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Tim Theo Tinn‘s Einlassungen:  S. Morabito „Trash-Konsens “ oder TTT „Surreal – über der Realität“? TEIL 2 (es erscheinen drei Teile an drei aufeinander folgenden Tagen)

10.11.2020 | REVIEWS

Tim Theo Tinn‘s Einlassungen:  S. Morabito „Trash-Konsens “ oder TTT „Surreal – über der Realität“?

TEIL 2 (es erscheinen drei Teile an drei aufeinander folgenden Tagen)

Che tempi sono passati? Welche Zeiten sind vorbei?
Vortrag S. Morabito v. September d.J.: Welche Ordnung der Dinge?- Zum Repertoire der Opernbühnen des 17. und 18. Jahrhunderts, https://onlinemerker.com/welche-ordnung-der-dinge-zum-repertoire-der-opernbuehnen-des-17-und-18-jahrhunderts-i-mailwechsel-sergio-morabito-thomas-prochazka/

TTT’s Gegenwurf: „Plädoyer zur Kraft surrealer Inszenierungen“, erscheint in rd. 60 Auszügen aus Publikationen der letzten Jahre in loser Folge im OnlineMerker, dazu auch Abbildungen unter…


Kritisch-paranoischer Surrealismus – Dali

Es wird „historische Besinnung“ in „Morabito-Inszenierungen“ behauptet, zu „Konstellationen unserer eigenen Epoche mit einer ganz bestimmten früheren …“ Da steht TTT verständnislos, gemessen z. B. am o.a. Tannhäuser: was kann mir dieses Trash-Gemurkse sagen?

Zitate: „Die längste Zeit der Operngeschichte galt der Dichter als Autor einer Oper, der Komponist als Theaterschaffender. Ich warne davor, diese Perspektive als kulturhistorische Kuriosität abzutun. Gerade durch ihre Beschränktheit bietet sich die Chance, der Relativität und Historizität unserer eigenen Kriterien inne zu werden. … Heute ist der Komponist keine Theaterschaffender mehr. … ist er zum Autor geworden. … auch die Partitur die Fronten gewechselt, … Dokumentation eines transitorischen Ereignisses, den Status eines autoritativen Textes erlangt“.

Kurios findet TTT diese teils unverständlichen oder selbstverständlichen Aussagen. Immer war und ist der Komponist Theaterschaffender, ohne ihn oder sein kompositorisches Erbe geht nichts im Musiktheater. Auch Autoren waren i.d.R wichtig, aber nie für das Gesamtkunstwert, sondern für Untergeordnetes, manchmal auch nur für eine Grundidee, die von Librettisten aufgenommen und in neue Texte transformiert wurden.

Immer steht der Komponist am Ende des Schaffensprozesses eines Musikdramas. Dem tragen weltweit alle Theater Rechnung, in dem die Ankündigungen sich immer auf die Komponisten beziehen, Autoren und erst recht temporär eingesetzte Regisseure reüssieren im Kleingedruckten.

Der besondere Duktus der prägenden Transformation einer Autorenvorlage durch Komponisten in völlig andere atmosphärische Welten sind in TTT’s letzten Rezensionen von „Onegin“ und den „Vögeln“ beispielhaft erwähnt.

Aus Puschkins Versroman Onegin transformierte Tschaikowski „lyrischen Szenen“ statt der Konvention „Oper“! Lyrisch ist Träumerisches, ist in Fantasiegebilden und Empfindungen feinstoffliche Parallelwelt – und das macht das Faszinosum der Tschaikowski-Schöpfung aus.

Die derbe Komödie „Die Vögel“ von Aristophanes (415 v. Chr.)  wurde durch Braunfels Komposition (1920) zu einem lyrisch durchwirkten fantastischen Spiel transformiert, mit mächtigem Belcanto-Verlangen. Er wählte den Terminus lyrisch-fantastisches Spiel. Das meint Träumerisches, Fantasiegebilde und Empfindungen feinstoffliche Parallelwelt, das Faszinosum dieser Schöpfung.

