Auf kultureller Spurensuche entlang der Mur im Nachbarland Slowenien: VON DEN ALTEN HABSBURGERN, BLÜHENDEN ORCHIDEEN UND SCHWARZEM HEILWASSER
Eine Kulturreise in Slowenien entlang der Mur, ganz nahe der österreichischen Grenze, lädt zur historischen Spurensuche ein. Es ist ein Gebiet, welches früher Teil des ehemaligen Herzogtum Steiermark gewesen ist. Die Regenten des Hauses Habsburg hatten durch Jahrhunderte ihre Hand über diese nach wie vor naturbelassene Region im Dreiländereck Slowenien, Österreich, Ungarn gehalten. Die Südsteiermark ist es vor hundert Jahren einmal gewesen. Auch die Erzdiözese Salzburg oder ungarische Magnaten hatten anno dazumal hier etwas zu sagen gehabt. Ungarisch wird teilweise auch heute noch gesprochen und in den Schulen gelehrt. Eine Kulturstraße, die Straße des Heiligen Martin von Tours zieht sich durch dieses Gebiet diesseits und jenseits des Murflusses, und auf alte Kultur stösst man in dieser ruhevollen Landschaft immer wieder. Und in den Gesprächen mit den Bewohnern ist zu merken, dass sich die Menschen auf einer Such nach kultureller Erweiterung und auf einer gewissen Identitätssuche im europäischem Raum befinden. Einer durchaus von Bescheidenheit getragener. Auf solch einer kulturellen Spurensuche ist hier in jeder Hinsicht vor allem auch Natur pur voll zu genießen.
Auf und neben der Route der Kulturstraße nun nach ……
PREKMURJE:
Auf Deutsch: Übermurgebiet; bezeichnet nach dem Fluss Mur. Es ist die ärmste Region Sloweniens. Weite ebene Landstriche breiten sich zwischen hügeligen oder auch bergigen Gebieten aus. Doch überall finden wir Energiepunkte und Heilquellen und traditionelle Volkskultur in einer friedsamen Landschaft. Aber auch, schon sehr negativ für die finanzielle Situation in der ganzen Region: Schwerindustrie und chemische Industrie sind kaputt gegangen, die Arbeitslosigkeit ist gewachsen.
Dafür ist hier die Natur direkt zu greifen.
WEINSTRASSE JERUZALEM:
Weinbau auf luftiger Bergeshöhe in Jeruzalem. Copyright: office askENRICO / Dagmar Postl
Ja, Jeruzalem mit z – die Kreuzritter sollen es sich hier in der faszinierenden bergigen Landschaft bequem gemacht haben. Hohe Hügel mit Kirchen auf den Gipfeln, mit urigen Winzerhäusern und Villen direkt rundum und Weinreben in luftiger Höhe. Und auf dieser Höhenstation namens Jeruzalem: Wohin man sieht gibt es herrliche Ausblicke auf die Hänge der umliegenden Weingärten. Das Gebiet Ljutomer-Ormoz überwältigt das Auge mit seiner grandiosen Landschaft.
Weinverarbeitung mit modernster Technologie und Lagerung in einem exportierenden Großbetrieb in Ormoz. Copyright: office askENRICO / Dagmar Postl
LENDAVA:
Grenzstadt zu Ungarn, früher auch den Esterházys untertan. Ein internationales Kulturzentrum lockt in das große Schloss. Dieses wurde unter einem Vorfahren der dem Haus Habsburg verdienstvoll dienenden Kriegerfamilie Hadik (Wiener Hadikgasse) verteidigt und ist beim Türkeneinfall 1603 uneingenommen geblieben. Grimmige Osmanen sind hier immer wieder aufgekreuzt, es ist jedoch nicht deren Hauptdurchzugsstrasse in Richtung der Habsburger-Residenz Wien gewesen. In den Räumlichkeiten des geräumigen Schlosses mit einem L–Grundriss – als Huldigung an Kaiser Leopold I. – ist eine beachtliche Galerie eingerichtet. Eine Jean Miró-Ausstellung ist heuer zu sehen gewesen, Salvador Dalí wird nächstes Jahr folgen. Und für 2025 bewirbt sich Lendava, um als Europäische Kulturhaupt anerkannt und beworben zu werden.
TERME 3000 – MORAVSKE TOPLICE:
Tiefschwarzes Heilwasser in der Livada-Therme in Moravske Toplice. Copyright: office askENRICO / Dagmar Postl
Schwarzes Thermomineralwasser lässt sich besonders fein genießen. Auf Suche nach Erdöl ist man in den 50er Jahren hier in der Region auf zahlreiche Thermen gestoßen. Jede Therme bedient eine andere Zielgruppe. Das Livada in Moravske Toplice, in drei Hotels aufgeteilt – dabei räumlich sehr freizügig gegliedert – ist das größte Heilbad Sloweniens. Immer wieder ist in den Gesprächen nicht zu überhören: Äußerst naturbewusst wird hier gedacht, und das reichhaltige Essen ist fantasievoll und dabei höchst schmackhaft rein auf Bio ausgerichtet.
