REISE : ZNAIM UND SÜDMÄHREN
Man stelle sich einmal vor, Znaim wäre heute die Hauptstadt Niederösterreichs. Das ist gar nicht so weit hergeholt, wie es scheint. Denn bis 1918 verlief die Grenze des Landes zu Mähren ja bekanntlich viel weiter nördlich als die derzeitige.
Und wäre es zu der beabsichtigten Volksabstimmung gekommen, hätten die Znaimer, die ja zu 80% deutschsprachig waren, sicherlich für eine Zugehörigkeit zu Österreich votiert. Allerdings marschierten vorher rasch tschechische Truppen ein, annektieren einfach das Gebiet und unterbanden somit jegliche demokratische Entscheidung.
Schade eigentlich, denn Znaim (auf tschechisch heute Znojmo – wobei das z wie ein s ausgesprochen wird) ist eine grossartige Stadt (und würde etwas mehr hermachen als das erst mit Regierungsbauten aufgepeppte Nest St.Pölten)
Znaim. Foto: Robert Quitta
Schloss Frein an der Thaya. Foto: Robert Quitta
Außerdem ist Znaim von einer wunderbaren Landschaft und zahlreichen Burgen und Schlössern umgeben, deren Besuch sich absolut lohnt. Das faszinierendste Baudenkmal dabei ist das Schloss Frain an der Thaya. Wenn man sich ihm nähert, glaubt man zuerst, man hätte zum Frühstück versehentlich narrische Schwammerln gegessen und erläge einer Halluzination: denn plötzlich taucht hinter Straßenbiegung auf einem Hügel ein fantasmagorisches Märchenschloss auf, stilistisch irgendwie zwischen Neuschwanstein und einem Disney-Castle angesiedelt. Und in der Tat, bestätigt uns der Castellan, war es im Barock absolut unüblich, auf eine solche Anhöhe ein solches Gebäude hinzustellen. Verantwortlich dafür: das Geschlecht derer von Althanns, die es dem damals noch total unbekannten Jungspund Johann Bernhard Fischer von Erlach (später Schloss Schönbrunn, Stadtpalais von Prinz Eugen, Kollegienkirche, Karlskirche, etc.etc. ) ermöglichte, hier seinen ersten Geniestreich zu verwirklichen. Dass Frain heute das besterhaltenste aller südmährischen Baudenkmäler ist, verdankt es einem glücklichen Zufall der Geschichte: denn die Kommunisten beschlossen nach ihrer Machtergreifung, es zum Vorzeigeschloss und sozusagen zum Museum für eine „untergegangene Klasse“ zu machen. Wie in einem Zentralarchiv lagerten sie die kostbarsten Einrichtungsgegenstände aus all den anderen, dann der missbräuchlichen Verwendung (Erziehungsanstalt für gefallene Mädchen, Altersheime, Kasernen, Garagen, Sozialwohnungen etc.) und dem Verfall preisgegebenen Burgen und Schlössern hier ein.
Das Auffälligste an Frain ist eine riesige Kuppel und man fragt sich sofort, wozu sie denn gut sei.
Krönt sie eine Hauskathedrale? Die gibt es zwar auch, die ist aber viel bescheidener. Nein, sie krönt vielmehr die gigantische, eigentlich größenwahnsinnig zu nennende hauseigene Ahnengalerie, mit der die Althanns ihre Besucher zu beeindrucken versuchten. Was ihnen auch sicherlich gelungen ist, denn diese riesigen Skulpturen ihrer Vorfahren und die riesigen Ölschinken von historisch wichtigen Ereignisse ihrer Dynastie erschlagen einen förmlich.
Schloss Ungarschitz.
Ein nicht ganz so gnädiges Schicksal ereilte das Schloss Ungarschitz. Nach Jahrzehnten der Verwahrlosung wird es seit einiger Zeit mit großer Sorgfalt und Liebe restauriert, Einige Teile sind schon fertig und öffentlich zugänglich wie zum Beispiel der bezaubernde ehemalige Ballsaal, in dem bereits regelmäßig Konzerte stattfinden. Der extensive Rest wird noch dauern, wahrscheinlich Jahrzehnte, und das werden wir wohl nicht mehr erleben …
Das Schloss in Mährisch-Krumau befindet sich in einer Art baulichem Zwischenzustand zwischen und Frain. Seine Hauptattraktion ist jedenfalls der Bilderzyklus „Slawisches Epos“ von Alfons Mucha.