Zitat TTT: „…eine weltüberhöhende, über Realität stehende Werkimmanenz erfüllt Musikdramen mit Heutigem aus feinstofflichen metaphysischen Bereichen oder aus immer mehr erkannten quanten-physikalischen Wahrheiten, besonders in diesem einzigartigem Musiktheatertypus.“ s. u.  Fußnoten TTT Musiktheaterverständnis

Der Begriff Oper (opera in musica): Grundwort „ opus“  lateinisch für Werk – (indogermanische Wurzel op…für arbeiten), daraus folgt Oper als Bezeichnung für das Werk (auch Gebäude)  Künstler– und Gelehrte im Kreis des Grafen Giovanni Bardi (Rom/Florenz 1534-1612) wiederbelebten antike Tragödien innovativ mit Musik/Gesang.

 1594 schufen Ottavio Rinuccini (Libretto) und Jacopo Peri mit „Dafne“ das erste „dramma musicale“ oder „dramma per musica“ also Drama/Tragödie mit Musik. Man wollte kein spezifisches Musiktheater erschaffen, sondern lediglich antike Tragödien mit Musik unterlegen. Der allgemeine Begriff wurde bald zu „opera seria“ (ernste Oper), „opera buffa“ (heitere Oper) und „opera semiseria“ oder „dramma giocoso“ (heiter und ernsthaft).

Die erste tatsächliche Oper schuf Claudio Monteverdi 1607 (L’Orfeo). Ursprung der Oper im Musiktheater liegt also im ernsthaften tiefschürfenden Gestalten antiker Tragödien mit Musik

Grundsätzlich gilt und galt: Musiktheater ist immer eine Synthese aus Text und Musik, wobei die Musik die wesentlichen feinstofflichen atmosphärischen Elemente schafft.  Regisseur und Dirigent sind, waren und werden immer Nachschöpfende sein. Das ist entgegen S. Morabitos Aussagen Fakt, da selbst in „schrägsten Interpretationen“ die Komposition dominiert, auch die menschliche Auffassungsgabe berührt, die ja über 90 % emotionaler Aufnahme ausmacht.

Somit werden kognitive rationale Momente, optische und verbale Information reduzierter aufgenommen. Musik ist Emotio, Inhalte, Texte Ratio. Augen können den Ohren somit somit in einer „szenischen Neufindung“ gem. Morabito durch Unschlüssigkeit kaum folgen. Empfindung bleibt auf der Strecke, rationaler Wahrnehmungsdruck als rein intellektueller Prozess ernüchtert. Das steht im Widerspruch zur eigentlichen menschlichen Natur, zu den Naturgesetzen. Unser Bewusstsein in Aufnahme und Bewertung arbeitet assoziativ, interpretativ und selektiv, überwiegend emotional. Über 90 Prozent werden somit vom Un–und Unterbewusstsein aufgenommen und reflektiert. Werden diese Kanäle blockiert, entsteht fragendes Unverständnis und Empfindungskollision.  Somit sind  falsche Inszenierungen gegen die Naturgesetze.    

S. Morabito nimmt den Begriff „Dramma per musica“ allzu wörtlich, behauptet, die Übersetzung „Drama für Musik“ belege, dass der Autor wichtiger als der Komponist sei. Butterfly hält auch jeder für Schmetterling und nicht für Butterfliege. Es gibt überkommene Redewendungen – da bin ich doch „heavy on wire“, oder?

Zitat: Die von den alten handschriftlichen Partituren protokollierten zu ihren Zeit aktuellen musikalischen Interpretationen eines klassischen Sujets oder Librettos sind heute selbst zu „klassischen Texten“ geronnen. Das heißt aber auch: von sich aus können sie den Gegenwartsbezug des Theaters nicht mehr sichern, sondern sind ihrerseits angewiesen auf ihre szenische Neuinterpretation. Als Gegenbewegung zur Formierung eines musikalischen Werkbegriffs übernahm die Inszenierung mehr und mehr die Aufgabe künstlerischer-kreativer Vergegenwärtigung. Die Spannung zwischen einer  zugrunde gelegten historisch -kritischen Partituredition einerseits und einer szenischen Neufindung andererseits, die heute anspruchsvolle Opernaufführungen charakterisiert, ist daher kein Widersinn.“

Das wirkt abstrus. Eine musikalische, durchaus historische Qualität soll also mit der Zeit gemeinsam mit dem Libretto nur noch textlich zu definieren, inhaltlich gegenstandslos geworden sein? Und dadurch nach völliger Aufgabe des Librettos „schreien“, quasi nur durch Aufgabe aller Umstände des Librettos (auf deren Grundlage die Komposition ja erst entstehen konnte – es gibt wenige Ausnahmen, z. B. Wiener Blut) in werkfremder Neufindung bestehen können, die dann damit i.d.R. auch nicht mehr mit der Komposition korrespondiert?

