Schloss Mainau im Glanz junger strahlender Stimmen beim Anneliese- Rothenberger-Wettbewerb – 1.- 23. Juni 2023
Anneliese Rothenberger Preisträgerkonzert 2023. V.l.n.r.: Brigitte Stephan (Mitglied Kuratorium EKFM), Thomas Voigt (Künstlerischer Leiter AR-Wettbewerb). Prof. Ks. Edda Moser, Dr. Germinal Hilbert (Musikagent), Eberhard Leuser (Korrepetitor), Boshana Milkov, Lukas Lemcke, Christian Graf Bernadotte (Präsident EKFM), Neža Vasle, Wolfgang Wiechert (Korrepetitor), Flavia Striquer, YeJune Park, Laia Vallés, Robin Neck. Copyright: EKFM/ Anna Glad
31 junge Operntalente reisten für den auf die Blumeninsel. Seit über 20 Jahren wird mit dem renommierten Sängerwettbewerb an Anneliese Rothenberger erinnert. Neben ihrer weltweit glanzvollen Opern- Karriere wirkte Rothenberger in zahlreichen Filmen und Fernsehsendungen mit. 1967 bekam sie ihre erste eigene Fernsehsendung in Deutschland „HEUTE ABEND ANNELIESE ROTHENBERGER“.
1969 moderierte sie das große Live-Konzert in der Berliner Philharmonie aus Anlass des 90. Geburtstags des Komponisten Robert Stolz; das Konzert wurde von über 200 Sendern live übertragen. Kurz danach bekam sie ihre erste eigene Unterhaltungssendereihe im ZDF, „ANNELIESE ROTHENBERGER GIBT SICH DIE EHRE“. Diese ungemein populäre Serie lief rund 10 Jahre und bekam Kultcharakter.
Ein ganz großes Anliegen war der Sopranistin lebenslang die Förderung junger Sängerinnen und Sänger. Die Primadonna der Herzens, wie sie liebevoll genannt wurde, leistete mit ihrer Fernsehsendung „Anneliese Rothenberger präsentiert junge Künstler“ einen enormen Beitrag zur Nachwuchsförderung. Ihren Einsatz für die junge Sängergeneration krönte sie durch die Stiftung des Anneliese – Rothenberger –Gesangswettbewerbs. Ein Glücksfall ist es, dass Anneliese Rothenberger und die Mainauer Grafenfamilie Bernadotte eng verbunden waren. Das Schloss Mainau mit dem herrlichen Weißen Saal bietet deshalb bis heute den einmaligen Rahmen dieses Gesangswettbewerbs.
Eröffnet wurde das Abschlusskonzert, für das Wilfried Kretschmann, der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg, die Schirmherrschaft übernommen hatte, mit der Rosenarie aus Mozarts „Figaros Hochzeit“ und – wie könnte es anders sein – gesungen von Anneliese Rothenberger. Auch in der Wiedergabe vom Tonträger setzte die Namenspatronin durch die vollendete Gestaltung der gefühlvollen Arie die Benchmark, an der sich auch die Finalisten
des Wettbewerbs messen lassen mussten.
Gesungen haben die sieben Finalisten so gut, dass die hochkarätige Jury, besetzt mit Prof. KS. Edda Moser, Prof. Mechthild Georg, Brigitte Stephan, der Legende des Wettbewerbs, Dr. Germinal Hilbert, der Primus inter Pares unter den deutschen Opernagenten, und Thomas Voigt, der neue künstlerische Leiter, sich spontan entschlossen haben, auf Grund des hohen ausgeglichenen Niveaus der sängerischen Leistungen neben den 3 Hauptpreisen noch 4 weitere Förderpreise zu vergeben. Auf Grund dieser weisen und sängerfreundlichen Entscheidung wurde jeder Finalist ausgezeichnet und hat ein Preisgeld erhalten.Dennoch hatte die Jury die Qual der Wahl, aus der Reihe der Guten die Besten zu finden, denn es gab doch Unterschiede -weniger im stimmlichen Bereich als im Auftreten, in der Präsentation, der Ausstrahlung, der Bühnenwirkung, oder es war einfach so, dass einige Teilnehmer weiter in ihrer Entwicklung waren, Wettbewerbs erfahrener und schon
Bühnenerfahrung hatten.
