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Salzburger Festspiele 2015 : WAR DA ETWAS ?

18.08.2015 | Reflexionen-Festspiele
Salzburger Festspiele 2015: War da etwas?
 
Von Thomas Prochazka
 
Gab es zu Gerard Mortiers Intendanz in den Salzburger Sommern immer wieder Aufregung wegen dessen künstlerischen Ansichten und seiner Ansagen unter anderem gegenüber den Wiener Philharmonikern, taugt heuer — sieht man von Claus Guths Sichtweise auf Beethovens Fidelio ab — einzig der Schlagabtausch zwischen dem Direktorium (Frau Dr. Rabl-Stadler und Sven-Eric Bechtolf) und Manuel Brug, dem Hans Dampf-in-allen-Gassen des deutschen Feuilletons und österreichischen Wochenmagazinen, für Emotionen. Manchmal ertappt man sich sogar bei dem Gedanken, daß selbst dies Teil einer Inszenierung ist, um nicht vollends aus den Feuilleton-Seiten zu verschwinden…
 
Aber: Hat Herr Brug mit seinen im „Profil“ geäußerten Vorhaltungen unrecht? Wäre Il trovatore mit Anna Netrebko auch ohne die erst lang nach dem Beginn des Kartenverkaufes zurückgezogene Mitwirkung Señor Domingos ausverkauft gewesen? War es bislang nicht undenkbar, daß die Salzburger Festspiele auf ORF III Werbung schalten, um Karten für Vorstellungen von Der Rosenkavalier an den Mann zu bringen? Und dies trotz der zum Teil hymnischen Rezensionen — „So geht Festspiele!” (© Gert Korentschnig) — im Vorjahr? Aber im Gegensatz zu den Rezensenten bezahlt das Publikum seine Karten selbst, und so bleibt die Nachfrage nach Frau Stoyanova als Marschallin und Herrn Groissböck als Ochs sowie dem Chefdirigenten des Cleveland Orchestra am Pult trotz der Wiener Philharmoniker hinter den Erwartungen zurück.
 
Ja, auch die Konzerte dieses Orchester werden nicht mehr als so attraktiv wahrgenommen wie noch zu Karajans Zeiten. „Die Wiener Philharmoniker und ihre Komponisten“ ist ein Zyklus betitelt, welcher zu Preisen bis zu EUR 250,— immer dieselben Mahler- und Bruckner-Symphonien offeriert. Und Franz Schmidts zweite Symphonie: Die war allerdings unter Semyon Bychkov bereits im Mai 2014 im philharmonischen Abonnement-Zyklus zu hören. Aber die hat man „noch drauf“, das spart Probenzeit. Von Aufführungen aller Symphonien des philharmonischen Cellisten Franz Schmidt im Laufe eines Salzburger Sommers ist keine Rede… Außerdem: Gibt es wirklich niemandem zu denken, daß die Konzerte (mit Ausnahme des „Chef-Termins“ unter Riccardo Muti) schon seit Jahren nicht mehr weit im voraus ausverkauft sind?
 
Schlimm steht es auch um die szenischen Werke des Genius loci bestellt: Gewiß, die Bechtolfsche Interpretation von Le nozze di Figaro ist besser als jene der anderen beiden Da Ponte-Opern und bietet gediegene Unterhaltung. Das ist zwar nicht, was in der Partitur steht, erlaubt aber einem von den hohen Temperaturen an den Salzkammergut-Seen mitgenommenen und weitgehend unkritischen Publikum, sich vier Stunden lang zu amüsieren. Allerdings dürfte es schwer gewesen sein, die Qualität der Arbeiten aus den Vorjahren noch zu unterbieten. Für das nächste Jahr, wenn alle drei Da Ponte-Opern aufgeführt werden, steht das Schlimmste zu befürchten — mit Ausnahme des Kassen-Rapports vielleicht.
 
Man muß sich nicht bis in die 40er- bis 60er-Jahre zurückdenken (was ältere Semester wohl tun werden), um von einem Mozart-Stil zu schwärmen, welcher, obzwar viel bewundert, verlustig ging. Gegen die Interpretationen eines Bruno Walter, eines Josef Krips, eines Karl Böhm, eines Wilhelm Furtwängler, eines Herbert von Karajan, eines Riccardo Muti, aber auch eines Clemens Krauss mag man einwenden, daß man Mozart nach Nikolaus Harnoncourt und René Jacobs nicht mehr so spielen könne wie seinerzeit. Aber kann man als Zuhörer den Unterschied in der Orchesterbehandlung etwa zwischen Bruno Walter (1937), Herbert von Karajan (z.B. Wien, 1978, live, auf Orfeo) und Dan Ettinger (2015) leugnen? Wo sind die führenden Mozart-Dirigenten unserer Zeit, wenn es sie denn noch gibt? In Salzburg, scheint’s, jedenfalls nicht.
 
Dasselbe gilt für die Sänger: Einen Cherubino von der Qualität einer Sena Jurinac wird man nur alle paar Jahrzehnte einmal finden, aber: Rechtfertigt Frau Gritskovas Gesangsleistung Kartenpreise bis zu EUR 430,—? Und wie ist es um die Leistungen des übrigen Personals im gräflichen Haushalt bestellt, spiegelt man diese an der Partitur?
 
Müßte man von Salzburger Festspielen, wenn sie sich denn selbst ernst nähmen, nicht erwarten, z.B. den Rosenkavalier zugunsten des Capriccio zu streichen und dieses dafür in einer Modellaufführung auf die Bühne zu bringen, anstatt umgekehrt (wie es 2014 der Fall war)? Wird man 2016 Die Liebe der Danae ohne Striche spielen, adäquat besetzt und in einer Inszenierung, die dieses — immerhin 1952 in der Mozartstadt uraufgeführte Werk — breiten Publikumsschichten erschließen wird? Was man bisher über dieses Projekt erfuhr, läßt einen zweifeln.
 
Vielleicht hülfe es, all diese entbehrlichen Leitthemen einzumotten und sich wieder der Gründungsidee zu besinnen, die besten Künstler zu gemeinsamem Wirken an diesem Ort zu versammeln — also einfach „nur“ Festspiele zu veranstalten. Kleiner, feiner, und mit dem Anspruch höchster Qualität anstelle des Mittelmaßes, welches in den letzten Jahren Platz griff.
 
Auch möge man bitte aufhören, von seiten des Direktoriums zu insinuieren, daß auch 50 % der Opernkarten unter EUR 105,— kosten. Tatsächlich sind es viel weniger, was bedeutet, daß finanziell schlechter Gestellte von den Hauptattraktionen der Salzburger Festspiele in überwiegendem Maße ausgeschlossen sind. Denn die sind nun einmal neben dem Jedermann die Opern, die großen Orchesterkonzerte und die Lieder- und Arien-Abende der Stars. (Man kann eine solche Preisgestaltung ja für legitim und/oder notwendig halten. Aber dann sollte man sich nicht argumentativ darüber hinweg schwindeln.)
 
Zugegeben, Manuel Brug polemisch zu antworten mag Frau Dr. Rabl-Stadler und Herrn Bechtolf ein Anliegen gewesen sein. Die Antworten auf den Salzburger Bühnen zu geben wäre allerdings besser gewesen, viel besser. Aber davon ist im Salzburger Festspielsommer 2015 leider wenig zu bemerken.
 
Thomas Prochazka
MERKEROnline
18.8.2015
 

 

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