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Theater Erfurt/ Feuilleton über die Auseinandersetzung um die Weiterbeschäftigung des Generalintendanten Guy Montavon Das Possenstück von Erfurt

28.01.2024 | Reflexionen-Festspiele

Theater Erfurt/ Feuilleton über die Auseinandersetzung um die Weiterbeschäftigung des Generalintendanten Guy Montavon

Das Possenstück von Erfurt

Ach, was waren das für schöne Zeiten, als Intendant Guy Montavon und Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein sich vor dem Casino Monte Carlo zum gemeinsamen Foto aufstellen konnten. Das war im April 2022. Die vollkommene Harmonie von Theater und Stadtpolitik wurde in einem einzigen Bild eingefangen. Ein bisschen Glamour! Wie schön!

Wie bei mancher Farce kommen nach dem idyllischen ersten Aufzug die dunklen Wolken. So auch in Erfurt! Da kommt plötzlich diese Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Erfurt und plärrt etwas in die Öffentlichkeit. Nicht schön! Sagt der OB Bausewein und kehrt gleich mal mit eisernem Besen. Schwups ist die Gleichstellungsbeauftragte Mary-Ellen Witzmann gekündigt.

Nun erhebt sich ein wenig Protest in Erfurt. Keine Sorge, sagt der OB, eine Anwaltskanzlei aus Berlin (Kanzlei FS-PP Berlin Part mbB) wird noch alles aufklären.

Da reisen die Herren Anwälte aus Berlin (Kanzlei FS-PP Berlin Part mbB) an und befragen alle. Auch Montavon will aufklären und mahnt zur Besonnenheit.

Nun verkünden die Anwälte ihren Bericht und der steht auch auf der Internetseite der Stadt Erfurt:

„Zu Ergebnissen und Feststellungen des Untersuchungsberichts und weiteren Defiziten:

 …Festgestellt wurden im Ergebnis Rechts- und Regelverstöße im Theater Erfurt, aber keine verfolgbaren Straftaten. Gravierend ist die Erkenntnis, dass die Organisationskultur Vorgänge, wie sie im Untersuchungsbericht aufgedeckt wurden, zulässt: „Im Theater Erfurt ist keine Compliance-Kultur etabliert, die der Begehung von Taten der sexuellen Belästigung und des Machtmissbrauchs entgegenwirken würde. Wir mussten im Gegenteil einen klar negativen Tone from the Top feststellen. Gegen den Generalintendanten bestehen Verdachtsfälle, durch unangemessenes Verhalten gegenüber Beschäftigten schuldhaft seine dienstlichen Pflichten bzw. seine Fürsorgepflicht verletzt zu haben…

 …Weiterhin hält der Bericht fest, dass die Leitungskräfte des Theaters, nämlich die beiden Werkleitungen und der langjährige Personalleiter, es versäumt hätten, ein auf Prävention von Diskriminierung, insbesondere Diskriminierung auf sexueller Grundlage, ausgerichtetes Konzept zu etablieren und fortzuentwickeln. Anhaltspunkte für die Notwendigkeit wären intern gegeben gewesen…

 Einen Neustart mit der bisherigen Werkleitung sieht die Kanzlei als nicht möglich an.

 Diese summarische Ergebnisveröffentlichung ist mit der Kanzlei FS-PP abgestimmt…

 (Erfurt.de – das offizielle Stadtportal der Landeshauptstadt Thüringens vom Pressemitteilung: 22.01.2024)

 

Nun sollte der Intendant erst einmal freigestellt werden. Anzumerken ist, dass Guy Montavon es natürlich besser weiß, wie man es richtigmacht. Auf seiner persönlichen Internetseite bietet Guy Montavon im Portfolio folgendes an:

„Meine Themen:

Diese und zukünftig erweiterbare Themen kann ich auf Wunsch in französisch, italienisch, englisch und deutsch vortragen:

 Compliance: „Hug you Goethe!“

Welche Werte sind heute noch Wirklichkeit?“

 Soweit das Zitat von Montavons Webseite.

