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REISE UND KULTUR: LODZ – DAS POLNISCHE MANCHESTER

17.09.2025 | REISE und KULTUR

REISE UND KULTUR: LODZ – DAS POLNISCHE MANCHESTER

 Die Älteren unter uns sind ja alle mit Vicky Leandros’ Schlager „Theo, wir fahren nach Lodz !“ aufgewachsen, und viele (darunter auch der geniale Otto Waalkes) fragten sich, wer denn dieser Theo sei, und warum man mit ihm – von allen polnischen Städten – ausgerechnet in eben dieses Lodz fahren müsse.

Man hatte von dieser Stadt überhaupt keine Vorstellung, kein Bild im Kopf, gar nichts.

Reiseführer waren da auch keine Hilfe, denn diese besagten bloss, dass es hier nichts zu sehen gäbe und dass man sich die Reise dahin daher folgerichtigerweise ruhig sparen könne. Sorry, Theo, sorry, Vicky.t

Umso erstaunter war man also, als man vor ein paar Jahren las, „Lonely Planet“ hätte Lodz zu den 10 angesagtesten Destinationen Europas gewählt. Also fasste man den Beschluss, diesem mysteriösen Ort bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit einen Besuch abzustatten, um nachzusehen, was da in der Zwischenzeit passiert ist.

Und was soll ich sagen ? Die Begegnung mit Lodz wurde (nach Plovdiv und Kaunas) zur allergrößten Überraschung in meinem bisherigen Reise – Leben…

Der Kulturschock fängt schon einmal damit an, dass man es nicht Lodsch ausspricht, wie wir seit Jahrzehnten geglaubt haben, sondern Wudsch (das liegt an den polnischen Sonderzeichen auf dem L und dem O, die auf meiner Tastatur gar nicht vorhanden sind). Na Wusch ! Na Wumm !

Was man auch nicht wusste ist, dass Lodz einmal eine irrsinnige reiche Stadt war, die sich im 19.Jahrhundert von einem öden kleinen Dorf in eine der größten Textilindustrie-Metropolen Europas verwandelt hatte. Nicht von ungefähr wurde sie das Manchester Polens genannt.

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Lodz in seiner „armen, öden Zeit“ auf einer polnischen Malerei. Foto: Robert Quitta

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Wo das Geld herkam. Foto: Archiv Lodz

Zu den Hochzeiten gab es hier über 50 Textilfabriken, die aber nicht nur schlichte Fabriken waren wie anderswo, sondern ausgewachsene Städte-in-den-Städten: neben den eigentlichen Produktionstätten gab es Arbeiterwohnungen, Kindergärten, Sportvereine usw.usf…all inclusive auf ein-und demselben Gelände.Und natürlich gab es ebenda auch die pompösen Fabrikantenvillen und – Palais mit ihren prachtvollsten Gärten, deren noch bestehende Exemplare heute alle Museen und öffentlich zugängliche Parks sind.

Die Verwandlung eines grauen Un-Orts in ein trendiges Reiseziel erfolgte seit dem Beitritt Polens zur EU schrittweise durch eine riesige Revitalisierungskampagne. Paradebeispiel dafür ist die „Manufaktura“, ein riesiges Areal mit monumentalen Backsteinbauten, früher „Textilstadt“, heute pipifein renoviert und mit Appartments, Hotels, Restaurants,Gyms, Shops etc. besiedelt.

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Palais Poznanski. Foto: Robert Quitta

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Palais Poznanski /Innenraum. Foto: Robert Quitta

Das in allen Stilen der Welt erbaute und eingerichtete Palais der Eigentümerfamilie Poznanski beherbergt heute das Stadtmuseum. Besonders berührend darin die Räume, die dem legendären Pianisten Arthur Rubinstein gewidmet sind. Er stammte aus Lodz, und sein Geburtshaus ist zumindest von außen besichtigbar (mit einem sehr netten Denkmal davor).

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Das Rubinstein-Denkmal. Foto: Robert Quitta

Die Palais der Familien Scheibler und Herbst wurden ebenfalls in Museen verwandelt: im Herbst’schen befindet sich eine wunderbare kleine Galerie mit lauter Meisterwerken polnischer Maler, im Scheiblerschen ein Museum der berühmten Lodzer Filmschule, die ja so bedeutende Regisseure wie Roman Polanski oder Andrej Wajda hervorgebracht hat.

Das das Geld, das in der Industrie verdient wurde, ja auch irgendwo ausgegeben werden musste, gibt es in Lodz auch „die längste Einkaufstrasse der Welt“ : die Pietrowska. Voll mit lauter Cafés, Shops, Restaurants, Kunstinstallationen etc.

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Die Pietrowska. Foto: Robert Quitta

Ein guter Ort, um den eindrucksvollen Besuch in Wudsch ausklingen zu lassen. Außer den allseits bekannten polnischen Spezialitäten findet man hier auch die lokalen Lodz-spezifischen. Und jetzt müssen wir Österreicher sehr stark sein: denn eine davon besteht aus Zwetschkenknödel (so weit, so gut) mit – ( tief Luft holen !) K r a u t.

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Zwetschenknödel mit Kraut (!). Foto: Robert Quitta

Klingt völlig abartig, schmeckt aber erstaunlich gut (muss ja nicht jeden Tag sein).

Theo, komm nach Lodz !

 Robert Quitta, Lodz

 

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