Ab 14. Juni 2013 in den österreichischen Kinos
THE PLACE BEYOND THE PINES
USA / 2012
Regie: Derek Cianfrance
Mit: Ryan Gosling, Bradley Cooper, Eva Mendes u.a.
Ein Film, zwei Schicksale (mindestens): Zwei Männer, die an sich nichts mit einander zu tun haben, aber in einem Moment zusammentreffen, der für den einen letal, den anderen lebensprägend ist. Am Ende ist man bei der nächsten Generation gelandet, die gewissermaßen „erfüllt“, was in den Vätern angelegt war. Eine rundum seltsame Angelegenheit, die weniger von der Story als von den beiden Hauptdarstellern her überzeugt. Wobei der Film mit knapp zweieinhalb Stunden überlang ist und diese Zeit nicht immer gänzlich so füllt, dass der Betrachter gerne bei der Stange bleibt.
Es beginnt mit Luke – Ryan Gosling ist mittlerweile einer der interessantesten jungen Schauspieler Hollywoods, einer, der nie auf sein gutes Aussehen setzt, sondern immer auf die Fähigkeit, einen ganz besonderen Charakter zu kreieren. Diesmal spielt er einen Motorrad-Artisten, der auf Jahrmärkten seine lebensgefährlichen Kunststücke dreht und weiter zieht. Ein Leben, das er nicht hinterfragt, bis Romina, eine junge Frau, an die er sich kaum mehr erinnert (Eva Mendes spielt diesmal exzellent das Unterschicht-Geschöpf mit dem Bedürfnis, sein Leben ordentlich in den Griff zu bekommen), einen kleinen Sohn hat – und dieser ist sein Sohn. Damit ändert er auf der Stelle sein Leben, lässt den Zirkus weiterziehen, will nichts als sich seine Familie holen – aber Romina lebt mit einem Schwarzen (Mahershalalhasbaz Ali) zusammen, der sehr gut zu ihr ist und in seinem Verhalten keinerlei Klischees bedient: Möge jeder Mann angesichts schwieriger Verhältnisse so viel Besonnenheit an den Tag legen…
Relativ schnell relativ viel Geld zu machen, ist nirgendwo auf der Welt mit ehrlicher Arbeit zu erreichen. Spätestens hier wird klar, dass es sich bei diesem anspruchsvollen Film von Regisseur Derek Cianfrance (nach eigenem Drehbuch) jetzt nicht nur um einen Mann handelt, den die Tatsache, Vater zu sein, verwandelt hat. Es geht auch um eine Unterschicht, die mehr zum Leben braucht, als sie je bekommen können. Luke will sich um seinen Sohn kümmern, will Geschenke machen, will die Frau wiederhaben. Er verfügt eigentlich über keinen kriminellen Instinkt: Der Mechaniker Robin (Ben Mendelssohn), in dessen schäbiger Bude er Unterschlupf findet, hat diesen reichlich – und er nützt nach Banküberfällen Lukes Fähigkeit, auf dem Motorrad die Flucht anzutreten, so dass niemand ihn je fangen kann. Wie das Leben so spielt (und in diesem Fall ist es wirklich so), geht das so lange gut, bis es einmal schief geht.
Da erst, es ist zweifellos mehr als eine Stunde vergangen, kommt jener Mann ins Geschehen, dessen Name seit einigen guten Rollen (obwohl er weiterhin nebenbei schlechte spielt) in den Vordergrund getreten ist: Bradley Cooper als Avery Cross, seines Zeichens schlichter Polizist. Er trifft mit dem fliehenden Luke, der sich in einem Haus versteckt hat, zusammen. Er zieht und schießt, obwohl er es nicht müsste. Der andere ist tot, niemand macht dem Polizisten einen Vorwurf, den „Abschaum“ entsorgt zu haben. Im Gegenteil – der Cop ist ein Held.
Und nun beginnt tatsächlich ein neuer Film, denn wir sind bei Avery, der eigentlich zu anständig ist, um mit seinen unanständigen Kollegen (Ray Liotta spielt solche Typen hervorragend) gemeinsame Sache zu machen. Was ziemlich letal ausgehen kann, wenn man sich nicht hütet. Und nun kommt die Aufstiegs-Story – Avery, der immerhin einen sehr potenten Politiker-Vater (Harris Yulin) hat, was immer hilfreich ist, geht in die Politik. Macht Karriere. Hat seine „Schuld“ immer irgendwo im Hinterkopf: Und wird damit konfrontiert, als er einem 15jährigen Jungen gegenübersteht, der genau so alt ist wie sein eigener Sohn (nur kein ganz so mieser Charakter) – und natürlich der Sprössling des Getöteten.
Tatsächlich beginnt jetzt ein dritter Film, der von diesen Söhnen handelt – der chancenlose Jason (Dane DeHaan), der es in seiner Vaterlosigkeit schwer hat, und der so überprivilegierte wie verderbte AJ (Emory Cohen). Auch da verweben sich die Schicksale, die Dramatik hebt sich von der sozialen Ebene auf die psychologische. Und das Ende schwebt zwar in der Luft – aber das einigermaßen befriedigend (weil dramaturgisch stimmig).
Sicher ist das kein Film, bei dem man sich ungemein unterhält, weil der „Unterhaltungs“-Faktor – selbst wenn es um Bankraube, wenn es um schmutzige Politik geht – eigentlich auf niedriger Flamme kocht. Erst behauptet Ryan Gosling ganz stark Lukes Schicksal, dann tut Bradley Cooper dasselbe mit jenem von Avery, und schließlich verweben sich die beiden Söhne kurzfristig, bis das Leben sie wieder auseinandersprengt. Immerhin – am Ende ist es keine soziale Schnulze geworden (was leicht hätte passieren können), sondern ein ausdifferenziertes Drama, das seine entsprechende Umsetzung erfuhr.
Renate Wagner