Ab 23. Mai 2014 in den österreichischen Kinos
ZEIT DER KANNIBALEN
Deutschland / 2014
Regie: Johannes Naber
Mit: Devid Striesow, Sebastian Blomberg, Katharina Schüttler u.a.
Man wäre geneigt, das für ein Theaterstück zu halten, aber tatsächlich ist es ein „originales“ Filmdrehbuch (das vielleicht einmal auf die Bühne gehievt wird, das ist ja in den Spielplänen der letzte Schrei): Drei Darsteller, kaum Nebenrollen, die Handlung immer irgendwelche Hotelzimmer in der Dritten Welt.
Ziemlicher, wenn auch nicht ultimativer Luxus, aber wir sind sicher, dass Frank Öllers und Kai Niederländer eine verdammte Menge Geld verdienen. Sie jetten im Paarlauf, völlig auf einander eingespielt (und doch vor innerer Rivalität kochend) von einem Wirtschaftsstandort zum nächsten.
Sie sind Business Consultants, zu Deutsch: Unternehmensberater, hektisch unterwegs für ihre „Company“, um ihren Kunden sparen zu helfen (und selbst fette Provisionen einzustecken): Nein, in Indien sollte man wirklich nichts mehr erzeugen, wenn es doch in Pakistan billiger geht, meinen sie. Die Afrikaner in Nigeria sind andere Verhandlungspartner, und es scheint ihnen fast Genuß zu bereiten, diesen Menschen Geschäfte, die sie so nötig brauchen, abzusagen… Schweinehunde, keine Frage.
Aber die Killer, die sie sind, stehen selbst unter höchstem beruflichen Druck. (Abgesehen von privaten Malaisen, von der zankenden Ehefrau des einen, die er am Telefon zu besänftigen sucht, abgesehen vom Genauigkeitstick des anderen, mit dem er das Hotelpersonal quält…) Ein Kollege hat sich aus dem Fenster gestürzt, sein Job wird frei, wer wird ihn bekommen? Jedenfalls steht eines Tages Bianca März da, und die Männer wissen – mit Ausnahme der höhnischen Macho-Sprüche – eigentlich nicht, was sie mit ihr anfangen sollen, was sie bedeutet? Wird sie einen von ihnen ersetzen? Oder soll sie, wie sich herausstellt, feststellen, wer für den Führungsjob geeignet ist? Oder ist das alles irrelevant, wenn die Company verkauft wird und man nun per Skype dem neuen Besitzer in den Hintern kriecht, weil man bleiben möchte… ohne Rücksicht auf Verluste?
Die Hotelzimmer sind Gefängnis und scheinbar geschützter Bereich zugleich. Was da draußen vorgeht (mein Gott, in der Dritten Welt wird doch immer irgendwo geschossen!), geht die Herrschaften, die untereinander so freundlich tun und bereit sind, einander jede Sekunde zu verraten und zu verkaufen, scheinbar nichts an. Bis das Drehbuch dann die Geschichte bis zum Extrem ausreizt – wenn ein blutiger, rabiater Aufstand nämlich bis ins Hotelzimmer kommt… Was dann?
Mit minimalistischem Aufwand hat Regisseur Johannes Naber nach dem Drehbuch von Stefan Weigl einen schlechtweg hinreißend spannenden Film gemacht. Er basiert auf der Schauspielkunst von Devid Striesow, Sebastian Blomberg und Katharina Schüttler, die die „Drecksschweine“ und „armen Schweine“ in Personalunion sind, so dass man nicht weiß, ob man sich innerlich nicht doch mit ihnen verbündet, wenn die Situation hässlich wird – oder ob man ihnen von Herzen gönnt, was sie eigentlich verdienen…
Das ist gnadenlos kritisch und brillant unterhaltend gleichzeitig, das ist ein Stück unserer Zeit und der Blick auf einen Typ der „Gierigen“, wie sie sich immer selbstverständlicher in der Gesellschaft breit machen. Und bei aller zynischer Übersteigerung des Ganzen wird man das Gefühl nicht los: Genau so könnte es sein…
Renate Wagner