Tschauner kontra Wiener Festwochen ?
Wiener Festwochen und Tschauner-Bühne in einem Satz? Wohl erlaubt – die Stadt Wien steht hinter beiden Attraktionen als Financier. Gleich gesagt: Ob man will oder nicht, bei der Tschauner-Partie ist´s um einiges lustiger. So finden wir dort am Rande von Ottakring so etwas wie eine Gaudi mit wienerischer Sozi-Färbung. Und die Festwochen, ebenfalls rot installiert, laden uns zu Spaziergängen mit künstlerischen Randgruppen-Ensembles aus aller Welt ein.
Tschauner-Bühne: Frischluft am Flötzersteig, 320 Plätze …. auf Holzbänken, urige Wiener Bevölkerung. Urig = was an eher mittelalterlichen, älteren Wienern übrig geblieben ist. Da scheinen sonst in Ottakring auch nur mehr so, na ja, nette Restbestände anzutreffen zu sein. Aber eine ambitionierte Leitung für die vor 114 Jahren gegründete Stehgreifbühne ist gegeben. Bitte: Die Tschauner-Bühne zählt zum edlen UNESCO-Weltkulturerbe! Und Werbung zum heurigen Saisonstart am 15. Juni: Die Infrastruktur wurde verbessert, inhaltlich geht es um einige Schritte weiter, in der Programmierung möchte man vielseitiger werden. Also, etwas abartige, doch sehr muntere „Nonnsense“-Nonnen werden gleich am ersten Tag anzutreffen sein; im „Freudenhaus vom Liebhartstal“ stehen die Türen weit offen; beim „Mord in der Wurlitzergasse“ dürfte eher etwas blöd laufen; und in „Tschauner Enterprise“ wird´s wohl kaum allzu hoch hinauf ins Weltall gehen.
Wiener Festwochen : Ganz anderen Typen sind hier zu begegnen. Bei der Programmierung hat sich in den letzten Jahren im Unterschied zu früheren glorreichen Tagen so manches für den Bildungsbürger geändert. Nicht der geistig interessierte Normalverbraucher wird angesprochen, sondern im heute praktizierten Geschäftssystem der Kulturvernetzer setzt man Wiener Kulturfreaks das eine oder andere kleine Zuckerl vor. Bitte, da kann schon Tolles darunter sein. Aber, aber, was da für zwei, drei Tage für Wien eingekauft wird: Bisserl experimentell, bisserl schräg, bisserl zeitgeistig, bisserl exotisch …. ja, es geht rund um die Welt. So ziemlich ausgeklammert, bis etwa auf das ORF-Symphonieorchester, das Klangforum Wien, ist dabei die österreichische Kulturszene. Und das ist ein Zeichen dafür, dass beim politischen Kulturauftrag im geistigen Format hier einiges nicht stimmen kann und es unbedacht mehr oder weniger sanft bergab geht. Ist so zum Festwochen-Start im MuseumsQuartier auch vom japanischen Theatermann Oshiki Okada und seiner Minitruppe ‚chelfitsch‘ dargestellte worden. Mit Musik im Avantgarde-Stil der 60er, 70er Jahre von Dai Fujikura geht es in „Verwandlung eines Wohnzimmers“ larghissmo, zu extrem in die Länge gezogen, in Richtung Auflösung, menschlicher Hilflosigkeit, ist eine Untergangsparabel in asiatisch-esoterischem Stil dargestellt worden.
Jedenfalls … es schadet nicht. Rein in die sommerliche Tschauner-Bühne. Oder den festwöchentlichen Schritt zu „Antigone im Amazonas“ oder „A Day Is A Hundred Years“, „Drive Your Plow Over The Bones of The Dead“ und so ähnlich gewagt. Wer weiß, was dahinter steckt. Im Tschauner träumt man vom verjährten Goldenen Wienerherz, bei den Festwochen sollte man wohl an den Traum von der Weltoffenheit der Wiener denken.
Meinhard Rüdenauer