REISE UND KULTUR: AUF DEN SPUREN VON LUDWIG II. – HERRENCHIEMSEE UND FRAUENINSEL
Schloss Herrenchiemsee. Foto: Robert Quitta
Mitten im Chiemsee, der so groß ist, dass er auch „Bayrisches Meer“ genannt wird, liegt auf der Herreninsel das Schloss Herrenchiemsee, das letzte (und teuerste) Schloss, das König Ludwig II. noch erbauen lassen konnte.
Allein schon die Anreise ist ein Erlebnis, um nicht zu sagen: eine Pilgerfahrt. Zuerst muss man mit der Bahn nach Prien am Chiemsee, dann mit dem Bus oder Taxi zur Schiffsanlegestelle, und von dort mit einem der prachtvollen alten Raddampfer auf die Herreninsel. Dort ist es dann wiederum Geschmacksache ob man zu Fuss oder mit der Pferdekutsche weiter zum Schloss kommen will.
Der Anblick des Prachtbaus entschädigt dann aber sofort für alle (gar nicht so schlimmen, ja eher romantischen) Mühen. Und selbst wenn man erfährt (was einem gar nicht so bewusst war), dass Herrenchiemsee eigentlich unvollendet ist (ein Grosssteil des Gebäudes ist bis heute uneingerichtet, von den zwei geplanten Seitenflügeln wurde einer zwar noch im Rohbau errichtet, nach Ludwigs Tod aber gleich wieder abgerissen), ändert das nichts an dem überwältigenden Eindruck, den man bei einer Führung bekommt. Das Erstaunlichste an dem „Neuen Schloss“ (wie es offiziell heißt) ist, dass es kein einziges Gemälde, keine einzige Skulptur, keinen einzigen Hinweis auf seinen Urheber, auf seinen Schöpfer enthält. Denn Ludwig II. betrachte Herrenchiemsee nicht als Monument für ihn selbst, sondern als Monument, als Tempel, als Hommage an seinen Namensvorgänger Louis XIV., den Sonnenkönig. Auf dieser einsamen Insel im Bayrischen Meer sollte nicht nur eine Kopie des Schlosses aller Schlösser, Versailles, entstehen, sondern eine verbesserte, vergrösserte Version davon, Versailles 2.0. sozusagen.
So ist das für „Lever“ und „Coucher“ gedachte (und dafür nie benutzte) „Paradeschlafzimmer“ viiiiel größer, güldener und reicher als das in Versailles, und auch der Spiegelsaal ist weitaus länger als die originale „Galerie des Glaces“.
Der Spiegelsaal. Foto: Robert Quitta
Angesichts dieser Prachtentfaltung ist es kein Wunder, dass Chorleiter und Bachexperte Enoch zu Guttenberg hier 2001 die Herrenchiemseer Festspiele gegründet hat. Nach seinem plötzlichen und allzufrühen Tod wird das sehr spezielle Festival nun von Josef Kröner und Kent Nagano weitergeführt. Und ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass man ein musikalisch höchstehendstes Konzert in diesem atemberaubenden(und auch akustisch hervorragenden) Saal nicht so leicht vergessen wird.
(Nächstes Jahr wird das Programm u.a. im Zeichen von Bruckner, Vivaldi und Haydn stehen.
Nähere Informationen unter: www.herrenchiemsee-festspiele.de )
Blick auf die Fraueninsel. Foto: Robert Quitta
Münster auf der Fraueninsel. Foto: Robert Quitta
Ein weiterer Spielort der Festpiele ist das (aus dem 7.Jhdt stammende) Münster auf der benachbarten Fraueninsel, deren Besuch man nur wärmstens empfehlen kann. Denn im Gegensatz zur imposanteren, aber eigentlich unbewohnten und unwirtlichen Herreninsel ist hier seit Urzeiten menschliches Leben zu Hause. Es gibt Fischer, Hotels, Restaurants, Gastgärten, Steckerlfischbuden etc….aber weder Autos noch Fahrräder. Man kann sich in dieser friedlichen Idylle sehr gut vom letztlich menschenfeindlichen Grössenwahn von Herrenchiemsee erholen. Nicht umsonst wird die Fraueninsel seit jeher als Kraftort bezeichnet….
Der ehemalige Wintergarten. Foto: Joseph Albert (1870)
Was man dennoch auf der Herreninsel nicht verabsäumen sollte, ist ein ausführlicher Besuch des König Ludwig II.- Museums. Selbst wenn man meint, doch einiges über den „Kini“ zu wissen, eröffnen sich einem hier ganz ganz neue Perspektiven. Z.B. dass er bereits in der Münchener Residenz eine Kostprobe seiner späteren Bauten errichten liess: einen (leider zerstörten) „Wintergarten“ mit einem künstlichen Teich, echten Schwänen, einer „indianischen Hütte“, jeder Menge Tropengewächse, Palmen, Farnwedeln etc…und einem gemalten Prospekt des Himalaya.
Da wäre man doch gerne sein Gast gewesen …
Mir auch neu, das der „Märchenkönig“ bevor er verhaftet, abgesetzt, entmündigt (und ermordet, wie manche behaupten ?) wurde, noch weitere hochfliegende Baupläne hatte: für die (als eine Art Über-Neuschwanstein projektierte) Burgruine Falkenstein, für einen Byzantinischen Palast und für einen Chinesischen Sommerpavillon am Plansee…
Byzantinischer Palast. Foto: Robert Quitta
Welch großer Künstler ging mit ihm zugrunde ! Wieviel Millionen Touristen könnte Bayern heute zusätzlich noch anziehen….!
Hotel Luitpold am See in Prien. Foto: Robert Quitta
Für einen längeren Aufenthalt empfiehlt sich das Hotel Luitpold am See in Prien, praktischerweise gleich neben der Schiffanlegestelle. Familiär geführt, mit einem sehr guten Restaurant (inkl. Gastgarten). Und zum Frühstück gibts am Sonntag sogar Weisswürscht. Da ist man doch gleich eingestimmt….
Robert Quitta, Chiemsee