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REISE UND KULTUR: DIE UNBEKANNTEN MARKEN

09.07.2025 | REISE und KULTUR

REISE UND KULTUR: DIE UNBEKANNTEN MARKEN

Die Toscana kennt ein jeder, aber die Marken ? Vielleicht liegt es schon am etwas zu teutsch klingenden Namen, dass man mit der Ankündigung, man würde jetzt le Marche bereisen, in den meisten Fällen die ungläubige Gegenfrage erntet: Wo sind denn die ?

Und das ist schade, denn die Marken sind eine wunderbare Region mit hügeligen Landschaften, zauberhaften Städtchen (eines schöner als das andere) und einer naturgemäß (wir sind ja in Italien!) hervorragenden Küche.

Nun ja, zugegebenermaßen wurde die Natur hier vom Menschen nicht soo kunstvoll umgestaltet wie in Toscana, wo an jeder Kurve eine neue Photo Opportunity lauert und man angesichts des in raffiniertester Weise am nächsten Hügel platzierten Zypressen-Trios gar nicht anders kann als ununterbrochen in Entzückungsschreie auszubrechen. Und es gibt auch nicht diese weltweit einzigartige Dichte an aus jedem Kunstgeschichts-Lexikon bekannten Renaissance-Schätzen.

Aber das ist vielleicht ja auch genau der Reiz der immer noch unterschätzten Marken. Dieser „Mangel“ lässt sie unter dem Radar der Touristenströme, die über die Schneise Venedig-Florenz-Rom in Italien einfallen, sanft hindurchgleiten. Die Atmosphäre ist völlig unhysterisch, die Lebensqualität extrem hoch, und die hügelige Landschaft, in der die Farbe der Weizenfelder mit der Farbe des Sandsteins, aus dem eigentlich alle Städte hier erbaut sind, vollendet harmoniert und somit unendlich beruhigend wirkt.

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Das Palazzo Ducato in Urbino. Foto: Robert Quitta

Und ein bissl Renaissance gibts schon auch: in Urbino, dem über die Grenzen hinaus bekanntesten Ort, hat der hässliche (Boxernase!) Söldnerführer (heute würde man Warlord sagen) nämlich versucht, Respektabilität zu erlangen, indem er dem Hof der Medici Konkurrenz machte.

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Piero della Francesca: Die Geisselung Christi. Foto: Robert Quitta

Sein Palazzo Ducale wurde gerade nach jahrelangen Arbeiten fertig renoviert und strahlt jetzt eine helle, weiße, lichterfüllte, fröhliche, freundliche Atmosphäre aus. EUnd die Gemäldegalerie ist eine der besten Italiens mit Meisterwerken von Piero della Franncesca, Paolo Uccello, Raffael u.v.a.m…

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Trüffelkostprobe. Foto: Robert Quitta

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Trüffelreibe. Foto: Robert Quitta

Die Küche der Marken ist sehr von Trüffeln geprägt, denn Acqualagna ist (neben Alba im Piemont) das Mekka der „Tartufi“ in Italien. Der Ort selbst ist eher klein und unscheinbar, es soll hier aber 20000 Jäger geben und 80000 Hunde (von denen man nur hoffen kann, dass sie nicht alle gleichzeitig auf einen losgelassen werden). Wenn man will, kann man mit einem Jäger und einem Hund auch auf Trüffelsuche gehen. Die Hedonisten unter uns werden aber auch allein mit einer Trüffelkostprobe vollkommen glücklich werden: am besten in „Tartufi e sapori“. Die zwei Schwestern, die den Laden in vierter Generation führen, haben einen sehr liebevoll gestalteten Kostprobenteller vorbereitet: Salami mit Trüffeln, Schinken mit Trüffeln, ein getrüffelter Käse, noch ein anderer getrüffelter Käse, Crostini mit Trüffelsauce, Chips mit Trüffeln (leider geil!) und dazu noch eine ganze kleine echte Trüffel und eine spezielle Trüffelreibe, mit der man dann über all das noch ein bisschen frische Trüffel reiben kann.