Den ersten Preis mit einem Preisgeld von € 5.000 errang die Mezzosopranistin Boshana Milkov. Sie begeisterte Jury und Publikum mit einem temperamentvoll gesungenen Couplet des Orlofsky aus der unsterblichen „Fledermaus“. Weit größere Anforderungen wurden in ihrem zweiten Beitrag mit der Arie der Leonore aus Donizettis aus „La Favorita“ an die Sängerin gestellt. Aber auch diese konnte sie mit Bravour meistern. Mit großer, voluminöser Stimme konnte sie die ganze Dramatik, die Donizetti von der Mezzosopranistin besonders in den mittleren und tiefen Lagen verlangt, glaubhaft und mit runden Tönen verwirklichen. Eine reife, überzeugende Leistung, mit der sie die Entscheidung der Jury eindrucksvoll bestätigte. Boshana Milkov ist seit 2022 Ensemblemitglied am Stadttheater Bremerhaven.
Den zweiten Preis, dotiert mit € 3.000, erhielt der erst 23 Jahre alte Bassist Lukas Lemke. Der jüngste Teilnehmer war die positive Überraschung des Abends. Er verfügt bereits heute über einen warmen, dunkel timbrierten, in allen Lagen ausgezeichnet ansprechenden Bass. Die Stimme wird technisch einwandfrei geführt, klingt bereits sonor und strömt mit jugendlichem, unverbrauchtem Schmelz. Da profunde Bässe Mangelware sind und reifen müssen wie edler Wein, ist von
Lukas Lemcke bei kluger Führung und Einsatz in den richtigen Partien viel Erfreuliches zu erwarten. Hätte es einen Publikumspreis gegeben, der junge, hoffnungsvolle Bassist hätte sich diesen besonders mit seinem hinreißend gesungenen Ol’man river aus „Showboat“ geschnappt.
Die Preisträgerin des dritten Preises, Neza Vasle, durfte sich über ein Preisgeld von € 2.000 freuen. Wir als Publikum freuten uns über einen glockenhellen, strahlenden Sopran, der vor allem durch die makellose Höhe, gekonnte Differenzierungen, Koloraturen, Ausdrucksstärke und gewinnendem Charme in seinen beiden Beiträgen voll überzeugte.
Am verdienten Erfolg hatten die beiden erfahrenen Begleiter Eberhard Leuser und Wolfgang Wiechert hohen Anteil. Sie vermittelten den jungen Sängern viel Sicherheit. Häufig hatte man den Eindruck, dass Sänger und Begleiter in der kurzen Zeit der Zusammenarbeit bereits zum eingespielten Team zusammengewachsen sind. Der neue künstlerische Leiter, Thomas Voigt, setzte eine Reihe neuer wirkungsvoller Akzente. So mixte er ein äußerst vielfältiges Programm aus Operette, populären, aber auch unbekannteren Opern, und schmuggelte sogar ein Lied dazwischen. Durch diese geschickte Programmgestaltung konnte man die Sänger in unterschiedlichen Anforderungen erleben und dadurch noch besser kennenlernen. Als Moderator und Führer durch das Programm ist Thomas Voigt ein Ass. Diese Trümpfe spielte er auch an diesem Abend gekonnt aus.
Langanhaltender Beifall dankte den Mitwirkenden, aber auch den Veranstaltern. Nichts überzeugte mehr als der Schluss, an dem sich die strahlenden Sängerinnen und Sänger, die Jury, aber auch die Zuhörer in glücklicher Gemeinsamkeit vereinigten, in der Gewissheit, dass an diesem Abend zwei große Ziele erreicht wurden: Gedenken an die unvergessliche Sängerin und menschlich große Persönlichkeit Anneliese Rothenberger und eine wirkungsvolle Unterstützung von jungen Menschen auf ihrem schwierigen Weg in den Traumberuf Sänger. Möge die Saat, die bei den Gesangswettbewerben auf der Mainau gesät wird, aufgehen und in der vollkommensten Kunst der Oper auf’s Schönste aufblühen!
Hans A. Hey