Der Ansatz hat keine Schlüssigkeit. Mögen auch die Texte über die Jahrhunderte neusprachlich überarbeitet werden können, bleibt geniale Musik doch unantastbar. Morabito-Ausprägungen bedingen derzeit aber auch noch völlige Übernahme der alten Texte, die dann allerdings oft bei konträrem Handeln in der Szene widersprüchlich runtergesungen werden müssen.

Der behaupteten szenischen Neuinterpretation ist zu widersprechen, es wird i.d.R nicht interpretiert, also vorhandene Grundlagen alternativ gesichtet, sondern willkürliche Beliebigkeit ohne jeden Bezug aufgepfropft. Bisheriges Unverständnis klärt sich damit.

 Es sind anmaßende Auftragungen auf geniale Kompositionen, die i.d.R. wider aller Werk-Intentionen sind. Somit mögen hochwohligen Inszenierungsoberhäupter in der Lesart von Herrn Morabito, die Regisseure, ihrer Arbeit Schlüssigkeit geben und die neue bessere nötige Musik selbst schaffen oder schaffen lassen. Die aktuellen Umstände sind einfach falsche Inszenierungen, weil Text und oft auch Musik widersprüchlich zur neuen Szene sind.

Dann mögen also die Spielpläne bereinigt werden – oder es bleibt bei schlechten, weil falschen Inszenierungen, möge Manches auch durchaus unterhaltsam sein.

Zum angeblich fehlenden Gegenwartsbezug historischer Stoffe: Auszüge einer TTT Rezension mit Auflistung dramatischer Konflikte, die die Behauptung fehlenden Gegenwartsbezuges entlarvt.

Zum Dramaturgen-/Inszenatoren-Handwerk gehörten einmal zur „analytischen Verbindlichkeit“ „Konflikt-Szenogramme“. Diese Arbeit verlangt die detaillierte Partitur-/Libretto-Analyse und muss zur Auflistung sämtlicher dem Stück innewohnenden „dramatischen Konflikte“ führen. Diese müssen dann aus dem historischen in zeitgemäßen Kontext transformiert werden. Schon ist man in der Werkimmanenz und kann daraus die weiteren z. B. surrealen Ingredienzen kreieren. Fortsetzung folgt

Haben Manche den Vortrag von S. Morabito nun falsch verstanden oder wurde verfehlt formuliert?

 Tim Theo Tinn – 17. Nov. 2020

TTT‘s Musiktheaterverständnis ist subjektiv davon geprägt keine Reduktion auf heutige Konsens- Realitäten, Yellow-Press (Revolverpresse), Trash – Wirklichkeiten in Auflösung aller konkreten Umstände in Ort, Zeit und Handlung zuzulassen. Es geht um Parallelwelten, die einen neuen Blick auf unserer Welt werfen, um visionäre Utopien, die über der alltäglichen Wirklichkeit stehen – also surreal (sur la réalité) sind.

Profil: 1,5 Jahrzehnte Festengagement Regie, Dramaturgie, Gesang, Schauspiel, auch international. Dann wirtsch./jurist. Tätigkeit, nun freiberuflich: Publizist, Inszenierung/Regie, Dramaturgie etc. Kernkompetenz: Eingrenzung feinstofflicher Elemente aus Archaischem, Metaphysik, Quantentheorie u. Fraktalem (Diskurs Natur/Kultur= Gegebenes/Gemachtes) für theatrale Arbeit. (Metaphysik befragt sinnlich Erfahrbares als philosophische Grundlage schlüssiger Gedanken. Quantenphysik öffnet Fakten zur Funktion des Universums, auch zu bisher Unfassbarem aus feinstofflichem Raum. Glaube, Liebe, Hoffnung könnten definiert werden). TTT kann man engagieren.

 

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