 Und Montavon kann seinen Vortrag gleich in vier Sprachen über die richtigen Verhaltensregeln halten. Und der Mann weiß, wovon er spricht, schließlich ist er ja „Vorsitzender des Thüringer Landesverbandes des Deutschen Bühnenvereins (seit 2012)“.

Übrigens, der Bühnenverein hat ja auch ein schönes Papier für alle Führungskräfte ausgearbeitet:

 „Wertebasierter Verhaltenskodex Fassung vom 28.10.2021

 Als Arbeitgeber*innen stehen wir in der Pflicht, unsere festangestellten und freiberuflichen Mitarbeiter*innen und Arbeitspartner*innen aktiv vor jeder Form von Diskriminierung, sexuellen Übergriffen, Machtmissbrauch, Mobbing und herabwürdigendem Verhalten zu schützen.

 Wir dulden keine Benachteiligungen aufgrund von nationaler oder ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, politischer Überzeugung, Behinderung, Alter, Familienstand, sexueller Identität oder Orientierung sowie sozialer Herkunft.

 Um diese Werte im Alltag wirksam werden zu lassen, bekennen wir uns zu den folgenden Verhaltensregeln, deren Geltung auch unter den Mitarbeitenden in unserer Verantwortung liegt:  – Ich verhalte mich anderen gegenüber rechtskonform und respektvoll. Das gilt auch für den künstlerischen Arbeitsprozess.

– Ich unterlasse jede körperliche, sprachliche oder gestische Form von Übergriff oder Diskriminierung.

– Ich bin mir bewusst, dass mein Verhalten bei meinem Gegenüber eine andere Wirkung erzielen kann als beabsichtigt. Deshalb bemühe ich mich darum, eindeutig und klar zu kommunizieren. Ich verhalte mich empathisch, selbstkritisch und gesprächsbereit.

– Ich gehe gewissenhaft mit der mir übertragenen Verantwortung um.

– Ich spreche Konflikte offen an und trage aktiv dazu bei, diese fair zu lösen.

– Ich schreite ein, wenn ich Zeug*in von situationsunangemessenem Verhalten jeglicher Art werde und spreche dies direkt an.

– Bei der Aufklärung von Übergriffen oder diskriminierendem Verhalten unterstütze ich eine umfassende und ergebnisoffene Prüfung und höre allen Beteiligten unvoreingenommen zu.“ So lauten die guten Vorsätze des Deutschen Bühnenvereins.

 Um es noch einmal deutlich zu sagen:

„Gegen den Generalintendanten bestehen Verdachtsfälle, durch unangemessenes Verhalten gegenüber Beschäftigten schuldhaft seine dienstlichen Pflichten bzw. seine Fürsorgepflicht verletzt zu haben.

 …Entscheidend aber ist, dass diese Art der Führungskultur, die ganz offensichtlich ein nicht zeitgemäßes Verhaltensmilieu prägt, abgestellt werden muss.“

 (Erfurt.de – das offizielle Stadtportal der Landeshauptstadt Thüringens vom Pressemitteilung: 22.01.2024)

 Also, die von Herrn OB Bausewein beauftragte Anwaltskanzlei hatte da so ihre Zweifel, wie der „summarische Bericht“ ja darlegt. Außerdem wurde von der Anwaltskanzlei festgestellt, dass es mit diesem Intendanten so nicht weitergehen kann:

„… Einen Neustart mit der bisherigen Werkleitung sieht die Kanzlei als nicht möglich an. Diese summarische Ergebnisveröffentlichung ist mit der Kanzlei FS-PP abgestimmt…“

Zweiter Aufzug der Posse: Mal schön entspannt, meint der Kulturdezernent Dr. Knoblich, jetzt wird der Intendant erst mal einen Monat beurlaubt. Gleich melden sich viele, die rufen: „Der sollte gehen!“ Sie finden auch allerlei Begründungen z. B.: Das Minus von einer Millionen Euro bei den Domstufen-Festspielen soll Montavon mitverursacht haben usw.

