REISE UND KULTUR : AUF DEN SPUREN VON LUDWIG II. – LINDERHOF
Schloss Linderhof. Foto: Robert Quitta
Herrenchiemsee und Neuschwanstein sind zwar die berühmtesten und imposantesten von König Ludwigs drei Schlössern, aber auch irgendwie die abweisendsten und lebensfeindlichsten. Beide sind unvollendet, in beiden hat der „Kini“ nur ganz wenige Tage verbracht, beide sind eine Art gemauerter Grössenwahn, beide sind sozusagen Selbst-Mausoleen zu Lebzeiten. Linderhof (nur 50 km von Neuschwanstein entfernt) hingegen ist vollendet, in Linderhof hielt sich der junge König immer wieder sehr lange auf (er verlegte zeitweise sogar seine Residenz aus München hierher), von hier unternahm er seine legendären Schlittenfahrten, von hier aus seine Wanderungen zu seinen geheimnisumwobenen Berghütten in Gesellschaft seiner Stallburschen. Schloß Linderhof ist ja eigentlich ein Schlösschen, genauer gesagt: ein Lustschlösschen im Stile Louis XV. Und diese Lust, dieser Wille zur Lust sind in diesem Neo-Rokoko-Gebäude und seinem weitläufigern Park überall in allen Poren zu spüren. Linderhof ist der Ausdruck purer Lebensfreude, puren Glücks.
Der Landschaftsgarten. Foto: Robert Quitta
Der junge König, nach dem frühen Tod seines Vaters mit 18 Jahren auf den Thron gekommen, konnte hier, jetzt da er die Mittel dazu besass, zum ersten Mal seine baulichen Phantasien ausleben. Früher stand da ein einfaches Bauernhäuschen, jetzt gab es stattdessen Prunk und Glanz, Gold und Samt und schwere Vorhänge und Spiegel und Porzellangemälde und Gobelins und Elfenbeinlüster etc.etc.
Die Kaskaden. Foto: Robert Quitta
Und erst im Garten: da ließ er einen Schwanenweiher und Terrassengärten anlegen, riesige Wasserkaskaden errichten, einen Neptunbrunnen, einen Venustempel und natürlich die legendäre Venusgrotte.
Jung Ludwig konnte sich hier austoben, jung Ludwig konnte hier endlich so leben, wie er wollte.
Die ganze Nacht hindurch studierte er in seinem Versailles-ähnlichen Königsbett die Baupläne für Neuschwanstein und Herrenchiemsee, aber auch für die leider nur auf dem Papier gebliebenen Projekte wie Burg Falkenstein, den byzantinischen Palast, den chinesischen Sommerpalast, das Theater und den Hubertus-Pavillon. Dann erhob er sich so gegen 16h und ließ sich durch eine geniale „Tischlein-Deck-Dich“ – Konstruktion (einem kleinen Speiselift aus der unterirdischen Küche) ein spätes Frühstück servieren. Danach konnte das Tagwerk beginnen…
Der maurische Kiosk. Foto: Robert Quitta
Linderhof war für ihn eine Art Kunstwerk in progress, er hörte nicht auf, es zu verschönern, zu bereichern, mit architektonischen Kostbarkeiten zu schmücken. So liess er z.B. von seinen Adlaten ein marokkanisches Haus und einen maurischen Kiosk von der Weltausstellung in Paris ins Allgäuer Graswangtal transportieren. Und in den Bergen über dem Schloss baute er sich auch noch eine Hundinghütte (in der er, in Felle gehüllt und Met trinkend, die Edda las) und (Wagner rules !) Gurnemanz‘ Einsiedelei hin. Wie weit der Originalschauplatzfetischist und Eventmanager König Ludwig dabei bereit war zu gehen, beweist die Tatsache, dass er darauf bestand, dass die Wiese am Karfreitag unbedingt zur (im Parsifal besungenen) „Blumenaue“ werden musste – in dem er den Schnee wegräumen und aus dem Tal heraufgebrachte Frühlingsblumen in kleinen Glasvasen in die Wiese stecken liess !!!
Das marokkanische Haus. Foto: Robert Quitta
Gurnemanz-Einsiedelei. Foo: Robert Quitta
Sowohl Hütte wie Einsiedelei sind nach diversen Bränden nunmehr im hintersten Eck des Schlossgartens wiederaufgebaut worden und daselbst auch besichtigbar.
Linderhof ist ein Paradies, ein Eldorado, ein kleines Weltwunder. Und man fühlt sich hier als einfacher Besucher fast so glücklich wie sich der fesche, junge König damals noch gefühlt haben muss…
Robert Quitta, Linderhof