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Peter Konwitschny- „Starregisseur-der Oper“- Fluch oder Segen für die Oper? Grundsätzliche Gedanken zur Inszenierung von „Die Macht des Schicksals“ von Giuseppe Verdi,  Linzer Inszenierung

24.01.2023 | Reflexionen

Peter Konwitschny- „Starregisseur-der Oper“- Fluch oder Segen für die Oper?

Grundsätzliche Gedanken zur Inszenierung von „Die Macht des Schicksals“ von Giuseppe Verdi,

 Linzer Inszenierung vom 21.1.2023, Erste Aufführung

fota

Linzer Kurzfassung-

Peter Konwitschny ist weltbekannter deutscher Opern- Starregisseur und hat die Neuinszenierung von „ Die Macht des Schicksals“ von Giuseppe Verdi in Linz übernommen. Ein Abend der von Erfolg gekrönt war und der in vielen Kritiken mit Lob übersät war! Wie viel hat Konwitschny selbst dazu beigetragen ?

Konwitschny ist ein sehr erfolgreicher Regisseur des Deutschen Regietheaters. Letzteres ist  heute nicht mehr von den Bühnen wegzudenken!

Das Deutsche Regietheater hatte seinen Ursprung nach dem Zweiten Weltkrieg . Es galt:  Richard Wagner und seine Werke, die durch das Deutsche Regime schändlich missbraucht wurden, wieder auf die Bühnen Europas und der ganzen Welt zu bringen und diese wieder salonfähig zu machen. Das Ganze von allem Germanischen zu entstauben und quasi rein zu waschen von aller „Schuld“ . Also Neuanfang! Alles entrümpeln und modernisieren. Das war vielleicht auch damals ein notwendiger Schritt!

Ein weiterer Grund für den Erfolg des Deutschen Regietheaters ist, dass die großen Opernkomponisten ausgestorben sind. Wenn man sich heute zu Tage die Spielpläne der großen Opernhäuser anschaut , dann enden die modernen Opern bei Richard Strauss und Bela Bartok? Und dann………- Verdi würde sagen: “ …Nulla!…“.

Das heißt daher auch: wenn nichts mehr nachkommt, neu interpretieren!

Peter Konwitschny ist auf diesen Zug aufgesprungen und hat über viele Jahre und Jahrzehnte das Opernleben geprägt. Daher stellt sich die Frage: War das ein Fluch oder ein Segen?

Wenn man  das Linzer Landestheater betritt, bedrückt einen das Gefühl, ein Pensionistenheim zu besuchen. Kaum Jugendliche, kaum junge Erwachsene und ich selbst fühle mich- mit 54 Jahren- noch eigentlich recht jugendlich dort. Woran liegt das, dass ganze Generationen an Opernbesuchern wegbrechen und quasi nicht mehr vorhanden sind? Wo sind die Zwanzig–, Dreißig-, Vierzgjährigen, die in die Oper gehen ? Warum sind dort hauptsächlich ältere und alte Menschen? Liegt es daran, dass die Oper an sich verstaubt oder nicht mehr zeitgemäss ist ? Interessieren sich junge Menschen nicht mehr an der Oper? Woran liegt das also?

Ich habe das Linzer Landestheater besucht, die „ Linzer Kurzfassung“ von Verdi`s Macht des Schicksals“ am 21.1.2023  gesehen, das Programmheft gelesen und mir Gedanken zu diesem Abend gemacht. Diese möchte ich gerne mit Ihnen, werte Leser, teilen.

Zuerst lese ich das Programmheft: Ich finde es hochmütig und die eigenen Grenzen selbst überschätzend, wenn Konwitschny in einem Interview im Programmheft meint, er hätte die Szenen, die…nicht ganz auf dem Niveau der anderen Szenen“ von Verdi sind und aber auch ganze Partien , wie die des Melitone herausgenommen, weil letzterer“..Witze reißt und moralisierenden Blödsinn von sich gibt“ u.s.w. 