Seitenblick: So etwas Ähnliches gab es schon mal in Gera im Jahr 2011, da reichte „wegen nur einer Millionen minus“ der damalige Intendant Matthias Oldag seinen Rücktritt ein.

 Für das Komödienstück in Erfurt hat der Erfurter OB Bausewein eine andere Dramaturgie vorbereitet:

„Guy Montavon bleibt Generalintendant in Erfurt, 26. Januar 2024, MDR Thüringen

 Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD) hatte am Freitag erklärt, Montavon solle trotz der Affäre an seinem Haus nicht länger freigestellt sein und bis zum Ende der Spielzeit 2024/2025 Generalintendant bleiben. Der Stadtrat muss dieser Entscheidung noch zustimmen, eine Sondersitzung ist für den 31. Januar geplant. Bausewein kündigte zugleich an, den Theaterbetrieb schon ab der nächsten Spielzeit 2024/25 – und damit deutlich früher als ursprünglich geplant – grundlegend zu erneuern. Das Amt des Generalintendanten solle entfallen. Der organisatorische Zuschnitt des Theaters soll verändert werden. Montavon steht laut der Stadt Erfurt auch nach Beendigung seiner Generalintendanz beratend für die Transformation des Hauses zur Verfügung. Bisher sahen die Pläne der Stadt vor, dass das Theater Erfurt erst ab 2027 nicht mehr von einem Intendanten, sondern von einem Leitungsgremium geführt werden sollte.“

Wenn Ihnen liebe Leser/innen jetzt die Worte fehlen, könnte Ihnen Herr Montavon auch noch hier behilflich sein.

Auf seiner Homepage finden Sie die Lösung:

Ihnen fehlen die Worte? Kein Problem! Wenn es darum geht, ein Publikum zu informieren, zu unterhalten oder eine Botschaft zu vermitteln, greife ich auf meine jahrelange professionelle Erfahrung als Regisseur und Opernintendant zurück.“

 Was für ein „Tausendsassa“ in unserer Erfurt-Posse. Ein Mann für jede Situation und alle Fälle. Leider wollen das nicht alle begreifen. Aus dem Stadtrat kommen „Protest-Rufe“. Einige wollen ihn doch nicht mehr. Dabei will OB Bausewein den Montavon auch noch als Berater über seine Intendantenzeit hinaus. Was für ein genialer Schachzug!

 Wozu soll er eigentlich beraten?

Wie man die nächsten Millionen verliert und sich trotzdem erfolgreich gibt?

 Oder: Wie man Publikum einbüßt und ein erfolgloses Programm für „supertoll“ hält?

 Oder soll er beraten: Wie man einen herrschaftlich-übergriffigen Leitungsstil in ein „Mutter-Theresa-Fürsorge-Programm“ umdeutet?

 Im letzten Akt des Komödienstadls gibt es ja immer eine lustige Auflösung. Manchmal werden sogar gute Vorsätze und Vorschläge gemacht.

An diesem dramaturgischen Wendepunkt würde ich noch eine ganz besondere Empfehlung geben:

Da die Stelle der Gleichstellungsbeauftragen gerade frei ist, könnte der allseits talentierte Generalintendant Guy Montavon auch noch diesen Posten übernehmen. Geeignet ist der Mann für jede Lebenslage, wie er auf seiner eigenen Homepage selbst schreibt:

„Mit Expertise und Humor liefere ich wertvolle und praxisorientierte Impulse für Ihr Unternehmen oder begleite Ihre Veranstaltung unterhaltsam und mit überzeugendem Auftreten um Ihr Event zu einem unvergesslichen Erlebnis zu machen.“

Wäre das nicht „Toll!?“

Thomas Janda

 

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