Der Trüffelant ist hier im Trüffelparadies…

Hervorragend dazu passt übrigens ein Bianchello del Metauro, eine außerhalb der Marken nur schwer zu findende Weissweinspezialität.

Im Süden der Marken gibt es wieder andere autochthone Weinsorten: z.B. den Verdicchio, von dem es zwei Varianten gibt: den Verdicchio dei Castelli di Jesi und den Verdicchio di Matelica.

Zwei andere ungewöhnliche Weissweine tragen für Nicht-Italiener merk-würdige Namen: da ist der Pecorino, der so heisst wie der auch bei uns bekannte Käse (der aber, seien Sie beruhigt, gar nicht nach Käse schmeckt) und da ist die Passerina, was auf italienisch soviel wie „kleine Muschi“ bedeutet (auch in diesem Fall, keine Angst, keinerlei Geruchsübereinstimmung). Beide interessant und großartig und bei vielen Winzern in Matelica,Terre Roveresche, Offida etc.zu verkosten.

Zwischen Trüffelgelagen und Weinverkostungen kann man natürlich Städte besichtigen.

Wobei besichtigen ein wenig irreführend ist: denn die märkischen Zentren weisen, wie schon gesagt, nicht drei-vier-fünf Stern-Sehenswürdigkeiten auf wie die toskanischen (obwohl sie natürlich auch herrliche Kirchen, Palazzi und Museen besitzen), sie s i n d Sehenswürdigkeiten, sie s i n d Kunstwerke aus jenem bescheidenen marmor-fernen ockerfarbenen lokalen, regionalen Sandstein, der hier einfach nur S t e i n heisst.

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Fermo. Foto: Robert Quitta

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Ripratansone. Foto: Robert Quitta

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Offida. Foto: Robert Quitta

Und so entpuppt sich hier jeder Ort, auch jener, von dem man selbst als Marken-Kenner noch nie nicht einmal den Namen gehört hat, als ein Juwel, als eine Entdeckung, als ein Wunder, als eine Offenbarung. Ob sie nun Matelica, Fabriano, Fermo, Ripatransone, Tolentino oder Offida heissen…

Der beste Weg, diese geheimnisvollen städtischen Organismen zu „besichtigen“: sich am Abend in eine Café-Bar auf der jeweiligen Piazza zu setzen, den jeweiligen typischen Aperitiv (z.B. Anice di Varnelli) zu geniessen (oder zwei) und ganz einfach zwischen 18 und 21h der „Passeggiata“ zuzuschauen: ein schöneres, lebendigeres, vielfältigeres, farbenfroheres Spektakel gibt es auf der ganzen Welt nicht…

Tolle Hotels gibts natürlich auch in den Marken: eines der angenehmsten ist die Tenuta Santi Giacomo e Filippo in der Nähe von Urbino: ein liebevoll restaurierter „Borgo“ in einer riesigen Grünoase mit immer noch konsakrierter Kapelle (wen‘s überkommt, kann hier gleich heiraten).

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Die Hochzeitskapelle. Foto: Robert Quitta

Auch hier ist das größte Glück wieder das Einfachste: auf der Terrasse in den Weinbergenauf einem langen Tisch zu Abend essen, den auf der Tenuta produzierten Wein trinken (rot und weiss), das auf der Tenuta produzierte biologische Extra-Vergine-Olivenöl fein auf die Speisen tröpfeln lassen, während die Sonne hinter der Hügelkette versinkt und den damastblauen Himmel rötlich und orange färbt und die Grillen ihr Gute-Nacht-Konzert geben…La vita è bella. Das Leben kann so schön sein.

Für alles andere gibts bekanntlich Mastercard…

Robert Quitta, in den Marken

 

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