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PARADIES: HOFFNUNG

11.03.2013 | FILM/TV

Ab 15. März 2013 in den österreichischen Kinos
PARADIES: HOFFNUNG
Österreich / 2013
Regie: Ulrich Seidl
Mit: Melanie Lenz, Joseph Lorenz u.a.

Ulrich Seidl hat sie durch, seine christlichen Kardinaltugenden, die er so unchristlich behandelt hat: den „Glauben“ als Provokation für den Katholizismus (mit leisem Erstaunen, dass die Kirche gar nicht auf ihn reagiert hat), die „Liebe“ als wirklich unappetitliche Peep-Show, und nun die „Hoffnung“, von ihm selbst als sein „zärtlichster“ Film apostrophiert. Er ist auch im Vergleich zu den anderen der langweiligste und einfallsloseste, weil er einfach linear eine Geschichte ohne sonderliche Handlung erzählt.

Wahrscheinlich will Seidl noch dafür gelobt werden, dass er in einem Film, der von Teenagern handelt, nicht so exzessiv vorgegangen ist wie sonst. Aber hier erweist sich die Verlogenheit der Methode, die er so unglaublich (und eigentlich unfasslich) medienwirksam verkauft hat: das scheinbare „Improvisieren“ der Darsteller. Warum funktionierte das in „Liebe“ und in „Glaube“? Nicht, weil es „echt“ war. Sondern weil es sich bei Margarete Tiesel,Inge Mauxund Maria Hofstätter natürlich um erfahrene Schauspielerinnen handelt, die bei allem „Improvisieren“ natürlich ganz genau wussten, was sie tun, und selbstverständlich etwas Dargestelltes geboten haben. Wenn nun in „PARADIES: Hoffnung“ ein echter, unbedarfter Teenager in seiner ganzen Unbedarftheit herumsteht, dann widerspricht das jedem Gestaltungsprinzip, ohne das eine Kunstform wie der Film (der ja gegebenenfalls nur scheinbar „natürlich“ ist – denn alles Beobachtete verändert sich bekanntlich) nicht auskommt.

Also, Mama war in Kenia und ließ sich von Beach Boys befummeln, Tante wanderte mit der Madonnenstatue von Haus zu Haus und ließ sich attackieren, und Töchterchen Melanie wird, weil füllig, in diesem Sommer in ein Diät-Camp geschickt, irgendwo im Wechselgebirge, wie der Pressetext verrät.

Dieses Camp wird es schon geben, und wahrscheinlich geht es da auch eher ungemütlich zu – wenn die Teenager nicht abends in ihren Zimmern wie beim Skikurs zusammen hocken, dann müssen sie militärisch aufmarschieren und ziemlich hart sporteln (wie sie wenig oder nichts zu essen bekommen, zeigt der Film nicht, der erst am Ende aus der Entfernung eine Szene im Speisesaal andeutet).

Was macht die Melanie jetzt, die nur mit einer Freundin Gedanken über Sex austauschen kann? Ach ja, einmal büchsen die beiden aus, gehen in eine Disco, und weil sie Komasaufen nicht gewöhnt sind, kippen sie um und werden zurückgebracht. Soll vorkommen.

Um irgendeine Art von Handlung in das Geschehen zu bekommen, lässt Seidl einen durchaus möglichen, durchaus peinlichen Fall von „erster Liebe“ geschehen, und dass Melanies ziellose Gefühle den Arzt des Hauses treffen, verwundert nicht, denn er ist der einzige ansehnliche Mann weit und breit. Besetzt wurde hier mit einem Schauspieler, Joseph Lorenz, der eindeutig eine Rolle spielt, und zwar eine durch und durch seltsame. Wenn die Kleine dauernd in seinem Untersuchungszimmer auftaucht, beginnt er mit kleinen Spielchen, die nicht wirklich unter Gefummel oder sexuelle Belästigung fallen, aber doch abwegig genug sind. Einmal im Freien gibt es eine Umarmung, einmal scheint er geradezu tierische Gelüste zu beherrschen, und schließlich findet er seinen Verstand und verbietet ihr aus Selbstschutz, wieder zu ihm zu kommen. Gut, man muss nicht wissen, was in ihm vorgeht – aber nach den Gesetzen des Films wäre es schon sinnvoll, wenn man eine Figur halbwegs begreifen könnte… zumal sie die einzige vage interessante ist.

Seidl, der alle seine Filme zu den großen Festivals brachte, ist bekanntlich enttäuscht von der Berlinale heimgekommen, weil er keinerlei Skandal erregt, also auch keine Beachtung (und schon gar keinen Preis) bekommen hat. Allein das beweist, dass der „ehrliche Künstler“, als der er sich so erfolgreich verkauft, blank spekuliert. Wahrscheinlich bedauert er, dass er keine brutale Vergewaltigungsszene eingebaut hat – dann hätte wenigstens irgendjemand aufgeschrieen. Aber nein, es sollte ja sein zärtlichster Film werden. Wie viel Hoffnung das arme dicke Mädchen, das so offensichtlich nichts im Kopf hat, auf ein erfülltes Leben haben kann… na, schauen wir uns doch Mutter und Tante an.

Tatsächlich hat Seidl seine Geschichten in einer gesellschaftlichen Kleinbürgerschicht angesiedelt, in der Primitivität des Denkens und Handelns immanent ist. Dagegen ist nichts zu sagen: Er soll uns dergleichen bloß nicht unter dem Motto „So ist das Leben“ verkaufen.

Renate Wagner

 

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