REISE UND KULTUR : WIESBADEN – DIE GRÜNE WELTKURHAUPTSTADT
Alljährlich finden in Wiesbaden die Internationalen Maifestpiele statt. Da diese immer – unabhängig von den künstlichen Aufregungen, ob Anna Netrebko singt oder nicht und ob es Proteste gegen ihren Auftritt geben wird oder nicht – ein qualitativ hochstehendes Programm aufweisen, wird der Besucher versucht sein, gleich einige Tage, wenn nicht sogar eine ganze Woche (ist ja schließlich auch Mai !) in der Hessischen Landeshauptstadt zu verbringen.
Und er wird gut daran tun. Denn nicht umsonst ist Wiesbaden wegen seiner Lebensqualität eine der beliebtesten Wohn-Städte Deutschlands – mit den betuchtesten Einwohnern.
Kaiser Wilhelm wollte es einstens zu Weltkurhauptstadt machen. Nun, ganz so Welt ist es heute nicht mehr, aber es ist immer noch unendlich angenehm, sich in ihr aufzuhalten.
Der „Warme Damm“. Foto: Robert Quitta
Das liegt natürlich in erster Linie an den riesigen Grünflächen, die hier zu finden sind. Wie z.B. de „Warmen Damm“, einem von Horden von Nilgänsen bewohnten Prachtpark, den man auf dem Weg ins prunkvolle Hessische Staatstheater (dem Hauptspielort der Maifestpiele) ohnehin fast immer durchqueren muss. Vor dem Theater liegt eine weitere hübsche Grünanlage mit dem netten Namen „Bowling Green“, die zum monumentalen Kurhaus-Casino führt, hinter dem sich wiederum der unendlich weitläufige Kurpark mit Gastwirtschaft, Teich und Bootsverleih und allem drum und dran erstreckt. Sie sehen schon, hier kann man vor und nach den Vorstellungen und auch in den Pausen (Tristan und Isolde !) stundenlang lustwandeln…
Hessisches Staatstheater/ Außenansicht). Foto: Robert Quitta
Hessisches Staatstheater (innen). Foto: Robert Quitta
Das Theater selbst, klarerweise von Fellner&Helmer, steht anderen Bauten des Erfolgsduos um nichts nach, im Gegenteil. An jedem vergoldeten Lorbeerblatt, an jedem Fresko, an jedem Spiegel, jeder Empore, jedem geschwungenen Treppenaufgang, jedem Lüstern merkt man, dass die 2 Millionen Goldmark hier wirklich gut investiert wurden.
Absolut besuchenswert ist auch das Landesmuseum, dessen Sammlung ursprünglich auf eine Initiative von Kurgast Johann Wolfgang von Goethe zurückzuführen ist. Zum Dank sitzt er jetzt (wie in einer Kopie des Wiener Denkmals) vor dem Eingangsportal (sein Kollege Schiller hat im Kurpark ein Denkmal, dort muss er allerdings genauso wie in Wien stehen -warum eigentlich ?).
Der Kurpark. Foto: Robert Quitta
Die Gemäldegalerie birgt große Schätze, besonders von Alten Meistern ( Tintoretto, Lucas Cranach, Angelika Kaufmann ) und aus dem 19.Jahrhundert ( Böcklin, Spitzweg, Lenbach, Courbet, Liebermann, Corinth etc.).
Jawlenskys „Dame mit Fächer“. Foto: Robert Quitta
Alleinstellungsmerkmal ist jedoch die riesige Sammlung des russischen Expressionisten Alexej von Jawlensky (der in Wiesbaden die letzten 20 Jahre seines Lebens verbracht hat) – die weltweit bedeutendste.
Das „Römische Freilichtmuseum“. Foto: Robert Quitta
Eine ziemlich einzigartige Sehenswürdigkeit Wiesbadens findet sich in der Nähe der sogenannten Heidenmauer. Da sind nämlich auf einer ziemlicher Gstettn einfach so Repliken bedeutender römischer Funde ausgestellt: neben Resten eines Mithräums auch Grabsteine wie die des Valerius Crispus, Soldat der 8. Legion, des Muranus, Reiter der 1. Flavischen Ala, und des Dolanus Bessus. Weiters Inschriftentafeln, Abgüsse einer Sonnenuhr sowie figürliche Steindenkmäler – Köpfe des Augustus und des Merkur. Man kommt sich vor wie einer der ersten Archäologen…
Wer in der Tradition der Römer auch das Thermalwasser ausprobieren will, kann dies im Kochbrunnenpavillon tun – und zwar sogar gratis. Jedermanns Sache ist dies allerdings nicht.
Ich habe Touristen gesehen, die die heiße salzige Brühe sofort in weitem Bogen wieder ausgespuckt haben…
Das Hotel Oranien auf einem historischen Gemälde. Foto: Robert Quitta
Erstes Haus am Platz ist natürlich der Nassauer Hof. Wer es etwas gemütlicher und preisgünstiger haben will, ist mit dem familiär geführten Hotel Oranien bestens bedient. Es ist so traditionsreich, dass es von ihm sogar ein historisches Gemälde im Museum Wiesbaden gibt.
Und nach einem reichhaltigen Frühstücksbuffet im sonnendurchfluteten Jugendstil-Salon ist man jeden Morgen für weitere Abenteuer im schönen Wiesbaden bestens gewappnet…
Robert Quitta, Wiesbaden