie auch von der Leinwand kommt), sondern ist wohl eher Trotz gegen alle US-Politiker, die sich so sehr gegen diesen Film ereifert haben – denn „so etwas tun wir Amerikaner nicht“, lauteten inetwa die Nestbeschmutzungs-Argumente…
Am Ende müsste es dann ein sozusagen uerträglich spannender Höhepunkt sein, wenn die Navy SEALs das Haus stürmen, in dem nach Überzeugung von Maya Lambert der Terroristenführer lebt. Dass Präsident Obama und sein Team dabei „per Fernschaltung“ zugesehen haben, wird schamhaft verschwiegen, wie der Präsident in dem Film überhaupt nicht vorkommt – die einzige Vorsichtsmaßnahme, die sich die Regisseurin geleistet hat.
Die Erstürmung des Hauses wirkt auf der Leinwand übrigens völlig unübersichtlich, vermittelt keinen Eindruck der wirklichen Ereignisse, und es wird weder klar, was mit der Leiche Osamas geschehen ist, noch das Schicksal der im Haus anwesenden Frauen und Kinder. Da treibt Kathryn Bigelow dann ihren unspektakulären Zugang zum Thema entschieden zu weit – das ist einfach fades Kino.
Für den, der es noch nicht irgendwo gelesen hat: „Zero Dark Thirty“ ist ein militärischer Begriff und bedeutet etwa „eine halbe Stunde nach Mitternacht“. Um 0,30 Uhr wurde Osamas Haus gestürmt. Es führt ein langer, dorniger Kino-Weg dorthin.
Renate Wagner