FESTIVALS:
Festivals? Ohne Festivals geht betreffs Tourismus heute gar nichts mehr. Auch hier werben der Reihe nach Festivals, kleinere, um ihre Besucher. Nicht Einkaufskultur wie in Österreich à la mode, sondern Festivals sozialer Art werden hier noch gepflegt. Besonders wohl bodenständiger wie frugaler Art: Kulinarische Feste …. und: Jeder Speise wird nach Landestradition mit ihrem eigenen Ehrentag gehuldigt. Aber auch, gar nicht selten: Gestandene Opernfreunde aus der Steiermark pilgern schon sehr gern nach Maribor, um hier im Opernhaus recht gute Aufführungen in zu erleben.
MURSKA SOBOTA:
Diese beschauliche Kleinstadt ist das Zentrum der Region Prekmurje. Als Verkehrsader bereits im 14. Jahrhundert ist sie immer eine offene Stadt gewesen – mit langer Vergangenheit in der historischen Landesherrschaft Steiermark. Im Szapáry-Schloß besonders sehenswert ist das sehr gepflegt geführte Landschaftsmuseum Murska Sobota, welches von der Frühgeschichte entlang der Mur, von der Römerzeit oder mit barockem Salon bis in den Zeitraum der politischen Machtwechsel nach dem Zweiten Weltkrieg belehrt.
OCEAN ORCHIDS:
Eine tropische Landschaft in den Glashäusern der Ocean Orchids–Züchter. Copyright: office askENRICO / Dagmar Postl
Eine tropische Landschaft in den Glashäusern der Ocean Orchids–Züchter. Copyright: office askENRICO / Dagmar Postl
Ja, von dort kommen diese Orchideen, die in Österreich angeboten werden. Aus dem Orchideen-Gewächshaus Ocean Orchids–Komplex mit seinen großen Glashäusern mit tropischen Temperaturen und tropischem Vogelgesang (künstlichem) und tropischen Garten werden zwei Millionen Orchideen, 300 Sorten (nur von einer einzigen Familie – eben die haltbarsten in unserem Klima) alljährlich ausgeliefert. 80 % Export – Hofer, Obi etc. werden im Großhandel beliefert.
VULKANIJA:
Eine unterhaltsame Videoshow wird in den Tiefen des Vulkanija-Vulkanmuseums in Grad na Gorickem geboten. Copyright: office askENRICO / Dagmar Postl
Tote Vulkane finden wir in der Pannonischen Tiefebene rundum verstreut. Hier, ganz nahe dem burgenländischen Naturpark Raab, führt eine lustig gewundene Straße durch eine idyllische Naturlandschaft in waldige Höhe zu einem lustig aufbereiteten und dabei schon sehr lehrreichen Vulkan-Museum. Der Erlebnispark Vulkanija ist neu, wurde 2013 eröffnet, ist elegant gestaltet und bietet eine Reise in Richtung Erdzentrum. Mit kecken Animationsvideos hinunter in die Tiefe und unbeschadet wieder retour.
RÖMISCHE LEGIONÄRSSPIELCHEN:
Feldherr Marc Anton hatte sich auch hier herumgetrieben. Und in Ptuj (in der Habsburger Monarchie: Pettau), damals die größte Stadt im Lande, sind zwei große Legionen stationiert gewesen, um eingriffsbereit in Richtung Vindobona oder ins Ungarnland zu marschieren. Und die Therme Ptuj, ebenfalls eine Genussbad (wohl aber nicht mit tiefschwarzem Wasser), ist ein bisschen im Stile der alten Römer eingerichtet worden, und es werden Badespielchen nach Art altrömischer Legionärs-Soldateska betrieben. Doch auch Deutschordensritter , Ottokar II. oder die Dynastie der Pettauer haben hier im ehemaligen Herzogtum Steiermark ihre Residenzen gepflegt.
Somit schöne Tage entlang der früheren Römerstraße oder auf dem Pilgerpfad des Heiligen Martin von Tours ….. heute wohl eher als Drauradweg beworben. Leicht zu befahren: Der Drava entlang und mit Abstechern zur urigen romanischen Rotunde des Heiligen Nikolaus in Selo, dem ebenfalls uralten Kirchlein des St. Martin in Domanjsevci, der Burg Grad, dem Bánffy-Zichy Schloss und schließlich mit Blicken auf die verzaubernde Bergwelt der Weinregion rund um Jeruzalem.
Meinhard Rüdenauer