Ab 26, September 2014 in den österreichischen Kinos
WHO AM I – KEIN SYSTEM IST SICHER
Deutschland / 2014
Regie: Baran bo Odar
Mit: Tom Schilling, Elyas M’Barek, Wotan Wilke Möhring, Antoine Monot Jr., Trine Dyrholm, Hannah Herzsprung u.a.
Wir armen Durchschnittsmenschen. Fachleute sagen uns höhnisch, dass wir höchstens drei Prozent dessen nutzen, was unser Computer kann, und wir sind froh, dass wir das zusammen bringen. Hacker betrachten wir mit großen Augen als Genies, können nie verstehen, was die da tun, glauben aber blind, dass sie einfach zu allem imstande sind. (Wie gut, dass noch keiner den Dritten Weltkrieg ausgelöst hat, denn vermutlich wäre auch das möglich…) Kurz, Hacker ergeben gute Krimi-Figuren. Der Schweizer Regisseur mit dem ungewöhnlichen Namen Baran bo Odar hat echte Spannung mit echtem Humor gemischt. Die Mischung ist unwiderstehlich.
Er kommt wie das Klischee des Hackers daher, die Kapuze eng über den gesenkten Kopf gezurrt, die Schultern gehoben, im Schlurfschritt des Verfolgten… und stellt sich der Polizei. Benjamin hat genug von der berüchtigten Hacker-Gruppe CLAY, er hat genug von den Schrecken der Dark-Rooms, in denen man sich mit Rivalen trifft. Die Unterwelt des Netzes ist mit schauerlichen Gestalten bevölkert. Und die dänische Kommissarin Hanne Lindberg, von Europol dem BKA für Cybercrimes in Deutschland zugeteilt, hört sich mit Interesse Benjamins Geschichte an.
Wir sind genau so unschuldsvoll und interessiert, bis sich im Lauf der Ereignisse herausstellt, dass wir gewaltig ausgetrickst werden – und zwar wiederholt. Aber es ist doch so glaubhaft: Dass Benjamin ins Gefängnis kommt, weil er einer von ihm verehrten jungen Dame Prüfungsfragen aus dem Netz holt. Dass er beim Sozialdienst einen anderen schrägen Hacker kennenlernt, Max, der mit zwei Kollegen (Stephan und vor allem Paul sind genau die abgefahrenen Freaks, die man sich in dieser Schattenwelt vorstellt) für seine Unternehmungen ein Genie wie Benjamin gut brauchen kann…
Und sie legen los: Mit Einbrüchen (nicht nur virtuell, sondern teilweise auch „leiblich“), mit Attacken gegen die Reichen und Mächtigen, also Banken und Konzerne. Nebenbei verarscht man noch ein paar Neonazis, das tut gut. Und am Ende brechen sie noch beim Bundesnachrichtendienst selbst ein: die ultimative Herausforderung im großen Spiel „Wer ärgert wen?“. Dass sie trotz all dieser Leistungen vom „König der Hacker“ – genannt MRX – einfach nicht akzeptiert werden, macht Max rasend, ja, um private Eitelkeiten geht es auch.
Aber als es dann gefährlich wird (schließlich ist auch die Mafia, hier die russische, im Netz räuberisch unterwegs) – da stellt sich Benjamin der Polizei. Sagt er die Wahrheit? Oder ist er einfach ein Psycho, der sich vieles nur einbildet?
Bei Tom Schilling weiß man nie, der Junge ist so gut (als Schauspieler nämlich, einer der Besten, die das deutsche Kino derzeit hat), dass er einem alles vorspielen kann. Vor allem den schüchternen, verwirrten Jungen mit den unheimlichen Gaben, der eigentlich nicht im Kriminal, sondern lieber in Südamerika landen will. Am besten mit seiner Angebetenen (Hannah Herzsprung) – das kann man ihm nachfühlen. Und seine Freunde – so es sie gibt – will er auch mitnehmen: den „Fack ju Göhte“-Türken der Nation, Elyas M’Barek (auch wenn er gar kein Türke ist, sondern laut Wikipedia eine österreichisch-tunesische Mischung), den schrägen Wotan Wilke Möhring und den klassischen Freak Antoine Monot Jr….
Trine Dyrholm, ein ganz unspektakulärer Typ (in ihrer dänischen Heimat vermutlich sehr populär), möchte natürlich den Ruhm ernten, CLAY entlarvt und entschärft zu haben, aber wie viel kann sie dem armen kleinen Benjamin versprechen? Das sollte man sich, inklusive der Schlusspointe, wirklich ansehen. Es ist ein Kino-Vergnügen.
Renate Wagner