Sogar das große Duett zwischen Alvaro und Don Carlos wurde gestrichen und die Schlussszene des 3. Aktes durch ein großes Ensemble mit Chor, das im Original im zweiten Akt stattfindet, ersetzt.

 Das ist verblüffend? Wer glaubt er denn zu sein, der Herr Konwitschny, dass er Verdi kritisieren kann und sagen kann: Das finde ich gut von ihm, das kann man lassen, das andere ist mittelmässig, das kann man weglassen? Glaubt er denn etwa, besser zu sein als Verdi? Das ist auch durch diese „ Linzer Fassung“, die ich selbst gesehen habe,  kaum anzunehmen. Denn Verdi war ein Genie und das ist Konwitschny sicher nicht. Herr Konwitschny kann, wenn er das Talent besitzt, ja gerne auch selbst eine Oper komponieren und es sei ihm- auch von mir- vergönnt, dass diese ein Erfolg wird. Aber er soll bitte Verdi- Verdi sein lassen. „Schuster bleib„ bei deinen Leisten“, sagt ein altes Sprichwort.

Wenn junge Klimaaktivisten ölige Flüssigkeit über ein kostbares Klimt Gemälde schütten, das Gott sei Dank durch ein Schutzglas geschützt ist, dann wird das im Fernsehen im ORF übertragen und die Leute regen sich furchtbar auf und sagen: Das ist ja schrecklich, das kann man ja nicht machen! Das ist ja Kunstschändung! Aber ist das eigentlich dann richtig? Man  könnte das ölüberschüttete Gemälde ja auch so hängen lassen und sagen: Na ja, die jungen Leute sehen das heute anders und die Zeiten haben sich geändert ! Und dann bleibt das Ganze auch so hängen, bis irgendwann , nämlich viel später, einer draufkommt  und sagt “Aha,  was haben wir denn da, da ist ja noch etwas hinter dem ölverschmierten Glas! Das ist ja eigentlich noch schöner!

Aber im Ernst: Wie viel darf man heute als Regisseur eigentlich mit einem durchkonzipierten Werk eines der größten Komponisten aller Zeiten eigentlich machen? Wo ist das „Schutzglas“ für Komponisten und die Oper an sich?

Herr Konwitschny hat sich zumindest und das muss man ihm auch zu Gute halten, mit dem Werk intensiv auseinandergesetzt und sich auch etwas überlegt und das dann umgesetzt., aber: Muss das sein, nämlich die Oper modern zu halten, den Inhalt übermäßig zu intellektualisieren?. Hilft es ihr oder schadet es ihr?

Ich finde es auch durchaus angebracht, die Oper einmal zu hinterfragen und zu durchdenken-, denn das ist durchaus berechtigt! Das ist auch gut für die Opernkenner, die ja wissen: Naja, eigentlich ist es ja so, aber der Regisseur hat sich dann gedacht „so und so“ und dann ist es halt „so und so“…

Aber das Regietheater setzt auch voraus, dass man die Opern einmal so gesehen hat, wie sie konzipiert waren. Und man sollte der Oper auch gelegentlich die Chance geben , so zu sein, wie sie ursprünglich vom Komponisten und Librettisten konzipiert wurde!

Als Opernenthusiast der Ende 80`er und 90´ er Jahre hatte ich als junger Opernliebhaber noch oft die Chance Opern so zu sehen , wie sie eigentlich gedacht  waren. Wenn das Libretto vorschrieb: Waldszene, dann wurde auch ein Wald inszeniert. Ein Wald-…. und  keine Bar, keine Spelunke und auch kein WC- sondern ein Wald! Das Bild also, das der Komponist zum Zeitpunkt der Komposition vor seinem geistigen und künstlerischem Auge hatte. Wenn dieses Bild dann auch vom Regisseur so inszeniert wurde, wurde die Musik für den Musikliebhaber dann auch verständlicher und eindringlicher- er hörte dann vielleicht einen kleinen Waldvogel , ein kleines Bächlein das vorbeifließt in der Musik- eine Waldmusik also, aber keine Klospülung!

