Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

VENEDIGS KONZERTLANDSCHAFT IM SEPTEMBER 2020

10.10.2020 | REISE und KULTUR


Musica a Palazzo: Die Fondamenta Duodo o Barbarigo. Foto: Andrea Matzker

Venedigs Konzertlandschaft im September 2020

Von Andrea Matzker und Dr. Egon Schlesinger

In Venedig, der Stadt, die eigentlich insgesamt sowieso schon ein einziges Juwel darstellt, gibt es viele, recht versteckte und verborgene Orte, die es sich unbedingt lohnt aufzusuchen. Eine dieser Initiativen ist „Musica a Palazzo“, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Oper mit erstklassigen Sängern und Darstellern in der anheimelnden, gemütlichen, vor allem aber edlen und originalen Atmosphäre eines venezianischen Palazzo aufzuführen.


Musica a Palazzo. Die Szenerie während der Aufführung von La Traviata am 2. September 2020. Foto: Andrea Matzker


Das Konzertprogramm vom 2. September 2020. Foto: Andrea Matzker

Nach ordnungsgemäßer Anmeldung wird man durch eine großzügige Vorhalle und über eine große Treppe im Piano nobile mit einem Glas Prosecco empfangen und zu seinem Platz geleitet. Alles geschieht selbstverständlich unter Berücksichtigung aller Corona-Schutzmaßnahmen. Die sicherlich größte Überraschung in diesem angenehmen Ambiente ist, dass die Sänger von La Traviata durchweg von allererstem Niveau sind, wie man sie selbst selten auf den Bühnen der Welt hört. Recht abenteuerlich ist allerdings der Weg bis zum Palazzo Barbarigo-Minotto, der zwar am Canal Grande liegt, aber nur zu Fuß über die Stadt zu erreichen ist. Mit dem Vaporetto fährt man am besten bis zur Haltestelle San Giglio und geht bis zur gleichnamigen Kirche. Bei einem romantischen Spaziergang über die schmale Gasse Fondamenta Duodo o Barbarigo in Richtung zurück zum Canal Grande, aber ohne ihn zu erreichen, geht man rechts durch einen ganz schmalen Gang und klingelt an einer völlig unauffälligen, einfachen Klingel. Umso größer ist das Erstaunen, wenn man den riesigen Palast betritt. Die Vorstellungen dauern pandemie-bedingt nicht lange; unbedingt nötig ist es aber in jedem Fall, sich rechtzeitig anzumelden, da nicht allzu viele Plätze zur Verfügung stehen.


San Vidal. Foto: Andrea Matzker. Foto: Andrea Matzker


San Vidal, kurz vor Konzertbeginn. Foto: Andrea Matzker

Als weitere Formation, die insbesondere in Venedig aber auch weltweit hinlänglich bekannt ist, da sie seit 1987 existiert, sind die Interpreti Veneziani tätig, die regelmäßig ein typisch venezianisches Konzert veranstalten und für gewöhnlich in ihrer Stammkirche Chiesa San Vidal an der Accademia-Brücke auftreten. Die Akustik ist allein schon daher faszinierend, da sie sich in all den Jahrhunderten zuvor ebenso angehört hat. Besonders beliebt sind ihre Konzerte mit typisch venezianischer Musik, wie von Antonio Vivaldi, aber auch von Arcangelo Corelli oder Wolfgang Amadeus Mozart. „Die vier Jahreszeiten“ gehören selbstverständlich zu ihrem bekanntesten Programm. Die Kirche San Vidal ist um das Jahr 1084 gegründet worden und mit vielen kostbaren Gemälden ausgestattet. Ihre Außenfassade wurde 1725 bis 1735 von Andrea Tirali, inspiriert durch Andrea Palladio, entworfen. In ihr befindet sich die Ruhestätte des berühmten venezianischen Musikers und Komponisten Baldassare Galuppi (1706-1785), dessen Denkmal in seinem Geburtsort Burano steht.


San Vidal, Konzertprogramm im September. Foto: Andrea Matzker

Neben diesen beiden Veranstaltungen gab es noch viele mehr, zum Beispiel auch die Orgelkonzerte mit diversen, vielfach ausgezeichneten Organisten in der Kirche San Trovaso. Ein viel besichtigter Anziehungspunkt der Stadt war, besonders auch in diesem Jahr, die panoramaprägende, bedeutende Barockkirche Santa Maria della Salute, die, nach einem Versprechen vom 22.10.1630, zum Dank für das Ende der damaligen Pest zu Ehren der Madonna entstand. Die Epidemie war damals durch eine einzige Person in die Stadt getragen worden und hatte die Bevölkerung Venedigs von 46.000 Einwohnern um ein Drittel dezimiert.


Santa Maria della Salute von der Terrasse des Hotel Monaco Grand Canal aus gesehen. Foto: Andrea Matzker

Luchino Visconti zeichnete die katastrophale Situation der Stadt während einer Cholera-Epidemie in seinem Film „Tod in Venedig“ einprägsam genug. Gemeinsam mit dem Redentore ist die Salute eine der zwei Votivkirchen der Stadt. Der Architekt Baldassare Longhena, der auch Cà Rezzonico erschuf, baute fast sein ganzes Leben lang an ihrer Errichtung. Erst fünf Jahre nach seinem Tod, 1687, konnte sie geweiht werden. Die Kirche ruht auf über 1 Million Stämmen von je 4 m Länge. Allein dafür dauerte die Bauzeit 2,2 Jahre. Um das Gewicht der Kuppel zu reduzieren, konstruierte Longhena eine leichte, zweischalige Kuppel aus Holz, die anschließend verputzt wurde. Sie besteht aus istrischem Stein und leichten Ziegeln, die mit einer Schicht Marmorino (pulverisiertem Marmor) überzogen wurden. Auf der größeren Kuppel steht die Madonna und auf der kleineren der Schutzpatron der Stadt, der heilige Markus. Der achteckige Zentralbau mit der Hauptpassage zum Canal Grande hin zeichnet sich in der äußeren Architektur durch die Besonderheit der riesigen Voluten aus. Im Inneren befinden sich Meisterwerke von Tizian und Tintoretto.


Santa Maria della Salute. Foto: Andrea Matzker


Bei Vollmond. Foto: Andrea Matzker

Seit über dreihundert Jahren findet jährlich am 21. November das zum Dank an die Madonna für die Errettung von der Pest bestimmte große Fest statt, für das eine Schiffsbrücke von Santa Maria del Giglio über den Canal Grande bis zur Salute hin gebaut wird, über die eine Prozession verläuft. Viele Pilger besuchen die Kirche noch – oder vielleicht gerade – heute, und in den ersten Tagen des September 2020 traf man dort auch auf den durch Hochwasser und Corona leidgeprüften Bürgermeister der Stadt, Luigi Brugnaro, der für seine Stadt und ihre Einwohner zur Madonna betete, damit diese unheilvolle Pandemie beendet werden möge. Mit seiner unvergleichlichen und positiven Ausstrahlung verließ er die Kirche und machte seinen Mitbürgern Mut: „Assieme ce la faremo“, was so viel bedeutet wie „Zusammen schaffen wir das!“

 

Diese Seite drucken