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THE IMPOSSIBLE

29.01.2013 | FILM/TV

Ab 1. Februar 2013 in den österreichischen Kinos
THE IMPOSSIBLE
Spanien / 2012
Regie: Juan Antonio Bayona
Mit: Naomi Watts, Ewan McGregor, Tom Holland u.a.

Das Theater – und damit auch der Film, sofern es um „Dramaturgie“ geht – kennt den Begriff der Fallhöhe. Je größer die Gegensätze, umso stärker wirken sie. Also beginnt alles so wunderbar wie erträumt: Eie englische Familie zieht für ihren Weihnachtsurlaub 2004 in einen wirklich prachtvollen Bungalow in einem thailändischen Ferienort ein. Keine Frage, dass Maria und Henry ein glückliches Paar sind und die drei Söhne (5, 7 und ein junger Teenager) keine unerträglichen Fratzen. Man schaut beim harmonischen Verteilen der Geschenke zu. Nein, nach Familienproblemen sieht es nicht aus. Und dennoch ereilt diese fünf die denkbar größte Tragödie – eine Katastrophe, die nur für jene rund Viertelmillion Menschen schlimmer war, die sie nicht überlebt haben…

Damals, als die ganze Welt zu Weihnachten 2004 von dem Tsunami in Südostasien wirklich erschüttert wurde, hätte man sich nie gedacht, geschweige denn gewünscht, dass dies je zum Thema eines Katastrophenfilms geraten würde. Doch fast ein Jahrzehnt später ist es so weit, und man kann nur froh sein, dass der spanische Regisseur Juan Antonio Bayona einigermaßen gewissenhaft mit seinem schauerlichen Thema umgegangen ist. Aus der spanischen Familie, an deren reales Schicksal er sich hielt, hat er eine britische gemacht – mit internationaler Besetzung ist dies dann auch besser verkäuflich… abgesehen davon, dass man sich natürlich fragen muss, wer dergleichen eigentlich sehen möchte.

Denn als die große Welle kommt, ist das schier unglaubliches Entsetzen – und man kann sich nur fragen, wie die Beteiligten vor allem die Flutwellen-Szenen des in Spanien und Thailand gedrehten Films geschafft haben. Das ist schier unglaublich, zumal man Maria und ihren ältesten Sohn Lucas mitten drinnen erlebt, wie sie weggeschleudert und fast zermalmt werden. Was Special Effects heutzutage schon vermögen?

Im Grunde besteht der Film aus drei Teilen: die glückliche Exposition in Erwartung des herrlichen Weihnachtsurlaubs unter Palmen. Die Katastrophe der Flutwelle, die schlimm genug ist, aber nicht übermäßig lang dauern kann. Und anschließend das, was man sich eigentlich nie so richtig bewusst gemacht hat – Tote, Verwundete, das totale Chaos, auseinander gerissene Menschen, die völlige Orientierungslosigkeit, die Hilflosigkeit der Betroffenen, die Schwierigkeiten der Einheimischen, das Drama logistisch in den Griff zu bekommen. Das ist letztendlich die Geschichte, die im Hauptteil des Films erzählt wird.

Die Familie wird getrennt, der Vater war mit den beiden jüngeren Söhnen zusammen, man muss also mit zwei Familienhälften bangen. Henry und die kleinen Buben sind nicht so schwer verletzt, aber er weiß weder, wo seine Frau und Lucas sind, noch was er mit den Kleinen machen sollen, während er seine Frau sucht. Offenbar gab es Transporte, wo man „herrenlose“ Kinder zusammen auf Lastwagen packte und irgendwo hin brachte. Und die schwer verletzte Maria landet in einem Notkrankenhaus, wo man sie notdürftig operiert und der halbwüchsige Lucas die Verantwortung übernimmt, dass sie nicht in einer Ecke vergessen wird…

Der Regisseur beschönigt hier gar nichts, aber er putscht die Handlung auch nicht spekulativ noch weiter auf. Es bleibt alles noch tragisch und unerträglich genug. Wie in dieser Situation extremer Not auf der einen Seite der blanke Egoismus vorherrscht, andererseits aber auch extreme Bereitschaft zur Hilfe, das arbeitet der Film genau heraus – wenn etwa der junge Lucas (der damals 16jährige, jünger wirkende Tom Holland wird zum eigentlichen Helden und der Angelfigur des Films) im Spital herumstreift und es unternimmt, getrennte Familienmitglieder zusammen zu bringen…

Wenn die Handlung auch meist bei Maria und Lucas verharrt, so sieht man doch den verzweifelten Henry – und es ist „Kino pur“, wenn die kleinen Söhne auf einem Lastwagen fast weggebracht werden, man gleichzeitig sieht, wie Lucas in ihrer Nähe herumirrt und man in die irrationalen Ängste des allwissenden Kinobesuchers verfällt: Bitte, bitte, lass sie einander finden, bevor es zu spät ist!

Für Naomi Watts als die anfangs so glückliche, dann auf den Tod schwer verletzte Maria ist der Film ein Meilenstein in ihrer Karriere (samt verdienter „Oscar“-Nominierung) – ohne Pathos tapfer und immer mehr um ihre Umgebung besorgt als um sich, stirbt sie beinahe. Und man glaubt auch Ewan McGregor die Verzweiflung eines Mannes, der nichts anderes weiß, als dass seine halbe Familie möglicherweise tot ist.

Es hat sich herumgesprochen, dass es ein „Happyend“ gibt, dass sie am Ende nach Singapur ausgeflogen wurden (offenbar hatten sie genügend Geld für das Privatflugzeug), wo die Heilungschancen der Mutter entschieden besser waren als im Chaos der Tsunami-Welt. Aber wie man ein solches Ereignis je überwinden kann, wenn man schon beim Zusehen im Kinosessel echte Beklemmung fühlt, wenn die Wassermassen kommen, das weiß keiner. Jedenfalls hat Juan Antonio Bayona (trotz einiger Sentimentalitäten, die wohl nicht zu vermeiden kann) keinen billigen Katastrophen-Schmarrn daraus gemacht, sondern eine echte Situationsschilderung. Die jeden dankbar hinterlässt, der das nicht am eigenen Leib erleben musste.

Renate Wagner

 

 

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