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REISE UND KULTUR: ALS EINZIGE LANGNASE IN HALLSTATT

28.12.2025 | REISE und KULTUR

REISE UND KULTUR: ALS EINZIGE LANGNASE IN HALLSTATT

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Mit dem Schiff nach Hallstadt. Foto: Robert Quitta

Wenn man noch einen leichten Zweifel gehabt hätte, ob der einzige direkte Zug vom Westbahnhof auch wirklich nach Hallstatt fährt, wiegt man sich nach Betreten des Waggons sofort in Sicherheit: denn man blickt ausschließlich in asiatische Gesichter.

Jahrzehntelang hatte ich Hallstatt wegen des Hypes, des hohen Chinesenaufkommens und des allgemeinen Overtourismus vorsorglich gemieden, um nicht zu sagen: boycottiert.

Aber jetzt hatte ich in der Gegend zu tun und daher beschlossen, als neugieriger österreichischer Staatsbürger endlich einmal diesem unglaublichen Phänomem nachzugehen und mit eigenen Augen anzuschauen, was denn unsere Freunde aus dem Fernen Osten an diesem kleinen, so schwer erreichbaren Ort im Salzkammergut dermaßen fasziniert.

Also, bleicher Farang, also weisse Langnase, da musst du jetzt, trotz eines Waggons voller Mandelaugen und Mandeläuginnen, durch !

Der Zug fährt ja nur bis zur am gegenüberliegenden Ufer gelegenen Bahnstation. Dann muss man nach einem kurzen Fußweg in die (ein zusätzliches Ticket verlangende) Fähre umsteigen, und damit beginnt der unvergleichlich schönste Teil der Reise: die Schiffanfahrt an das malerische Hallstatt, wie man es von so vielen Photos, Prospekten und Filmen kennt.

Im Hafen angelangt, ist das Überraschendste und Auffälligste, dass die unmittelbar dort erbaute evangelische Kirche die weitaus abseitiger und höher gelegene katholische nicht nur an Zentralität, sondern auch an Größe w e i t übertrifft. Erstaunlich.

Die aus Italien stammende, hierher geheiratet habende, Fremdenführerin weiß darüber berührende Geschichten zu erzählen: wie die protestantische Rebellion der Salzkammergutler von den kaiserlichen Truppen brutal niedergeschlagen wurde, und man dann dem gewählten Glauben jahrzehntelang klandestin nachging, indem z.B. kleine Lutherbibeln in Brotlaiben eingebacken über den Dachstein geschmuggelt wurden etc. Erst durch Josef II. Toleranzedikt konnten die verbliebenen bzw. nach der Vertreibung aus dem Exil in Siebenbürgen zurückgekehrten Protestanten das ehemalige Bethaus in die jetzige massive Kirche umbauen.

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Die „typischen“ Häuser. Foto: Robert Quitta

Hallstatt besteht eigentlich nur aus einer einzigen (Fussgänger)Straße, die man einmal vom Busbahnhof in die „Stadt“ und wieder zurück gehen kann. Dementsprechend hoch ist hier das „Passagieraufkommen“. Wer also in der Früh mit dem Schiff anreist, hat einen unschlagbaren Startvorteil.

Sehr viel zu besichtigen gibt es hier nicht, denn seit auch die unverschämtesten Touristen gecheckt haben, dass in den Häusern echte lebendige Menschen wohnen, werden diesbezüglich auch keine dreisten Versuche mehr unternommen.

Absolut einen Besuch wert ist das ehemalige Salzbergwerk mit seiner 64m langen Bergmannsrutsche etc., was aber vielen Gästen auch zu anstrengend ist.

Kaum Touristen findet man auch im äusserst Hallstatt-Museum mit seinen zahlreichen Sälen, von denen die meisten der keltischen Hallstattkultur (mit ihren Gräberfeldern) gewidmet sind. Faszinierend!

Also auch nach einem ausführlichen Selbstversuch erschließt sich einem der weltweite Hype um dieses Salzkammergutstädtchen nicht wirklich. Es ist sehr nett und gepflegt, aber weder besser noch schlechter als viele andere Orte in der Gegend. Und vor allem, was macht man hier, wenn man die eine Straße einmal auf und einmal ab gegangen ist, und zwischendurch vielleicht auch noch die Schwäne gefüttert hat ?

Dank der Empfehlung meiner Guidin tat sich dann doch noch eine Möglichkeit auf, und es war eine Offenbarung: das Hotel Grüner Baum bzw, seine Terrasse.

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Die Seeterrasse. Foto: Robert Quitta

Die ist in den See hinein gebaut, und sobald man auf ihr Platz genommen hat, ist man der Welt abhanden gekommen bzw. endlich in der Welt angekommen.

Keine Touristenmassen, kein Overtourismus, keine barbarischen selfiesüchtigen Horden mehr, denen hat man den Rücken zugekehrt, die hört man nicht, ja die erahnt man nicht einmal mehr.

Vor einem liegt nur der wunderschöne See, und da das gegenüberliegende Ufer genaugenommen unbewohnt ist, eigentlich sonst nix. Frieden. Stille. Blauer Himmel. Sonnenschein. Ab und zu ein paar Schwäne und ein paar Tretboote in Schwanenform (!), die von den echten Schwänen interessiert, aber misstrauisch beäugt werden.

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Die künstlichen Schwäne. Foto: Robert Quitta

Dazu servieren einem die besonders freundlichen ungarischen Kellner die allerköstlichsten Speisen: die Krebssuppe, die aus dem See frisch gefangene Reinanke, die selbstgemachten Sorbets…

 

Man ist im Paradies. Man ist glücklich. Man will nie wieder weg….

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Die Fischsuppe. Foto: Robert Quitta

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Reinanke mit Mandeln. Foto: Robert Quitta

Robert Quitta, Hallstatt

 

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