REISE UND KULTUR: KONYA – AUF DEN SPUREN VON RUMI
Rumis Geburtshaus in Balch. Foto: Robert Quitta
Mevlana Celaleddin Rumi (1207 in Balch, im heutigen Afghanistan geboren), bei uns nur kurz Rumi, im türkischen und persischen Sprachraum Mevlana (der Lehrer) genannt, war einer der bedeutendsten Mystiker und Dichter des Mittelalters.
Am 17.Dezember starb er in der türkischen Stadt Konya, wo er auch bestattet wurde. Seine „Hochzeit mit Gott“, wie er sein „Hinübergehen“ nannte, wird auch heute noch an diesem Datum groß gefeiert. Aber auch unter dem Jahr ist sein Grab unentwegt Ziel von Millionen von Pilgern, so sehr hält die Verehrung von ihm weltweit an.
Der „Grüne Turm“ (oder ist er blau?). Foto: Robert Quitta
Und in der Tat ist ein Besuch in seinem Mausoleum sehr beeindruckend. Schon von weitem leuchtet einem der architektonisch äußerst ungewöhnliche, um nicht zu sagen: einzigartige „Grüne Turm“ (den viele andere Gäste als „Blauen Turm“ wahrnehmen), d a s Wahrzeichen Konyas entgegen. Im Inneren des Mausoleums wird man von der Pracht und Kostbarkeit von Rumis riesigem Sarkophag fast erschlagen. Rundherum gibt es noch etliche, ein wenig kleinere, andere Sarkophage seiner Schüler und Anhänger, alle mit der wunderschönen steinernen Nachbildung ihrer (ihren Rang bezeichnenden) Kopfdeckung auf dem Deckel.
Rumis Sarkophag. Foto: Robert Quitta
Der Eindruck ist so stark und intensiv, dass es einem die Sprache verschlägt. Infolgedessen herrscht in der großen Halle die ganze Zeit ein andächtiges, nahezu heiliges Schweigen.
Angrenzend an den Sarkophag-Bereich befindet sich die sogenannte „Semahane“, eine quadratische Halle, in der früher das Ritual der „Sema“ stattfand: jene komplexe Zeremonie (mittlerweile Weltkulturerbe), die unter dem Begriff „tanzende Derwische“ weltweite Berühmtheit erlangt hat.
Rumi tanzt nach den Klängen des Goldschmieds. Foto: Robert Quitta
Seit Republikgründer Mustafa Kemal Atatürk, sich wie eine Art Joseph III. gerierend, alle Orden, also auch den Mevlana-Orden verboten hat, finden hier natürlich leider keine Semas mehr statt, und auch in der angrenzenden Tekke (Konvent) leben keine Derwische mehr. Ihre Zellen sind – so wie der gesamte Komplex in ein staatliches Museum verwandelt worden (Eintritt frei !).
Die Touristen, die ja hauptsächlich wegen dieses „Tanzes“ nach Konya kommen, müssen sich ins nahegelegene Kulturzentrum begeben, wo täglich um 21 h eine Sema aufgeführt wird.
Das kann man dazu benützen, um anhand einer großen Anzahl von unfassbar kitschigen Ölgemälden sowohl die lange lange Reise der Familie Rumi aus Balch nach Konya nachzuvollziehen als auch Rumis Lebensweg selbst vom Koranschüler zum Sufi-Meister, Dichter und „Erfindung“ des Derwischtanzes zu verfolgen. Der Legende zufolge hat Rumi diesen Meditationstanz mitten auf einem Markt improvisiert, weil er vermeinte, dass die Geräusche eines Goldschmieds wie „Allah, Allah“ klangen. Noch lange war diese Tanzmeditation eine individuelle Angelegenheit, und sie konnte – wie Gebete – jederzeit und überall stattfinden, wenn es dem Derwisch danach war. Erst Rumis Sohn Sultan kodifizierte die Sema dann zu jenem kollektiven Ritual, wie wir es seither kennen.
Der Sarkophag von Shams Tabrizi. Foto: Robert Quitta
Die Sarkophage von anderen Derwischen. Foto: Robert Quitta
Eine nicht unbeträchtliche Rolle bei Mevlana spiritueller Entwicklung spielte der um viele viele Jahre ältere Mystiker Shams Tabrizi, mit dem Rumi drei Jahre lang zusammenlebte. Seine deraillierten Beschreibungen seiner „Vereinigung“ mit Shams lassen keinerlei Zweifel an der körperlichen Natur dieser Beziehung offen.
Nachdem Shams von eifersüchtigen Derwisch-Kollegen ermordet worden war ( offizielle Geschichtsschreibung ! Es gibt sogar farbige Miniaturen dieser Schandtat.), übertrug der untröstliche Rumi seinen Wunsch nach „Einswerden“ ganz einfach auf Allah, und schuf damit sein bis heute populäres dichterisches Oeuvre. Dem armen Shams ist zwar auch ein Mausoleum gewidmet, aber ein viel viel kleineres – und noch dazu außerhalb der Tekke.
Der Geist von Rumi ist in der ganzen Stadt zu spüren, und natürlich gibt es unzählige Statuen in allen möglichen Größen, Farben und Formen und Tanzbewegungen als Souvenirs zu erwerben, und seine gesammelten Werken in allen möglichen Sprachen der Welt zum wohlfeilen Preis von 30 €.
99 Derwische tanzen auf dem Mevlana-Hauptplatz. Foto: Robert Quitta
Das schönste Souvenir ist natürlich einer Sema-Zeremonie beizuwohnen, und wenn man besonderes Glück hat, einer während des Festivals der Mystischen Musik, das rund um den 30.September (Rumis Geburtstag) stattfindet. Da tanzen z.B. 99 Derwische zum Klang von 99 Nay-Flöten direkt auf dem nach Mevlana benannten Hauptplatz. Überwältigend und unvergesslich.
Tirit. Das sind Fleischstücke (meistens vom Lamm) auf in Yoghurt ertränkten und mit Petersilie, Knoblauch und schwarzem Pfeffer vermischten Brotstücken. Foto: Robert Quitta
Wer nach soviel Nahrung für die Seele auch seinen Körper stärken will, tut gut daran, sich im daneben gelegenen „Sufi – Restaurant“ niederzulassen. Nach den wie nahezu immer und überall herrlichen Mezze empfiehlt es sich, eine lokale Spezialität zu kosten: Tirit. Das sind Fleischstücke (meistens vom Lamm) auf in Yoghurt ertränkten und mit Petersilie, Knoblauch und schwarzem Pfeffer vermischten Brotstücken. Unbeschreiblich köstlich und absolut süchtigmachend.
Türkischer Kaffee. Foto: Robert Quitta
Einziges kleines Problem für den Besucher aus dem Land der Ungläubigen: es gibt in dieser so religiösen und konservativen Stadt (Kopftücher allenthalben !) naturgemäß keinen Tropfen Alkohol.
Mit dem sollte sich der Ungläubige also sicherheitshalber schon im Duty-free Shop in Wien eindecken, damit es nicht zu einem ungewollten Zwangs-Entzug kommt…
Robert Quitta, Konya
Weitere Informationen unter: www.goturkiye.com