Ab 12. Oktober 2012 in den österreichischen Kinos
SISI … UND ICH ERZÄHLE EUCH DIE WAHRHEIT 3D
Dokuspielfilm / Österreich / 2012
Regie: Mario Vinci
Mit: Romy Schneider, Karlheinz Böhm, Florentín Groll, Anna Berg, Jessica Franz u.a.
Will man über diesen Film ein wenig mehr im Internet finden, stößt man auf seltsame Uralt-Informationen, die niemand gelöscht hat. Da sollte dieser Film unter demselben Titel schon 2008 zum 110. Todestag von Kaiserin Elisabeth herauskommen, und „Universum“-Spezialist Kurt Mündl war als Drehbuchautor und Regisseur gedacht (die Kaiserin als seltsame Spezies, als rares Tier zu betrachten?). Weder Mündl noch seine angedachte Besetzung haben das Projekt überlebt – nun erscheint der Film mit demselben Titel zum 175. Geburtstag Elisabeths von einem Herrn Mario Vinci, dessen Identität nicht zu lüften ist.
Besonders sinnlos an diesem semidokumentarischen Unternehmen erscheinen die 3 D-Brillen, die sich der Zuschauer auf die Nase drücken muss, um das Bild deutlich zu sehen – aber nichts an dieser extrem sparsam gemachten Geschichte geht im doppelten Wortsinn „in die Tiefe“. Denn – „What’s new, Pussycat?“ Welche Wahrheiten wären über Elisabeth zu erzählen, die nicht zahllose Male schon ausgebreitet, ja vor der Öffentlichkeit geradezu ausgeweidet worden sind bis zur letzten Indiskretion?
Man konnte für diesen Film auf ein paar Szenen der „Sissi“-Filme mit Romy Schneider und Karlheinz Böhm zurückgreifen (bunt und unerträglich lieblich / sentimental) sowie auf einen Stummfilm, der drollig-pathetisch Elisabeths Ermordung in Genf zeigt (mit einem grimmig entschlossenen Lucheni, der ihr die Feile in die Brust stößt). Im übrigen gehen zwei Damen als Elisabeth meist spazieren – in Schönbrunn oder im Lainzer Tiergarten, für mehr dürfte das Budget nicht gereicht haben (Korfu und ihr Achilleion kommen demzufolge gar nicht vor).
Jessica Franz spielt die Elisabeth in wenigen Szenen in der vollen Schönheit ihrer großen Jahre, aber die meiste Zeit hält Anna Berg ihr verbittertes Gesicht in die Kamera und versucht eine einsame, tragische Gestalt zu zeichnen. Als Mann der verbindenden Worte fungiert Florentin Groll als jener Dr. Widerhofer, der tatsächlich der Leibarzt der kaiserlichen Familie war.
Das Drehbuch macht einen entscheidenden Fehler: Es bettet Elisabeth in keiner Weise in ihre Umwelt ein. Nach der herzigen Romy zu Beginn und vor der sterbenden Stummfilmdiva gibt es nur die einsame Kaiserin – dass sie dieses isolierte Leben auf Kosten anderer, vor allem ihres Gatten führte, dass sie nie bereit war, für ihr Luxusleben zu „arbeiten“ und ihre Pflicht als Kaiserin zu tun, dass sie Mann und Kinder sträflich vernachlässigte, wird ebenso unter den Tisch gekehrt wie ihr schwärmerisches Verhältnis zu Ungarn, das schließlich einige politische Folgen hatte.
Also, welche „Wahrheit“ wird über diese singuläre Egozentrikerin erzählt? Dass Elisabeth eine dichtende Schwärmerin, eine abergläubische Mystikerin war? Dass sie rauchte und einerseits tagelang nur Fleischsaft zu sich nahm, andererseits Süßigkeiten mochte, vor allem Veilchenkonfekt? Dass sie Fotos sammelte, wie eine Wilde ritt und in Gewaltmärschen durch die Natur ihre bedauernswerten Hofdamen hinter sich herschleppte? Dass ihr Schönheitskult geradezu perverse Ausmaße annahm (eine Szene verblüfft tatsächlich: wenn sie wie in einem Käfig dasitzt, wie an langen Zöpfen „aufgehängt“, weil sie tatsächlich ihre Haare aufhängen ließ, da die vielen Kilo, die sie da aufgetürmt auf ihrem Nacken trug, sie schwer belasteten)? Freilich, dass man bei ihrem Tod entdeckte, dass sie sich tätowieren ließ (Skandal!), das wird nicht erwähnt…
Besonders albern ist die Rekonstruktion einer Erpressergeschichte, wo ein besonders einfallsreicher Herr Elisabeths Kopf auf ein Aktfoto montierte und den Kaiser damit erpressen wollte… was die Polizei nachhaltig verhinderte. Das soll ein Skandal und eine Neuigkeit sein, die einen solchen Film rechtfertigt?
Am Ende kann man Elisabeth nur eines wünschen: Dass man nicht dauernd nach neuen „Wahrheiten“ über sie lechzt, sondern endlich einmal ihre Akten schließt. Man hat sie für alles nur Denkbare instrumentalisiert – nun könnte man sie in Ruhe lassen.
Renate Wagner