SEIJI OZAWA beim MATSUMOTO FESTIVAL: Beethoven Symphonien Nr. 2 und 7, Chorfantasie Op. 80, Saito Kinen Orchester, Martha Argerich – EuroArts Bluray
Der Karajan-Schüler Ozawa ist in Wien vor allem durch seine herausragende Position als musikalischer Leiter der Wiener Staatsoper (2002-2010) in der Ära Holender bekannt geworden. Seine „Pique Dame“ mit Freni, Atlantow und Mödl wird mir immer in Erinnerung bleiben. Er ist aber auch neben dem bekannten Wirken bei den Klangkörpern San Francisco Symphony, Toronto Symphony und Boston Symphony und das ist mindestens ebenso bedeutend – Gründer des Saito-Kinen-Festivals in Matsumoto. Seit 2015 trägt das Festival den Namen Seiji Ozawa-Festival.
Anlässlich seines 80. Geburtstags spielte Martha Argerich in Matsumoto Beethovens Chorfantasie op. 80 und ein Geburtstagsständchen für den Maestro. Natürlich gab es auch viel Jubel und eine Torte, wie im zweiten „Extra“ der Blu-Ray ersichtlich. Ozawa wird mit den nun veröffentlichten Filmen aus drei unterschiedlichen Auftritten ja nicht nur als verdienter Dirigent, sondern als große Persönlichkeit des japanischen und internationalen Musiklebens gefeiert. Seiji Ozawa und Kazuyoshi Akiyama hatten anlässlich des 10. Todestags von Hideo Saito im Jahre 1984 das Saito Kinen-Orchester gegründet. Der Verdienst von Hideo Saito lag darin, dass er westliche Musik und Spieltechniken nach Japan brachte. Seither lädt der berühmte gertenschlanke Maestro mit wehendem weißem Haar und quirligen, bisweilen raubtierhaften Bewegungen jedes Jahr im Sommer eine Gruppe herausragender Musiker um sich, um in Matsumoto zu musizieren. Dass hier auch junge Künstler nicht zu kurz kommen, sieht man an der Zusammensetzung des internationalen Orchesters, besonders aber an den jungen Stimmen des OMF-Chors. Hier sorgen exzellente Sängerinnen und Sänger für einen wahrlich genussreichen Chorklang bei Beethovens hymnischer Chorfantasie. Eine luxuriöse Solistenschar ohne Fehl und Tadel betonte den feierlichen Charakter des Konzerts: Lydia Teuscher, Rie Miyake, Nathalie Stutzmann, Kei Fukui, Jean-Paul Fouchécourt und Matthias Goerne. Musikalisch gab Argerich mit der Einleitungskadenz sozusagen den „Takt“ vor, Ozawa war hier nicht mehr und nicht weniger als ein wunderbar sensitiver und aufmerksamer Begleiter, der mir den Augen und den Lippen an der pianistischen Kunst der gestrengen Argerich hing.
Die beiden anderen Konzerte waren ebenfalls Beethoven gewidmet: Seine Symphonie Nr. 2 in D Dur, op. 36 live aus der Kissei Bunka Hall, Matsumoto vom August 2015 sowie die Symphonie Nr. 7 in A Dur, op. 92, ebenfalls live aus der Kissei Bunka Hall vom August 2016.
Musikalisch laufen diese Konzerte für mich außer Konkurrenz. Dies gesagt nur kurz: Ozawa, bei dem 2010 ein Speiseröhrenkrebs diagnostiziert wurde, pausierte lange. Sein Dirigat lebt heute mehr vom Ausdruck der Augen und seiner Autorität als Künstler als von prägnanter Zeichengebung. Motorisch ist der Maestro nur noch ein Schatten seiner selbst. Die größten und bemerkenswertesten Leistungen etwa mit dem Boston Symphony Orchester liegen für mich im französischen und russischen Konzertrepertoire. Beim deutschen Repertoire schieden sich seit jeher die Geister. So sind zwei Werke Beethovens in unterschiedlicher Streicherstärke zu hören, mit gedehnten langsamen Sätzen und wenig akzentreich (Blechbläser in der siebenten) im Vergleich zu anderen Interpretationen.
Fazit: Ein Tonträger in tollem DTS HD Master Audio 5.0, eine Hommage an eine herausragende Musikerpersönlichkeit mit feinen musikalischen Momenten.
Dr. Ingobert Waltenberger