Foto: Robert Quitta
Slawen aller Länder, vereinigt Euch. Foto: Robert Quitta
Man kennt und liebt Mucha für die geniale Gestaltung der Pariser Metrostationen und der unvergesslichen Plakate für Sarah Bernhardt etc. Nach dem, was man aber hier von ihm vorgesetzt bekommt, muss man die Beziehung zu ihm jedoch überdenken. Dieser Zyklus ist das Grauenvollste und Übelste, was ich je in meinem Leben gesehen habe. 20 überdimensionale XXXXX large Schlachtengemälde, alle von einem gewalttätigen und blutrünstigen panslawistischem Kitsch getragen, der besonders in Zeiten wie diesen, in denen im Namen dieser fanatischen Ideologie ein sogenanntes slawisches Brudervolk brutalst überfallen wird, noch ekelhafter und unerträglicher wirkt, als er ohnehin schon ist. Dieser Zyklus ist eigentlich ein Kriegsverbrechen (So, und jetzt bekomme ich Einreiseverbot in die Tschechische Republik und alle anderen slawischen Staaten). Nichts wie raus hier ! Und einen großen Schnaps bitte…
Südmähren hat aber nicht nur Schlösser und Burgen aufzuweisen, sondern auch viele andere Sehenswürdigkeiten. Z.B. die sehr faszinierende Wassermühle im Renaissancestil in Slup
Wassermühle in Slup.
Sehenswürdigkeiten. Z.B. die sehr faszinierende Wassermühle im Renaissancestil in Slup
(Besucher mit einem Max und Moritz-Trauma müssen hier allerdings sehr stark sein und besonders aufpassen).
Südmährische Landschaft. Foto: Robert Quitta
Ein paar Tage in Südmähren sind auf alle Fälle sehr anregend und aufmunternd, denn abgesehen vom bisher Beschriebenen ist es eine Freude, die unzähligen ambitionierten Privatinitiativen daselbst zu erleben: zwei Lehrer, die eine Manufaktur für handgeschöpftes Papier gründen, zwei Systemgastronomen, die eine Craft-Beer-Brauerei (mit angeschlossener Restauration) auf die Beine stellen, ein ehemaliger Fußball-Mittelstürmer, der mit seiner Frau (die für das leibliche Wohl sorgt) einen „handgemachten Heurigen“ eröffnet…usw.usf…Bewunderungswürdig und herzerwärmend.
Im großen Maßstab gibts natürlich auch einiges zu vermelden, u. a. die Neo-Winzer Lahofer, die nach burgenländischem und niederösterreichsichem Vorbild eine ultramoderne Architektur zwischen die Weinberge gestellt haben und dort nicht nur Weine, sondern auch Speisen anbieten.
Apropos Weine: da Znaim und Umgebung – wie wir gelernt haben – eigentlich niederösterreichisches Territorium ist, ist es natürlich auch ein Wein-viertel, ein Weinland ( Grüner Veltliner = Veltlinské zelené !) Allein in der Stadt Znojmo gibt es über 60 Weinbauern- und betriebe.
Also empfiehlt es sich, vor der Rückreise nach Wien (bekanntlich nur 1h30 mit einem Direktzug entfernt) auf der Znaimer Burg Einkehr zu halten. Dort gibt es ein unglaubliches Lokal namens Znojmo Wine Bar ,in dem es ca. 100 Weine glasweise zu kosten gibt. Es wurde leider in neo-brutalistischem Stil erbaut, aber wenn man bei Sonnenuntergang auf der Terasse davor seinen Blick über die Fast-Landeshauptstadt Niederösterreich schweifen lässt und dabei zumindest 50 der hiesigen Weine kostet, fällt einem der Abschied dennoch leicht…
Robert Quitta, Znaim und Umgebung