Ab 1. November 2012 in den österreichischen Kinos
VIELLEICHT LIEBER MORGEN
The Perks of Being a Wallflower / USA / 2012
Regie: Stephen Chbosky
Mit: Logan Lerman, Emma Watson, Ezra Miller, Paul Rudd u.a.
Schulgeschichten gehören zu den klassischen Themen der Literatur, denn nirgends lässt sich der Prozeß des Reifens und „Erwachsenwerdens“ deutlicher darstellen. Stephen Chbosky hat zu diesem Thema einen Briefroman geschrieben (im Original: „The Perks of Being a Wallflower“, auf Deutsch: „Das also ist mein Leben“), der die Erlebnisse von Charlie an der Highschool beschreibt, und er durfte sein Buch nun auch selbst verfilmen. Vor allem an der sensiblen Führung der interessanten Hauptdarsteller erweist sich das logische Engagement des Autor / Regisseurs.
Die „Charlies“ sind die geborenen Außenseiter, die titelgebenden „Mauerblümchen“ (Wallflower). Sie fürchten sich vor allem, am meisten vor ihren Mitmenschen, deren Stärke, Härte und Grausamkeit sie zu fühlen scheinen. Es ist wunderbar, wie der junge Logan Lerman zögernd-zweifelnd in die (Schul-)Welt blickt: Er hatte schon große Rolle im Mainstream (in der „Percy Jackson“-Verfilmung, wo er sich mit der Antike anlegte, und als d’Artagnan in den neuen „Drei Musketieren“), aber es scheint, als könne er erst hier seine inneren Qualitäten entfalten. Einer, der sich verkriechen will, aber dann doch ins Leben geholt wird.
Von „Sam“ nämlich, die ein Mädchen ist, gespielt von Emma Watson, die sich zu einer sehr hübschen jungen Frau entwickelt hat und (ebenso wie Kollege Daniel Radcliffe in anderen Filmen) beweist, dass es sehr wohl ein Leben nach „Harry Potter“ gibt. Sam zählt zu den übermütigen, lebenslustigen Leuten, denen es geradezu Spaß macht, die Mauerblümchen zu pflücken und aufzuwecken.
Dritter im Bunde, wenn auch leicht im Hintergrund bleibend, ist ihr Halbbruder Patrick, an dem der Autor das Thema der jugendlichen Homosexualität abhandelt: Ezra Miller ist unvergesslich in seiner Schreckensleistung als Kevin („We need to talk about Kevin“ mit Tilda Swindon), der jugendliche, sadistische, durch und durch böse Gewalttäter. Hier kommt er um einiges sympathischer herüber.
Man folgt Charlie mit Sam und Patrick in deren Clique, und ernste Geister würden sagen, dass der Einfluss dieser jungen Leute nicht der beste ist. Aber jedenfalls eine Schule fürs Leben, wo eine Menge passiert und man auch immer wieder Stellung beziehen muss.
Es ist eine Schlüsselszene, wenn Charlie als nötiger Ersatzmann wider Willen in einer Aufführung von „The Rocky Horror Picture Show“ auf die Bühne geschoben wird – letztendlich ein Akt der Befreiung wie seine Erfahrung mit Drogen (anfangs ganz unschuldig, nicht wissend, was ihm geschieht), Alkohol und dann natürlich Sex (wobei man auch junge Mädchen, die einem Avancen machen, abweisen muss, weil man sie nicht mag – ein ziemlich peinlicher Zustand). Man kann oft lächeln über das Geschehen, aber Charlie wird nicht preisgegeben…
Als Sam ihm eine Schreibmaschine schenkt (daran sieht man, dass die Geschichte in Vor-Computer-Zeiten, nämlich Anfang der neunziger Jahre spielt), weiß man natürlich, worauf es hinausläuft: Dieser junge Mann wird Schriftsteller, wird aufzeichnen, was er erlebt hat, wird damit nicht nur seine eigenen Zusammenbrüche überstehen (wir leben in einer Welt, wo Freuds Erkenntnisse über verdrängte schlimme Jugenderlebnisse sehr ernst genommen werden und heraus müssen), sondern er wird mit seinem Buch vielen jungen Menschen aus dem Herzen schreiben. Wahrscheinlich hieß Charlie ursprünglich Stephen Chbosky…
Das ist kein High-School-Film, wie sie das amerikanische Kino bis zum Erbrechen produziert hat. Das ist eine ziemlich gute und vor allem hinreißend gespielte „Coming of Age“-Geschichte.
Renate Wagner