Die grundsätzliche Idee von Konwitschny „ Die Macht des Schicksals“ intellektuell ,nämlich  wörtlich umzusetzen, das heißt : Was ist das Schicksal, wann beginnt das Schicksal , wer bringt das Schicksal für jeden Einzelnen von uns, das sind theoretische Fragen, die grundsätzlich auch sehr interessant sind und die Konwitschny mit seiner Inszenierung in Frage stellen wollte?

Aber wollte das auch der Komponist? Vielleicht nicht in diesem Ausmaß! Konwitschny zeigt sinnbildlich eine leere Wand vermutlich in einem Gefängnis. Die Drehbühne wird insofern ausgenützt , indem der  Protagonist von dem gleichen Bühnenbild, wieder in das nächste gleiche Bühnenbild rennt- quasi : Man kann dem eigenen Schicksal nicht entrinnen, man steht immer vor seiner „kaputten“ eigenen Realität. Um diese Gedanken zu verwirklichen, wurden also Szenen-nämlich sogar sehr wichtige Szenen der Oper- gestrichen, andere versetzt usw. Alles gut und schön! Aber wollte das der Komponist so und will das das Publikum auch so sehen?

Was erzählt man einem Kind , das sich für Oper interessiert und dann nach der Vorstellung sagt: aber die Geschichte ist ja ganz anders, als die du mir erzählt hast? Kann man jungen Menschen , Kindern und Jugendlichen im Raume Linz nicht auch einmal Oper so zeigen, wie sie eigentlich geschrieben steht, damit sich die, die noch keine Ahnung und Vorstellung davon haben, auskennen, was eigentlich gemeint ist.

 Zu Zeiten Verdi`s war es noch so: er hat das Werk geschrieben , war meistens bei der Uraufführung dabei und hat dann gesagt, Das war gut und das war schlecht! Aber das kann er heute nicht mehr, denn er ist tot! Er hat einen „Schatz“ hinterlassen, den er selbst nicht mehr verwalten kann und den er anderen übergeben hat in der Hoffnung, das damit zu machen, was er eigentlich wollte. Ende der 80 er Jahren haben sich die Regisseure, die noch im Dienste des Komponisten arbeiteten -sich also noch als Diener des Komponisten- gesehen haben, noch daran gehalten. Sie haben das  was der Komponist und der Librettist kleingeschrien in der Partitur zur Inszenierung beigefügt hat, gelesen und umgesetzt! Das hat sich leider geändert!

Konwitschny sieht sich in seinerRolle anders. Er sagt in „deutscher Bescheidenheit“: Das ist Verdi und ich bin Konwitschny. Er hat ein paar blöde Fehler gemacht und ich werde das halt für ihn -den Schwächeren- ausbessern.

Ob es Konwitschny war, der durch seine grandiosen Änderungen des Konzeptes der Oper so maßgeblich beteiligt war, oder ob es schlicht die Sänger waren, die wirklich alle grandios gesungen haben, das Orchester und der Chor hervorragend musiziert haben- muss jeder, der dort war für sich selbst entscheiden! ……..

Oder war Verdi vielleicht auch noch ein bisschen daran beteiligt? Naja, einige Melodien waren ja schon ganz nett, sogar überzeugend!

Wie erfolgreich das Deutsche Regietheater tatsächlich war und wie weit es durch „moderne Inszenierungen“ die Opernwelt verbessert hat und die Jugend angezogen und fasziniert hat, das müsste Konwitschny selbst beantworten, denn er war ja daran maßgeblich beteiligt? Oder ist es ihm gar in den letzten  Jahrzehnten gar gelungen, die Oper in Grund und Asche zu inszenieren. Denn er hat ja an zahlreichen großen Opernhäusern der ganzen Welt sein „intellektuelles“ Kozept umgesetzt! 

Ich hoffe jedenfalls, dass es noch weitere Generationen gibt, die in Zukunft noch Oper hören wollen und die auch vom ersten Moment davon begeistert sind- so wie ich es einst war.

Ich wage aber zu bezweifeln, dass sich am 21.01.20231 solch ein junger Mensch für die Oper gefunden hat, – aber ich hoffe es.

Alexander Gallee

 

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